Unterwegs auf der Via Transilvanica

Von der Bukowina bis zur Donau führt der Weitwanderweg quer durch Rumänien

Die Via Transilvanica führt durch die Kreise Suceava, Bistritz-Nassod, Mure{, Harghita, Kronstadt, Hermannstadt, Alba, Hunedoara, Karasch-Severin und Mehedin]i. Sie ist unterteilt in sieben Abschnitte: Bukowina, }inutul de Sus (Hochland), Terra Siculorum, Terra Saxonum, Terra Dacica, Terra Banatica und Terra Romana.
Grafik: Verein Tășuleasa Social

Das alte Försterhaus im Nationalpark Semenic-Cheile Carașului, in dem man übernachten kann Fotos: die Verfasserin

Das orange „T“ auf weißem Grund markiert zuverlässig die gesamte Strecke.

Wasserflaschen sind nicht nur zur Hydrierung wichtig – man kann damit auch Größenvergleiche anstellen, etwa mit gigantischen Blättern und unangenehm großen Pfotenabdrücken in Karasch-Severin.

Schön, lustig, kitschig oder rätselhaft: Jeder Meilenstein ist individuell von einer Künstlerin oder einem Künstler gestaltet, der „Verkauf“ dieser Steine trägt dazu bei, die Via Transilvanica zu finanzieren. Und bei aller Schönheit des Weges ist es doch auch immer eine Freude zu wissen, dass man wieder einen Kilometer hinter sich gebracht hat.

Der Weg ist selten asphaltiert, manchmal abenteuerlich und meistens sehr schön. Er führt auch durch Dörfer, aber meist ist man einsam unterwegs.

Im Cerna-Gebirge begegnet man keinen Autos: Unterwegs ist man mit Pferdefuhrwerk, Packpferd oder eben Rucksack, die Schönheit lohnt den etwas langen Aufstieg.

Nicht ganz der letzte Meilenstein der Via Transilvanica, aber der erste an der Donau

Während der Jakobsweg durch die Ankunft an der Pilgerstätte definiert ist, zählt auf der Via Transilvanica das Unterwegssein, weniger das Ankommen. „Die Via Transilvanica will die Barriere zwischen Generationen und Kulturen überwinden, unabhängig vom Alter der Erfahrung oder der Herkunft derer, die sie bewandern“, heißt es im vom Verein herausgegebenen Wanderführer. Es kann also irgendein beliebig langer Abschnitt zwischen der Bukowina und Mehedin]i gewählt werden, je nach Interesse und Vorlieben – die schroffen Gebirge der Bukowina oder sanfte Hügel? Pittoreskes Dorfleben oder Waldeinsamkeit? Die Bären des Nordens oder die Schlangen des Südens? Viel zu entdecken gibt es überall: „Es ist ein Weg, der auf jeden Fall eine geistige Erfahrung, eine kulturelle Erfahrung und eine Erfahrung der Entdeckung aller touristischen Orte entlang der Route bietet“, erzählt Alin U{eriu, einer der Gründer des Vereins, im Januar 2021 gegenüber Radio România Interna]ional. Dabei geht es ihm nicht nur darum, den Tourismus zu fördern: Die Idee ist auch, den Menschen in Rumänien eine Möglichkeit zu bieten, ihr Land kennenzulernen: „Die Via Transilvanica ist Identität. Denn sie ermöglicht uns, die Geschichte besser kennenzulernen, und damit uns selbst besser zu verstehen – als Nation“.

Die Sache mit der Entdeckung touristischer Orte, von denen Alin U{eriu im Radio erzählte, gestaltet sich dabei mitunter ein wenig schwierig: Wer zu Fuß unterwegs ist, überlegt sich gut, wie viele zusätzliche Kilometer Marsch eine tiefe Höhle oder ein altes Kloster wert sind. Die Langsamkeit ist aber auch der Vorteil des Wanderns: Es erlaubt nicht nur, Dinge wahrzunehmen, an denen wir sonst vorbeirauschen – sondern auch den Luxus, jederzeit stehenzubleiben und ein wenig zu verweilen, wenn es freut.

Auch kommt man mehr und anders mit den Menschen in Kontakt, deren Heimat man bereist. In den Dörfern wird man von den schwarzgekleideten Damen auf ihren Bänkchen mit guten Wünschen bedacht, Leute winken von Kutschen und Traktoren – wohl auch, weil ein Kuriosum darstellt, wer nichts Besseres zu tun hat, als einfach so durch die Gegend zu laufen. Manch Herbergsbesitzer lässt durchblicken, dass er sich zwar über die zusätzlichen Gäste durch den Weitwanderweg freut, diese im Grunde aber für eher wahnsinnig hält.

Viele Beteiligte, immer mehr Wanderer

Ab 2018 wurden die Abschnitte der Via Transilvanica langsam fertiggestellt (140 Kilometer in Hunedoara wurden gerade im Juli eröffnet) – wie Anna Szekely berichtet, gerade zur rechten Zeit: Denn in den Pandemie-Sommern führten die Reisebeschränkungen, die drohende Ansteckungsgefahr in Menschenmengen und die allgemeine Unsicherheit dazu, dass Wandern im eigenen Land vielen Rumäninnen und Rumänen eine attraktive Urlaubsform erschien. Es wurde noch keine Methode entwickelt zu zählen, wie viele Menschen die Via Transilvanica bzw. deren Teilstrecken bewandern, aber am „Hauptquartier“ von T²{uleasa Social, nahe dem Tihu]a-Pass im Kreis Bistrița-Năsăud/Bistritz Nassod, kommen inzwischen etwa 5000 Wanderer jährlich vorbei – man freue sich, dass auch ohne aktiv betriebene Werbung die Anzahl jährlich zunehme.

Den meisten Menschen, denen man auf dem Weg durch die über 400 Dörfer und Städte begegnet, wissen über den Wanderweg Bescheid. Das liegt auch daran, dass die Via Transilvanica nicht das Projekt einer Firma oder einer Handvoll Leute war, sondern unzählige Menschen an der Entstehung mitgearbeitet haben: Allein das „Kernteam von Freiwilligen“ bestand aus mehreren Hundert Personen aus dem ganzen Land, schreibt Anna Szekely: „Aber auch Einheimische aus den Gemeinden, an denen wir auf der Strecke vorbeikamen, waren so begeistert von dem Projekt, dass sie uns beim Aufstellen der Meilensteine oder Markierungen halfen. Man kann sagen, dass insgesamt etwa 10.000 Menschen am Bau der Strecke beteiligt waren.“
Ohne diese Beteiligung wäre das Projekt auch kaum umsetzbar – oder bald wieder verschwunden: Viele Gemeinden erklärten sich beispielsweise bereit, sich um die Instandhaltung des Abschnitts zu kümmern, der durch ihr Dorfgebiet führt.

Ohne all die Freiwilligen wäre es auch kaum möglich gewesen, das ganze Projekt ohne öffentliche Gelder, sondern allein über Spenden, Sponsoring und Crowdfunding-Kampagnen (dt. „Schwarmfinanzierung“: dabei wird aufgerufen, ein Projekt via Beteiligungsdarlehen oder stiller Beteiligung mit einer kleinen Summe mitzufinanzieren) zu finanzieren; außerdem wurden Gelder aus dem Verkauf des Buches  „27 de pa{i“ von Tiberiu U{eriu verwendet – der Extremsportler ist der Bruder von Alin U{eriu; und auch die Meilensteine werden verkauft. „Auf diese Weise haben wir 1,5 Millionen Euro akquiriert, und wir brauchen insgesamt 1,8 Millionen Euro“, schreibt Anna Szekely.

Manche Einheimische wurden auch ein wenig zwangsbeglückt: Der Besitzer eines eigentlich leerstehenden Hauses im Nationalpark Semenic-Cheile Cara{-ului etwa erzählt belustigt, wie er mit dem Ansinnen überrumpelt wurde. Das alte Försterhaus in seinem Besitz sei die einzige Unterkunftsmöglichkeit in dieser einsamen Gegend, und er solle es deshalb doch bitte den Wanderern zur Verfügung stellen. Die Bittsteller hatten Glück, der Hausbesitzer ist selbst begeisterter Bergsteiger und wurde zu einem weiteren Unterstützer des Projekts – ohne seine Großzügigkeit könnte die Via Transilvanica mangels Übernachtungsmöglichkeit nicht durch den wunderschönen Park führen. Zwar schläft man in geliehenen Schlafsäcken, auf Feldbetten und nach einer Katzenwäsche mit Wasser aus dem Fluss – aber nach dem Aufstieg von fast 30 Kilometern ist man schon recht euphorisch, wenn man nicht mehr weitergehen muss.

Diese Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, welch beeindruckende Infrastruktur die Menschen hinter dem Projekt geschaffen haben. Der Wanderweg wurde nicht eigens angelegt, sondern bestehende Straßen, Wege und Pfade mittels Markierungen zu einer zusammenhängenden Strecke verbunden. Dabei wurde gründlich gearbeitet: Das orange „T“ fällt quasi alle paar Meter ins Auge, sich verlaufen ist kaum möglich. Zusätzlich gibt es die „Meilensteine“: Jeder zurückgelegte Kilometer ist markiert mit einer kurzen Stele aus Andesit, jede von ihnen ist individuell gestaltet. Zusätzlich kann man sich per Tracking-App jederzeit der eigenen Position und des Weges vergewissern, die GPS-Daten stehen auf der Homepage zum Download zur Verfügung.

Ausführlicher Wanderführer zum Herunterladen

Herzstück des Ganzen ist wohl der Wanderführer in PDF-Format, der auf der Homepage in den Sprachen Rumänisch, Englisch, Ungarisch und Deutsch angeboten wird. Er liefert grundlegende Informationen auch für Interessierte mit wenig Wandererfahrung – etwa eine Packliste für den Rucksack, oder Tipps zum Umgang mit Bären. Vor allem ist darin aber jede Tagesetappe genau beschrieben: Wie etwa die Wegbeschaffenheit ist, ob der Weg an Brunnen oder Geschäften vorbeiführt, und welchen Besonderheiten der Region man begegnen kann. Sehr hilfreich sind auch das Höhenprofil und die  Informationen zu Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten.

Der Wanderführer beschränkt sich aber nicht auf trockene Informationen. Die Verfasserinnen und Verfasser lassen uns an ihren eigenen Eindrücken während der Wanderung teilnehmen, ihre Begeisterung ist im Text spürbar. Gemeinsam mit dem Umstand, dass der Text aus dem zum Ornamentalen neigenden Rumänischen übersetzt scheint, ergeben sich manchmal etwas amüsante Abschnitte, wenn es etwa heißt: „Dann geht man tief in den Wald, der immer geheimnisvoller wird, Momente, in denen das Gehirn des müden und hungrigen Wanderers beginnt, den geographischen Kurven und Mustern von Wald-Dolinen mit Kuchen voller Früchte oder frisch geschnittener Polenta für jeden am Tisch zu ähneln. Jede von scharfen Bächen durchzogene Waldküste wird in unseren Köpfen zu einem Gericht. Die Schreie des Adlers sind in der Nähe zu hören, die Krähen spielen zwischen den Blättern der Buchen und der Rest ist Stille und das Rauschen des Wassers.“  Tatsächlich ist die beschriebene Etappe – von Iabalcea bei Reschitza zur oben genannten Försterhütte – lange, anstrengend und führt durch tiefe Wälder, mit etwas Proviant kann man aber Halluzinationen vorbeugen.

Es gibt außerdem noch eigene Radwanderführer für diejenigen, die die Via Transilvanica zweirädrig bereisen möchten. Dies hat den unleugbaren Vorteil, dass auf mühsame Aufstiege keine mühsamen Abstiege, sondern rasante Abfahrten folgen – oft blickt man als Wanderer den Rädern sehnsüchtig hinterher. Ander-erseits kommt man zu Fuß überall hin, während manche Streckenabschnitte nicht befahren werden können. Genauere Informationen, welche Strecken zum Radwandern geeignet sind, finden sich im Wanderführer.

Wenig Autos, viele Hunde

Für weniger Geübte (und die etwas Gemütlicheren unter uns) kann es problematisch sein, dass manche Tagesetappen um die 30 Kilometer lang sind – es empfiehlt sich, dies bei der Planung zu berücksichtigen. Teilweise können solche langen Etappen unterteilt werden, wenn eine Ortschaft mit Unterkunft am Weg liegt, oder es können Strecken per Autostopp zurückgelegt werden. Das funktioniert prinzipiell je besser, desto ländlicher eine Region ist und Mitfahrgelegenheiten den öffentlichen Verkehr ersetzen. Als Wanderer genießt man außerdem vielleicht einen gewissen Sympathiebonus, und wohl keine Art des Reisens verhilft so zuverlässig zu einem Pläuscherl mit Einheimischen.  Allerdings sollte man davor auf der Karte nachsehen, wie die Straße verläuft: Zwischen einem kleinen Dörfchen und dem nächsten kleinen Dörfchen kann man viele Kilometer laufen, bis vielleicht ein Auto daherkommt.

Was dagegen zuverlässig immer daherkommt, sind Hunde: Straßenhunde, Hütehunde, meistens aber Hofhunde, die begeistert aus der Einfahrt schießen, wenn endlich ein Grund zu bellen vorbeiwandert. Die meisten meinen es freundlich (andere nicht ganz so), und Wan-derstöcke helfen dabei, sich zumindest etwas weniger wehrlos zu fühlen. Wie ganz allgemein auf der Via Transilvanica gilt auch hier: Ruhig bleiben, freundlich sein, weiterlaufen.


Die Journalistin Anca Iosif hat im August 2021 einen ausführlichen und sehr schön bebilderten Erfahrungsbericht unter dem Titel „Via Transilvanica: Nu mă întorc, doar ajung“ für das Magazin „Decât o Revistă“ verfasst. Er kann – in rumänischer Sprache – nachgelesen und angehört werden unter dor.ro/via-transilvanica-nu-ma-intorc-doar-ajung

Auf der Homepage viatransilvanica.com gibt es ausführliche Informationen zu den Aktivitäten des Vereins und natürlich zur Strecke selbst. Der Wanderführer und die GPS-Daten für die verschiedenen Streckenabschnitte können heruntergeladen werden. Auch die Facebook-Seite facebook.com/ViaTransilvanica ist interessant: In der „Gruppe“ stellen Interessierte Fragen und Wanderer teilen ihre Erlebnisse und Fotos.