Verfemte Zwölftonmusik an der Gheorghe-Dima-Musikakademie

Kolloqium des Vereins „musica suprimata e.V.“ in Klausenburg

Klausenburg – Komponist Norbert Wolfgang Stephan Hann von Hannenheim, der am 15. Mai 1898 in Hermannstadt/Sibiu geboren worden war, 1929 Aufnahme in die Meisterklasse von Arnold Schönberg an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin fand und am 29. September 1945 mutmaßlich psychisch erkrankt nach einem schizophrenen Anfall im pommerschen Landeskrankenhaus Obrawalde bei Meseritz verstarb, ist wegen seiner Biografie als Tonsetzer in der Tradition der Zweiten Wiener Schule und Zwölftonmusik vom in Deutschland gemeldeten Verein „musica suprimata e.V.“ zum zweiten Mal seit der ersten Auflage im Jahr 2015 zum Gegenstand eines Kolloqiums an der Gheorghe-Dima-Musikakademie Klausenburg/Cluj-Napoca erwählt worden. Auch am kommenden Dienstag, dem 10. Mai, steht Kammermusik aus seiner Hand für Streicher, Singstimme und Klavier im Zentrum des Programms an der universitären Musikausbildungsstätte in der Klausenburger Altstadt. Die Leitung der aktuellen Auflage Nr. 2 des Norbert-von-Hannenheim-Kolloqiums teilen sich Dr. Adrian Pop, Professor an der gastgebenden Musikakademie, und Dr. Gabriel Iranyi, stellvertretender Vorsitzender des Vereins „musica suprimata e.V.“ Als Mitreferent an der eintägigen Vortrags- und Konzertreihe beteiligt ist auch Prof. Dr. Ludwig Holtmeier, Rektor der Hochschule für Musik Freiburg im Breisgau. Zwecks Förderung konnten die Beauftragte der Deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien, die Mainzer Pro Musica Viva – Maria Strecker-Daelen-Stiftung (PMV) und der Zukunfts-Fonds der Republik Österreich als Förderer gewonnen werden.

Die Ganztagsveranstaltung beginnt um 10 Uhr mit einem Vortrag von Dr. Ga-briel Iranyi über die Sonate für Violine und Klavier Nr.4 des Kolloquium-Namensgebers, gefolgt vom einstündigen Konzert von Violinistin Marianne Boettcher und Pianist Kensei Yamaguchi, die anschließend die genannte Sonate aufführen. Auch die 1946 in Klausenburg von Dr. Iranyi komponierten „Quatre mouvements“ und ein Programmstück des frühen 20. Jahrhunderts von Gražyna Bacewicz markieren ihren Auftritt vor der Mittagspause. Um 14 Uhr wiederum referiert Dr. Iranyi über das Streichquartett Nr. 9 von Hannenheim, das eine Stunde später vom 1988 gegründeten Minguet-Quartett interpretiert werden soll. Bratscherin Aida-Carmen Soanea, Dozentin und Promotions-Studierende an der Gheorghe-Dima-Musikakademie, betritt hierfür die Bühne mit ihren Quartett-Mitspielenden Ulrich Isfort, Annette Reisinger (beide Violine) und Matthias Diener (Violoncello). Auf ihrem Programm stehen auch das Streichquartett Nr. XI von Norbert von Hannenheim und die 6 Bagatellen für Streichquartett von Anton Webern.

Der spätere Nachmittag ist Prof. Dr. Ludwig Holtmeier reserviert. Ihm fällt die Aufgabe zu, ausgewählte Lieder aus der Tonwerkstatt von Hannenheim zu analysieren. Seinen Ausführungen folgt ein Lieder-Rezital mit der tschechischen So-pranistin Irena Troupová und dem Pianisten Moritz Ernst, Schriftführer des Vereins „musica suprimata e.V.“, die einige der ausgewählten Vertonungen Norbert von Hannenheims auf Gedichte von Rainer Maria Rilke und Max Dauthendey zu Gehör bringen. Das Kolloqium klingt um 18.30 Uhr mit einem von Aida-Carmen Soanea und Moritz Ernst bestrittenen Gesprächskonzert aus, dessen Programm nebst Werken für Viola und Klavier von Hannenheim auch eine Sonate für Bratsche solo von Sándor Jemnitz bietet. Der Verein „musica suprimata e.V.“, dem 2023 der zehnte Geburtstag bevorsteht, verfolgt das Erreichen zweier Ziele, die eng miteinander verwoben sind – Überwindung der allgemein verbreiteten Abneigung gegenüber der Schreibart von Komponisten der Zweiten Wiener Schule, die sich von ihrer Sprache her von dem althergebracht klassischen Musikverständnis diametral unterscheidet, sowie eine Rehabilitierung europäischer Komponisten, die sich der beschriebenen Stilrichtung während der nationalsozialistischen Epoche anschlossen, ohne zu ahnen, dass ein damals ganz neuer politischer Kurs ihnen dauerhaft auch über die zeitliche Grenze faschistischer Diktaturen hinaus das Publikum verleiden würde. Somit erweist sich das selbstbestimmte Los des Vereins „musica suprimata e.V.“, eine Nische der Musikgeschichte vor den Augen und Ohren des breiten Publikums zu einem edlen Großbehälter oft und gerne gespielter Literatur zu weiten, als sehr schwierig.