Uraufführung der Sechsten Symphonie von Paul Richter

Klausenburg – Er war „ein überaus sympathischer, herzlicher Mensch, der einen durch seine Liebenswürdigkeit gleich gefangen nahm.“, so die Erinnerung von Zeitzeugen aus Kronstadt/Brașov an Paul Richter (1875-1950), der in Leipzig Komposition studiert und sich bei Gewandhauskapellmeister Arthur Nikisch manchen Trick für die Handhabung des Dirigentenstabes abgeguckt hatte. Dem gerade einmal nur 25 Jahre alten Heimkehrer aus der Stadt Bachs und Mendelssohns aber schlug für den Anfang ab 1900 in Kronstadt trotz besten Ausbildungszeugnissen etwas Misstrauen entgegen. Erst 1918 wurde ihm der Zuschlag für die Leitung der Stadtkapelle und der Philharmonischen Gesellschaft Kronstadts erteilt. Doch Paul Richter mangelte es wegen seiner freundlichen Gangart kaum jemals an Aufträgen. Sogar sein eigener Wunsch, Richard Strauss zu einem Gastdirigat in Kronstadt begrüßen zu können, ging 1920 in Erfüllung. Deutlich schwerer von der Hand gegangen sein soll ihm stattdessen die Arbeit an der letzten seiner Sechs Symphonien. Ihre vier Sätze brachte er nach dem Zweiten Weltkrieg während seiner letzten Lebensjahre zu Papier – als ein alter Mann, der nicht nur in wirtschaftlich prekären Verhältnissen überleben musste, sondern auch vom Tod zweier seiner Kinder in der Deportation nach Russland nichts erfahren durfte. „Hilf, Herr, dem Volk droht das Ende!“, singen Chor und Sopran-Solo auf der Schlussstrecke des Kopfsatzes der Sechsten Symphonie von Paul Richter. Ihre weiteren drei Sätze kommen ohne Singstimmen aus. Es blieb auf dem Notenpapier und wird auch Freitagabend, am 9. Dezember, um 19 Uhr im Auditorium Maximum der Babe{-Bolyai-Universität Klausenburg bei dem Ruf nach Rettung in zehn Zeilen bleiben. Das Orchester und der große Chor der Staatsphilharmonie „Transilvania“ beschließen ihr Abonnement-Konzert mit der Uraufführung der Sechsten Symphonie Paul Richters, die bis 1990 in Rumänien wegen ihrer geistlichen Motivation auf kein Programm gesetzt werden durfte und musikgeschichtlich beinahe endgültig in Vergessenheit geriet. Dem soll in Klausenburg Abhilfe verschafft werden.

Hans Peter Türk, Biograph von Paul Richter, ist ebenso auf dem Plakat vertreten, und hat, nebst dem Aufführungsmaterial für die Sechste Symphonie des 1950 verstorbenen Kronstädter Musikers, in eigener Arbeit ein „Epitaph“ gesetzt, woraus zu Beginn des Abends der Auszug „Das Kreuz“ uraufgeführt wird. Zwischen den beiden Erstaufführungen bietet Solist Han Kim (Südkorea, Jahrgang 1996), Mitglied des Finnischen Radiosymphonieorchesters, das Konzert für Klarinette, Streicher und Harfe von Aaron Copland (1900-1990). Mit der Premiere der Sechsten Symphonie von Paul Richter endlich wird auch einer Anekdote widersprochen – Ende der 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts angeblich habe ein guter Freund Richters kurz vor Schluss eines Ausflugs in fröhlicher Runde mit der Frage „Paulus, wann machst du deine sechste Symphonie?“ das Echo vorführen wollen, das die Zinne Kronstadt an einer ganz bestimmten Stelle zurückwerfe. „Nie, nie, nie!“, soll es ihm treffsicher zur Antwort geschickt haben. Cornel Groza, Chorleiter der Staatsphilharmonie „Transilvania“, und Gabriel Bebe{elea, der die Gesamtleitung des Abends inne hat, wissen es jedoch besser.