Verantwortliches Lesen

Von der neuen Sorge eines einheimischen Abgeordneten

Der Noch-Abgeordnete der PDL, Mircia Giurgiu, macht sich um die junge Generation der Zeitungsleser Sorgen. Er will bis Ende Mai dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorlegen, der die Markierung der gedruckten, aber auch online erscheinenden Zeitungen vorsieht. Mittels bunten Punkten, ähnlich wie im Fernsehen, soll darauf hingewiesen werden, ab welchem Alter die betreffende Zeitung oder einige Artikeln gelesen werden dürfen. Besondere Sorge verursachen dem Volksvertreter die Nacktbilder, die sogar auf der ersten Seite einiger Boulevardzeitungen erscheinen.
An und für sich ein lobenswertes Vorhaben. Fraglich ist die Effektivität dieser Maßnahme. 

Die Markierungen sollen entweder auf die erste Seite oder auf jene mit erotischem beziehungsweise brutalem Inhalt platziert werden. Selbstverständlich werden die Augen der neugierigen Jugend in erster Linie die Seite nach dem kleinen Pünktchen durchforsten, um zu erfahren, ob sie denn die großen Bilder, die ja so einfach zu übersehen sind, überhaupt anschauen dürfen. Bei ihrer Suche nach der Markierung dürfen die minderjährigen Leserinnen und Leser weder von „dem durch die Windschutzscheibe auf die Motorhaube gespritzten Hirn eines im Autounfall gestorbenen Fahrers“ noch „von Kollagen mit sexuellen Stellungen“ abgelenkt werden. Auch die Eltern sollen durch die „Punktierung“ der Zeitungen aufmerksamer werden, was ihre Sprösslinge vor die Augen kriegen könnten.

Diese Maßnahme wird gewiss besonders großen Erfolg im Internet haben. Wenn Eltern jetzt nur Internetseiten mit ausdrücklich sexuellem Inhalt eventuell durch ein Passwort sperren können, werden sie bald auch die Seiten der Boulevardzeitungen mitbedenken müssen. Vorausgesetzt, sie geben überhaupt darauf Acht, was ihr Nachwuchs im Internet anguckt, und kennen sich mit dem weltweiten Netz besser als ihre Kinder aus.

Ein weiteres Problem bleiben die Zeitungen selbst. Solange auch eine schlechte Nachricht eben eine Nachricht bleibt und die Leser sich für den Busenumfang eines Sternchens genauso oder sogar mehr interessieren wie für die Aussagen des Premiers, oder sich fragen, mit wem und wo ein „Promi“ verkehrt, werden solche Bilder eine gute Ware bleiben. Laut Umfragen kennt sich der durchschnittliche Leser besser in den Scheidungsgeschichten und anderen Skandalen aus, als im politischen Geschehen. Ob eine neue Kleidungsvorschrift für die Parlamentarier beiderlei Geschlechtes an dieser Tatsache mehr ändert als farbliche Pünktchen in den Zeitungen?