Vom guten alten Geist zum „Elefantenproblem“

Bergschule in Schäßburg: kritische Analyse, perspektivische Entwicklung, Extrapolation auf das deutsche Schulsystem

Günter Cernetzky, ehemaliger Bergschüler, Vorsitzender und treibende Kraft des Vereins Bergschule Schäßburg e. V. in Deutschland, moderierte das Symposium
Fotos: George Dumitriu

Würdevolle Kulisse für die Diskussionen im großen Saal des Haltrich-Lyzeums; aus der Ferne online zugeschaltet waren die Vortragenden Dr. Konrad Gündisch, Richard Lang, Dr. Ioana Crețu und Camelia Nicolau.

Lieselotte Baier leitet den Bergschul-Verein in Schäßburg.

Kassetten mit prägenden Persönlichkeiten - Reformatoren, Schulrektoren, Literaten und Wissenschaftler - prangen an der Decke des Konferenzraums; hier Georg Daniel Teutsch

Blick vom Dach der Bergschule auf Schäßburg

Was ist übrig geblieben vom berühmten Geist der Schäßburger Bergschule, die heuer stolz ihr 500 jähriges Jubiläum begeht? Lebt sie nur noch vom Prestige der Vergangenheit? Von berühmten ehemaligen Schülern: dem Raketenforscher Hermann Oberth, den  Rektoren, Bischof  Georg Daniel Teutsch (1817-1893) und  Märchensammler Joseph Haltrich (1822-1886), oder den acht Sachsenbischöfen, die sie im Laufe der Zeit hervorgebracht hat?  Wie zukunftsfähig ist die Bergschule heute? Und man ahnt es schon: Bestimmt ist sie nicht die einzige deutsche Schule in Rumänien, die sich diese Frage stellen muss...

„Die nüchterne Bilanz zum Ende des Schuljahrs und die kritische Analyse der aktuellen Struktur (…) sind Anlass und Hauptgrund zur erneuten Einberufung eines Bergschul-Symposiums.“ Mit diesen Worten lud Regisseur Günter Czernetzky, Vorstandsvorsitzender des 1991 mit 150 Mitgliedern gegründeten Vereins „Bergschule Schäßburg e. V.“, zum von ihm moderierten 7. Symposium „Quo vadis, Bergschule?“ (10. bis 12. Juni) ein.

Was vordergründig als Debatte zur spezifischen Problemlösung und per-spektivischen Entwicklung der Bergschule gedacht war, entpuppte sich schnell als Grundsatzdiskussion über das deutsche Schulwesen in Rumänien und seine Probleme: Wird Deutsch als Muttersprache wirklich noch auf Muttersprachniveau unterrichtet – oder ist es nur noch „Schulsprache“? Wie kann der Mangel an qualifizierten deutschsprachigen Lehrern langfristig behoben oder kompensiert werden? Wie lassen sich Leistung und Qualität des Deutschunterrichts steigern? Schnell wird einem bewusst, dass es sich um ein extrem komplexes, ein „Elefantenproblem“ handelt, um mit den Worten einer der Vortragenden, Liana Iunesch (ULBSibiu), zu sprechen. Die Herausforderung besteht darin, den Elefanten erstmal einzukreisen, um ihn dann am Schwanz zu packen... „Quo vadis, Bergschule?“ könnte also auch heißen „Quo vadis, deutsches Schulsystem in Rumänien?“

Wegweiser Zukunft: Was soll Schule heute vermitteln?

Was sollen Schulen heutzutage lehren? Worum muss es in jeder modernen Erziehung gehen, egal an welchem Ort auf der Welt? Mit dieser Frage stimmt Richard Lang, Fachmann für Kulturvermittlung und zuletzt Leiter des Goethe-Institus in Colombo, in seinem  mitreißenden Online-Vortrag „Wissenserwerb, Kulturen und Interkulturalität“ auf das Thema ein: Auf einem ausgedehnten Spaziergang durch verschiedenste Kulturen und Zeitalter veranschaulicht er, dass  „alles Leben nach Vielfalt“ strebt und die Beschäftigung mit dem anderen daher zwingend sei – für das eigene Selbstverständnis, für gegenseitiges Verstehen und damit auch für den Frieden. Es geht also um Kultur, um Interkulturalität und die Bewertung einer schier unbewältigbaren Fülle an Informationen vor dem Hintergrund von Werten – um Ethik! Was die globalisierte Welt gerade jetzt am meisten braucht: „Ubuntu“, ein Konzept aus Südafrika, das den „nichtkommerziellen gegenseitigen Nutzen“, den Menschen und Kulturen anstreben sollten, bezeichnet. Das „Streben nach dem Geist des Dienens, des Respekts anderen gegenüber, dem Geist der Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit“ wird immer wichtiger auf einem Planeten, auf dem sich der Mensch hemmungslos vermehrt und die Ressourcen knapper werden. Neue Lösungen und Konzepte müssen vor diesem Hintergrund gesucht werden. An dieser Herausforderung müssten sich Lehrer letztlich orientieren bei der Frage, was an zukunftsfähigen Schulen vermittelt werden soll.

„In einer zunehmend komplexeren Welt ist Wissenserwerb ohne das Verständnis von Interkulturalität unzulänglich und für jeden Wissensdurstigen unbefriedigend“, bringt Lang auf den Punkt. „Ich glaube, dass wir in der Zukunft an allen Schulen ein neues Fach einrichten müssen: Interkulturalität.“

Deutsche Schulen in Rumänien: ein Überblick

Welches sind die Schulen, über die wir neben der Bergschule noch sprechen können? Zur Lage des staatlichen und privaten  Schulwesens mit Unterricht in deutscher Sprache in Rumänien lieferte Unterstaatssekretär Thomas [indilariu vom Departement für Interethnische Beziehungen an der Regierung Rumäniens (DRI) einen Überblick:

170 Schulen mit deutschem Unterricht in Muttersprache oder als Fremdsprache von der Vorschule bis zum Lyzeum gibt es landesweit in 16 Landeskreisen – Alba, Arad, Bihor, Bistrița-Nasăud, Kronstadt/Brașov, Karasch-Severin, Klausenburg/Cluj, Hunedoara, Ilfov, Maramuresch, Muresch, Sathmar/Satu Mare, Sălaj, Hermannstadt/Sibiu, Suceava, Temesch/Timiș - und in der Hauptstadt Bukarest.

Im Schuljahr 2021/2022 besuchten 24.000 Kinder eine Bildungseinrichtung mit deutschem Unterricht: rund 5400 die Vorschule, ca. 8500 die Grundschule, etwa 6600 die Mittelschule und rund 3700 das Lyzeum. Die Ausbildung des Lehrpersonals für das präuniversitäre Schulsystem findet im 1998 vom Bildungsministerium gegründeten Ausbildungszentrum für Deutschlehrer (Centrul pentru Formarea Continu˛ în Limba German˛, CFCLG) in Mediasch, mit Filiale in Temeswar, statt.

Auf Universitätsniveau gibt es rund 75 Studiengänge mit Unterricht in deutscher Sprache, an den drei Universitäten in Bukarest (Universität Bukarest, „Politehnica“ und „Academie de Studii Economice“, ASE), an der Babeș-Bolyai und der Technischen Uni in Klausenburg, an der „Lucian Blaga“- Uni in Hermannstadt, an der Technischen und der „West“-Universität in Temeswar, an der „Transilvania“-Uni in Kronstadt und der „Alexandru Ioan Cuza“-Uni in Jassy/Ia{i. Deutsch wird in elf Hochschulzentren unterrichtet. In fünf davon gibt es Lehrstühle für Germanistik, die von rund 1000 Studenten besucht werden.

Insgesamt haben 11 der 20 Minderheiten in Rumänien die Möglichkeit, den Unterricht in ihrer Muttersprache zu erhalten. 15 davon haben ihre Muttersprache zumindest als ein Unterrichtsfach.

Sprachfähigkeit auf mehreren Ebenen bewahren

Die größten Herausforderungen für die meisten Minderheitenschulen sind laut [indilariu: der Rückgang der Schülerzahlen, der Mangel an Lehrkräften, die in der Minderheitensprache ad-äquat unterrichten können, die permanenten Änderungen im Unterrichtssystem, die Schüler, Eltern und Lehrer erschöpfen und zum Eindruck führen, dass es keine verbindlichen Regeln gibt. Hinzu kommt ein „exponenzieller“ Anstieg an Fächern und Prüfungen und eine allgemein schwierige institutionelle Lage. Gegen die Auflösung von Unterrichtseinheiten sei auch seitens des DRI aus Personalmangel wenig unternommen worden, räumt [indilariu ein. Auf dem Land mangelt es oft an Transportinfrastuktur, mit der die Kinder zu ihrer Minderheitenschule gelangen könnten.
Im Muttersprachunterricht herrscht trotz des beachtlichen Einsatzes in der Lehrerfortbildung Mangel an Lehrkräften. Die Löhne an öffentlichen Bildungseinrichtungen seien im Vergleich zur Wirtschaft unattraktiv.

So verliert auch die deutsche Gemeinschaft fortlaufend Lehrer, die sie jedoch für die Sicherung ihres Fortbestandes dringend braucht.  Das Problem wäre vielleicht finanziell lösbar, zitiert der Vortragende den Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dr. Paul-Jürgen Porr. Die Stipendien der Saxonia-Stiftung (zwei-mal im Jahr ein Gehaltszuschuss von 2000 Euro für Deutschlehrende) mit Geldern aus Deutschland hätten zwar „das Abwandern ein Stück weit gebremst“, doch sei das Programm noch zu jung, um erkennen zu können, ob es auch tatsächlich mehr Studenten motiviert, Lehrer zu werden. Im-merhin: Seit als Bedingung für das Stipendium regelmäßige Fortbildung verlangt wird, seien auch die Lehrerfortbildungskurse stets voll. Doch könne Deutschland durchaus noch mehr investieren, meint [indilariu, „bedenkt man, was der deutsche Staat an Fachkräften so wegschluckt!“

Der Andrang aus der Mehrheitsbevölkerung an deutsche Schulen führt außerdem dazu, dass Deutsch als Muttersprache eigentlich wie eine Fremdsprache unterrichtet wird. Und selbstverständlich passen sich die Kinder der deutschen Minderheit der Allgemeinheit an und sprechen untereinander Rumänisch. Dabei haben diese Kinder ein Recht auf adäquaten Muttersprachenunterricht, wie sie teilweise sogar selbst kritisieren.

Auf der anderen Seite monieren Lehrkräfte, wie die Diskussion zutage förderte, oft mangelndes Interesse der Schüler am deutschen Unterricht: Nicht die Schüler wollten Deutsch lernen, ihre Eltern drängten darauf.

Kritik übt [indilariu auch am Staat: Bei der kürzlich erfolgten Volkszählung musste man sich zu einer Minderheit bekennen, obwohl das Schulsystem tatsächlich Doppelidentitäten produziert. Das sei nicht nur ein Widerspruch, sondern „zutiefst uneuropäisch“, moniert er. Und: „Wir fördern Mehrsprachigkeit, doch damit sich eine Sprache halten und entwickeln kann, muss sie auf mehreren Ebenen lebendig sein.“ Dazu gehöre auch die Verwaltung: „Es geht nicht darum, dass man als Deutscher auf einer Behörde etwas auf Rumänisch nicht sagen kann. Sondern darum, dass auch das Deutsch der Verwaltungssprache erhalten werden muss.“

Eine Lösung sehe er in der Mobilisierung der Minderheitenverbände, aber auch in der Förderung innovativer Methoden des Muttersprache-Unterrichts.

Qualitätssteigerung im Unterricht - ein Elefantenproblem!

Mit dem bekannten Elefantengleichnis veranschaulicht Dr. Liana Iunesch von der ULB Sibiu das Problem der Leistungssteigerung und Qualitätssicherung im Deutschunterricht: Darin betasten mehrere Personen im Dunkeln einen Elefanten und kommen je nach befühltem Körperteil zu völlig unterschiedlichen Beschreibungen. Um einen Elefanten realistisch zu charakterisieren, müssten alle zusammengeführt werden – doch meist sieht jeder nur seine Perspektive. Die Qualität des Unterrichts sei ein solches „Elefantenproblem“, verdeutlicht sie anhand einer Vielzahl an Faktoren, die alle separat betrachtet und dann integriert werden sollten: Lehrerpersönlichkeit, Kompetenzorientierung, Klassenführung, Lernzeit, Klassenkontext... Greift man ein Element aus dem Komplex heraus, etwa die Anforderungen an die Lehrer, entsteht sofort ein neuer „Elefant“ - mit „Gliedern“ wie  Medienkompetenz, Sprachkompetenz, soziale Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit, Methoden...  

Im Fall der Deutschlehrer habe die Sprachkompetenz mit dem Exodus der deutschen Minderheit aus Rumänien dramatisch abgenommen, illustriert Iunesch. „Wir sprechen von Deutsch als Muttersprache“ - aber ist es im tatsächlichen Gebrauch die Erstsprache, Zweitsprache, Fremdsprache oder  Schulsprache? In Hermannstadt, schätzte Iunesch, gäbe es an allen Schulen mit Deutschunterricht gerade mal ein Prozent echte Muttersprachler.

Zur Veranschaulichung, wie schwierig Sprachkompetenz überhaupt zu messen ist, zeigt sie verschiedene Tests zur Lesekompetenz und vergleicht die in Rumänien erzielten Ergebnisse mit denen in deutschsprachigen Ländern.

Der SLS-Test für Leseverständnis beginnt mit der Frage: Welche Sprache sprichst du zu Hause am häufigsten? Dann müssen Sätze wie „Tee kann man trinken“ oder „Kirschen können sprechen“ unter Zeitdruck mit Ja oder Nein bewertet werden. Beim VSL-Test geht es um sinnerfassendes Lesen: Dabei muss in einen Satz mit einer Lücke ein passendes Wort aus drei Worten ausgewählt und eingesetzt werden, etwa: „Die Arbeit auf dem Bauernhof beginnt... (schon, bloß, schonen)“. Der Zeitdruck bei beiden Tests sei wichtig, weil Leseverstehen eine gewisse Leseflüssigkeit voraussetze, erklärt Iunesch. Freilich beeinflussen unterschiedliche Faktoren wie z. B. Wortschatzreichtum oder Übungseffekt das Ergebnis. Übung konnte die Ergebnisse stark verbessern, doch wenn nicht ständig geübt wurde, sank die Leistung schnell wieder. Eine vergleichende Bewertung im interkulturellen Raum sei schwierig: Wie etwa lässt sich erklären, dass rumänische Kinder bei einem dieser Tests ein besseres Ergebnis erzielten als Kinder in Österreich?

Für den Erwerb einer Fremdsprache spielen ebenfalls viele Faktoren zusammen: Seitens des Goethe-Instituts gibt es eine Richtlinie, wieviel Unterrichtsstunden für das Erreichen welcher Sprachkompetenzstufen erforderlich seien (A1: 80-200 Stunden, A2: 200-350, B2: 590-680, C1: 800-1000, C2: 1000-1200), daraus könne man sich die Effizienz der Schulen nach den Unterrichtsstunden leicht ausrechnen. Hinzu kommen noch Faktoren wie Alter, Intelligenz, Lernstile, Vorwissen, Soziales, Methodik, Lernmaterialien, Sprachkontakte...

Einzelne Glieder des Elefanten…

Prof. Dr. Rudolf Poledna von der UBB Klausenburg kritisiert die häufigen Änderungen im Bildungssystem, die keine Zeit ließen, zu bewerten, ob das Eingeführte überhaupt greift. Pittoresk vergleicht er dies mit dem überbordenden Regelwerk für Hexenprozesse im Mittelalter, die keineswegs „willkürlich“, sondern durch akribisches Verfolgen von Rechtsvorschriften, erabeitet an spezialisierten Lehrstühlen, abzulaufen hatten... und doch aus heutiger Sicht grotesker Unfug sind.

Als Mangel bezeichnete er auch, dass es in Rumänien kein Lehramtsstudium und kein Referendariat wie in Deutschland gibt, und auch keine Mehrfächerkombinationen im Studium. Man müsse statt dessen fünf Jahre lang ein Fach studieren - „und wer ist dann noch bereit, an die Schule zu gehen?“

Dr. Theresa Leonhard (ULBSibiu), die drei Gastjahre an der Brukenthalschule unterrichtet hat, plädierte für ästhetische Bildung wie Musik- oder Kunstunterricht als Mittel zum Erwerb von Sprache.

Für die Fortführung von digitalem Unterricht mit entsprechender Software wie Google Meet oder Classroom sowie für den Einsatz von digitalen Medien zum Erlernen von Sprachen (z. B. Duolimbo), um für den Lehrermangel zu kompensieren, warb Dr. Ioana Crețu.

Lieselotte Baier stellt die Idee der Mobilisierung von Senioren-Experten vor, die nach dem deutschen SES-Modell („Senior Expert Service“, eine NGO mit pensionierten deutschen Experten für die internationale industrielle Kooperation) für fehlende Lehrer einspringen könnten. Dies sei jedoch, so Ergebnis der Diskussion, aus verwaltungsrechtlichen Gründen nur sehr beschränkt möglich (eine Stunde am Tag, nur für kurzen Zeitraum).

Auch auf die Bedeutung von Ferienschulen mit Stadt-Planspielen oder die Angebote der Kinderuni in Bekokten wurde hingewiesen.

Zur Diskussion gestellt wurde die Möglichkeit der Finanzierung außerschulischer Aktivitäten durch den Bergschulverein.

Den Elefanten am Schwanz packen: Lösungskonzepte

Drei Lösungskonzepte stellte Günter Cernetzky am Ende der Veranstaltung zur Diskussion:  Modell 1 schlägt die Umwandung der Bergschule in eine deutsche Internatsschule mit Vormittags- und betreutem Nachmittagsunterricht vor - etwa nach dem Modell der reformorientierten Salem-Schule am Bodensee.

Modell 2 impliziert die Gründung eines Zentrums für digitale Pädagogik (ZDP). Von diesem erstellte digitale Lehrmittel ließen sich schrittweise in den staatlichen Unterricht integrieren und könnten didaktische Defizite und Lehrermangel ausgleichen. Digitale Lehreinheiten könnten darüberhinaus von allen deutschen Schulen in Rumänien modular oder ganzheitlich genutzt werden (Synergieeffekt). Sie würden das Sprachniveau anheben helfen und schwächeren Schülern durch jederzeit wiederholbare Lektionen und interaktive Aufgaben auf Digi-Medien die Möglichkeit geben, ihr Niveau dem der Klasse anzupassen. Dabei sei nicht immer eine stehende Online-Verbindung nötig, ein Speichermedium/Endgerät genüge meist. Das ZDP könnte im Gegensatz zum physischen Unterricht durchaus nach dem Modell der SES-Fachkräfte und mit Online-Mitarbeitern im Homeoffice funktionieren. Eine Finanzierung wäre über Stiftungen wie Saxonia , SAP, die Dieter Schwarz Stiftung in Heilbronn oder den Rotary Club Sighișoara anzudenken.

In Modell 3 schlägt Czernetzky eine Partnerschaft zwischen der Bergschule und einem deutschen dualen Ausbildungssystem vor. Schüler, die erkennbar für das Bakkalaureat nicht geeignet sind, müssten rechtzeitig und überzeugend motiviert werden, sich umzuorientieren. Dafür müsse es freilich attraktive Perspektiven geben. Die Schule könnte Kandidaten an deutsche Unternehmen in Rumänien vermitteln, die mit dualen Berufsschulen arbeiten. Ein Konzept für eine deutsche Berufsschule mit dualer Ausbildung sei derzeit in Martinsberg/Șomartin in Entwicklung, so Czernetzky. Auf dem nächsten Bergschulsymposium, das schon im nächsten Jahr stattfinden könnte, sei diese Variante dann vielleicht schon spruchreif.


Gibt es eigentlich wertfreies Wissen?

Auszug aus dem Einführungsvortrag von Richard Lang

Wann muss in der Erziehung mit Fragen der Ethik begonnen werden? Oder soll dieses nur einem gesonderten Schul- oder Studienfach vorbehalten bleiben? Was kann ein guter Lehrer tun? Reine Wissensvermittlung, die im ungünstigen Fall von den Schülern auswendig gelernt wird? Oder soll uns Schulung und Erziehung im Gegenteil zu eigenem Denken anregen und Wissensinhalte als Basis für eigene Überlegungen, Hinterfragungen und Überprüfungen anbieten? Wie wichtig ist es dabei, einen erweiterten Horizont anzustreben?  Ich möchte Ihnen dazu gerne ein kurzes Zitat aus der Rede eines m.E. außergewöhnlichen Staatspräsidenten vorlesen, der Ex-Präsident von Uruguay, Pepe Mujica. Auf einem Treffen südamerikanischer Staatsführer hörte er sich erst einmal alle Reden an, dann bat er ums Wort:

Den ganzen  Nachmittag wurde von nachhaltigem Fortschritt gesprochen. Davon, die riesigen Massen aus der Armut herauszuführen. Was bewegt sich in unseren Köpfen? Ist das von uns gewünschte Entwicklungs- und Konsummodell jenes der reichen Gesellschaften von  heute? Ich frage mich: Was würde aus diesem Planeten werden, wenn die Inder denselben Prozentsatz von Autos pro Familie hätten wie die Deutschen? Wie viel Sauerstoff bliebe uns dann noch zum Atmen? Noch klarer ausgedrückt: Besitzt diese Welt die materiellen Güter, damit 7 oder 8 Milliarden Menschen denselben Grad an Konsum- und Wegwerfmentalität entwickeln können, wie ihn die reichsten westlichen Gesellschaften besitzen? Wäre so etwas überhaupt möglich? Oder müssen wir eine andere Art der Diskussion führen? Wir schufen die Zivilisation, in der wir heute leben: eine Tochter des Marktes, eine Tochter der Konkurrenz, eine Zivilisation, die einen überbordenden, explosiven materiellen Fortschritt verkündet. Aber die Marktwirtschaft hat Marktgesellschaften geschaffen. Und sie hat uns eine Globalisierung verkündet, deren Blick den ganzen Planeten erfasst. Steuern wir diese Globalisierung oder steuert sie uns? Ist es heute möglich, von Solidarität zu sprechen, dass wir „alle zusammenstehen“ in einer Wirtschaft, die auf einen rücksichtslosen Wettbewerb gegründet ist?  Bis wohin reicht unsere Brüderlichkeit?