Vom verkommenen Freiherren-Gut zum Erlebnispark

Nach mehr als 200 Jahren ist das Murany-Anwesen der breiten Öffentlichkeit zugänglich

Es war das Jahr 1781, als Josef Kulterer das Grundstück bei Murani vom kaiserlichen Ärar ankaufte. Kulterer wurde 18 Jahre danach in den Adelsstand erhoben und zum Freiherr „von Murany“ ernannt. Das Geschlecht sollte noch bis ins späte 19. Jahrhundert den Namen Muranyi tragen. Heute ist das ehemalige Freiherren-Gut ein beliebtes Ausflugsziel mit Picknickwiesen, Abenteuerspielplatz und Streichelzoo für Kinder, Restaurant und rustikalem Veranstaltungssaal.

Rund 25 Kilometer von der Temeswarer Innenstadt entfernt liegt Murani, knappe fünf Kilometer abseits der Landstraße, die von Temeswar nach Lippa führt. In Bruckenau/Pișchia ist der Ort, aber auch das Gut „Domeniile Murani“ ausgeschildert, die zweite Straße nach der katholischen Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit nach links führt dahin. Mehr als eine halbe Stunde braucht man nicht, um aus der Großstadt die grüne Oase in ländlicher Gegend zu erreichen, denn die Straße ist in gutem Zustand, lediglich ab Bruckenau etwas eng gehalten, so dass man ab und zu in extra vorgesehenen Ausweichstellen halten muss, um den Gegenverkehr zu erleichtern. Mitten im Ort verrät schon die Ansammlung geparkter Autos, wo es zum Eingang geht, das Anwesen ist kaum zu übersehen. Eine kleine Tafel bei den einstigen Stallungen und der Schmiede, die nun zu einem rustikalen Restaurant umgebaut wurden, beschreibt die abwechslungsreiche Geschichte des Anwesens und ihre Besitzerfolge (hat man Kinder dabei, wird das Schild wohl erst später betrachtet werden können, weil andere Attraktionen schneller ins Auge fallen). Einiges aus der Zeit Kulterers ist aber auch heute erhalten geblieben. Etwa die sehr alten Bäume aus dem dendrologischen Park auf dem Grundstück, die als Sehenswürdigkeiten ausgeschildert sind: ein Riesenmammutbaum (der für seine Gattung relativ klein, für unsere Gegend aber als gigantisch wahrgenommen wird und als Sequoia Gigantea bekannt ist), eine rund 150 Jahre alte Platane, zwei hohe Kiefern und als Exot ein Ginko-Biloba-Baum, ein Fliederwäldchen und hohe Nussbäume. In der Eigentümerfolge wechselten sich Nachkommen des Freiherrn von Murany mit rumänischen Adeligen ab, bis das Gut in der Zwischenkriegszeit, Anfang des 20. Jahrhunderts, in den Besitz des rumänischen Senators, Geschichtsprofessors und kurzzeitigen Bürgermeisters von Temeswar (1939-1939) Gheorghe Andra{iu ersteigert wurde. Er hatte auf dem Anwesen die heute noch teils erhaltenen Werkstätten, Stallungen, eine Mühle, eine kleine Brauerei und sogar eine Käserei bauen lassen. 1949 wurde das Gut verstaatlicht, die Villa als Verwaltungsgebäude für die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft genutzt, nach 1989 bewohnten es verschiedene Mieter, bis es in den 2000er Jahren an die Nachfolgerin Andra{ius rückerstattet wurde. 

Beim Kauf des sieben Hektar großen Grundstücks und der alten Murany-Villa vor drei Jahren war alles noch sehr verwildert. Der jetzige Eigentümer Sorin Prada und seine Mitarbeiter haben zunächst zwei Jahre gebraucht, um den Wildwuchs zu entfernen, bevor irgendetwas eingerichtet werden konnte, gesteht er.

Eingerichtet wurde einiges, um einen (Halb)Tages-ausflug nicht nur für kleine Besucher zum Erlebnis werden zu lassen: Zwei Straßenbahnkarosserien, vor die je zwei Holzpferde gespannt sind, bekommt man als Erstes zu sehen, nachdem man die Eintrittstickets gekauft hat, die schon für Kinder ab zwei Jahren zu entrichten sind und 10 Lei pro Person kosten. Der Eigentümer hat die Wagen der einst aus Bremen nach Temeswar gebrachten Straßenbahnen vor dem Verschrotten gerettet, der Transport sei angeblich kostspieliger als die Bahnen selbst gewesen. Davor aber sind schon erste Rutschen und Schaukeln für die Kleinen angebracht. Einige Kinder wollen auch auf die Pferde, die aber lediglich als Deko gedacht und nicht wirklich gemütlich zum Reiten sind. Der Spielplatz und dieser Unterhaltungsbereich haben einen eigenen Namen „Uța – Țoi“, was schon einmal ahnen lässt, für wen das Areal gedacht ist: Zwei- bis achtjährige Kinder werden hier kaum still sitzen können – die Eltern jedoch auch nicht, weil die Aufsichtspflicht allein ihnen obliegt und auf dem Anwesen nicht wenige Unfall- oder Verletzungsgefahren lauern. Zwischen den beiden Straßenbahnen, die als Indoor-Alternative ein Kinderrestaurant beherbergen oder auch als Abstellraum genutzt werden, stehen Tische und Bänke, an denen man etwas essen kann, was in dem Restaurant zu erwerben ist – das Mitbringen von Jausen ist jedoch nicht ausdrücklich verboten, nur selbst Grillen geht nicht. Das Angebot an der Restaurant-Vitrine ist vielfältig, die Preise aber in der höheren Klasse, was bei den Online-Bewertungen der Besucher oft erwähnt wird.

Der Spielplatz ist relativ abwechslungsreich: von traditionellen Schaukeln und Wippen, Sandkasten, kleinen Maltischen über zwei Kinderseilrutschen bis zum Trampolin und aus alten Reifen zusammengebastelten Autos und Klettergerüsten. Gegen zusätzliche Zahlung können sich Kinder in einem Doppeldeckerbus, der zum Indoor-Spielplatz umfunktioniert wurde, auch bei schlechtem Wetter austoben. Geschickt eingerichtet steht ein Kinderimbiss, also mit Zuckerwatte, Popcorn u.ä. Snacks zwischen Tram und Spielbus. Am Wochenende wird Gesichtsmalerei angeboten, sonst kann gegen Aufpreis auch auf Gipsformen im Schatten gemalt werden. Zur Besichtigung des Areals können Eltern (für 10 Lei die Stunde) die hierzulande eher seltenen Bollerwagen ausleihen, um die Kleinen über das Gelände zu fahren. Hinter dem recht offen liegenden Ess- und Spielplatz geht es über eine Brücke, die den Ludabara-Bach überquert, in den bewaldeteren Teil des Areals. Auf einer Wiese sind einige Vögel und Nagetiere zu besichtigen, die teils frei herumlaufen, teils in recht kleinen Käfigen und Gehegen untergebracht sind: Fasane, Perlhühner, ein Pfau, Tauben und Hühner, Enten und ein Schwan, der in einem kleinen Tümpel umherschwimmt. Ein kleines Reh, zwei Ziegen und ein Kalb sind die etwas größeren Tiere. Diese Minifarm ist mit kleinen Geschichten versehen worden, die die Fantasie der Besucher anregen können, sich an einem sagenumwobenen Ort zu befinden – so die Sage davon, wie es dazu kommt, dass es Pferde und Ponys gibt und warum letztere auch mal etwas störrischer sein können. Etwas beunruhigend für Eltern von Kleinkindern sind die Elektrodrähte, die manche Gehege umgeben, denn die sind ungesichert und Kinder können sie unmittelbar anfassen oder auch versehentlich daran kommen. Umso erfreulicher ist es, dass die Hasen und Meerschweinchen gestreichelt und gefüttert werden können, das Futter ist in einem eigens dafür eingerichteten Futterautomat zu kaufen.  Abgelegener ist die kleine Koppel, auf der die Pferde und Ponys gehalten werden, die am Wochenende auch einen kleinen bunt bemalten Leiterwagen mit Kindern spazieren führen. Neben den Tiergehegen erstreckt sich ein kleiner, relativ abwechslungsreicher Kletterpark, der für Anfänger gedacht ist, dessen Parcours je nach Geschick in 20 bis 40 Minuten geschafft werden kann und von einem Baumhaus zum nächsten führt.

Über das Anwesen verteilt findet der Besucher immer wieder rustikale Fotokulissen im Vintage-Stil für Kinder, Verliebte oder einfach für eine romantische Fotositzung im Pferdewagen, oder auf der Blumenschaukel, durch einen Art-Deko-Spiegel besonders eingerahmt. Manche Requisite ist schon etwas vom Wetter mitgenommen, Spaß macht das Entdecken von guten Winkeln damit trotzdem noch.

Ebenso fast überall anzutreffen sind Sitzgelegenheiten oder Picknicktische, die teils rustikal lediglich aus abgeschnittenen Baumstämmen bestehen und zum Beispiel über den ganzen Obstgarten rechts von der alten renovierungsbedürftigen Herrenvilla verteilt sind. Neben der Villa steht eine kleine offene Kapelle (Paraclisul Lagia, benannt nach der vorletzten Eigentümerin des Murany-Guts, die sie aufbauen ließ), die schon sehr heruntergekommen wirkt und auf dem Platz steht, auf dem einst eine kleine Kirche gestanden haben soll, die angeblich von den Kommunisten abgerissen wurde. Die alten Gebäude wieder herzurichten und in der Villa, wie zunächst überlegt, einen Weinkeller und ein Restaurant einzurichten, ist nach erfolgter Experteneinschätzung zu kostspielig, als dass dies in naher Zukunft passieren würde. Im Inneren ist die Villa nicht zu besichtigen, höchstens in Absprache mit den Eigentümern. 

An den nun immer öfter richtig heißen Sommertagen sorgt nicht nur der Schatten alter Bäume für Abkühlung, sondern auch das Verschnaufen bei den Eisentischen und -Stühlen  auf der kleinen Erlen-Insel am Teich, dessen Seerosen kaum noch zu sehen sind, sowie auch eine frische Quelle mit Trinkwasser neben dem Mammutbaum (Becher oder Flasche am besten selbst mitbringen). Eine große Spielwiese erstreckt sich im vorderen Bereich des Guts, auf der sowohl Fußball, Feder- oder Volleyball gespielt, als auch manche Picknick-Decke ausgebreitet werden kann.

Wer es etwas ruhiger mag, sollte den Ausflug nach Murani wochentags planen. Geöffnet ist von 12 Uhr bis 22 Uhr. Am Wochenende ist zwar schon ab 10 Uhr offen, allerdings ist es am Sonntag vor allem auf dem Spiel- und Kletterareal sehr voll. Ab Juli soll auch der Ballsaal in den einstigen Stallungen im vorderen Bereich des Anwesens geöffnet werden, in dem bis zu 200 Gäste bedient und auch Events veranstaltet werden können.

Wer das Fahrrad mitgebracht hat, sollte sich schon die Zeit nehmen und sich den fast 400 Hausnummern großen Ort ansehen, in dessen Mitte Freiherr von Murany sein Anwesen vor über 230 Jahren eingerichtet hat, der leicht eklektisch im Stil, doch auch das ein oder andere Kleinod guter Bauernwirtschaft zu erkennen gibt. Zudem liegt zwischen Murani und dem Waldstück von Bruckenau noch der kleine Stausee von Murani und dahinter ein Sumpfgebiet, das als Vogelschutzgebiet Heimat verschiedensten Vogelarten, teils Zugvögel, bietet, und mit dem Fahrrad übers Feld leichter und umweltfreundlicher als mit dem Auto zu erreichen ist.