Von der Aktualität alter Landkarten

Die Ausstellung „Fließende Räume – Karten des Donauraums“ auf außertourlichem Stopp in Reschitza

Einer der „Autoren“ der Ausstellung alter Landkarten, der aus dem Banat stammende Josef Wolf, bei seiner Einführung. Foto: der Verfasser

Alte handgezeichnete Landkarten haben heute einen künstlerischen Reiz – und nicht nur durch die Zeichnungen am Rand, die die Vorstellungen von der gezeichneten Landschaft konkretisieren und beflügeln sollen – sondern auch durch die dargestellten Realitäten, die sehr oft nicht unbedingt zur Illustration geltender Schulgeschichte beitragen. Die im Rumänischen nicht ganz glücklich mit „Spații fluente. Hărți ale spa]iului dun˛rean” (die zweisprachig deutsch-englisch verfassten Erklärungen zu den Karten der Ausstellung „Floating Spaces. Maps of the Danube Region 1650 – 1800“ sind in den Ursprungssprachen in Ordnung) betitelte Ausstellung machte nach Klausenburg, Hermannstadt, Jassy, Chișinău, Galatz, Brăila, Bukarest, Drobeta-Turnu Severin einen ursprünglich nicht geplanten Stopp in Reschitza (womit das 250. Jubiläumsjahr der Stadt einen Glanzpunkt erhielt) und wird als letzte Station in Rumänien ab dem 9. Juli in Temeswar gezeigt.

Zu den Honorationen, die zur Ausstellungseröffnung im Museum des Banater Montangebiets (ein zu solchen Ausstellungen hervorragend geeigneter Raum mit traumhafter Akustik) gekommen waren, gehörte die Botschafterin Österreichs in Bukarest, Isabelle Rauscher, der Botschafter Rumäniens in Wien, Emil Hurezeanu, der Konsul Deutschlands in Temeswar, Ralf Krautkrämer, aber auch der Kreisratspräses von Karasch-Severin, Romeo Dunca und der Reschitzaer Bürgermeister Ioan Popa, der seine Rolle als Gastgeber der Stadt, die ihr Gründungsjubiläum feiert, voll und ganz ausfüllte. Natürlich waren – wie bei allen bisherigen Vernissagen dieser Ausstellung auf dem Gebiet Rumäniens und Moldawiens, auch die beiden Schöpfer ihrer Konzeption, Josef Wolf vom Institut für Geschichte und Landeskunde der Donauschwaben (IDGL) in Tübingen und Dr. Wolfgang Zimmermann, der Leiter des Generalarchivs von Baden-Württemberg in Karlsruhe anwesend. An die Besucher wurde in Broschürenform eine Rohübersetzung ins Rumänische der Kartenbeschriftungen in der Ausstellung verteilt und man kann dem Betreuer dieser Ausstellung in Rumänien, Prof. Dr. Rudolf Gräf – dem (und seinem guten Draht zu Bürgermeister Popa) es auch zu verdanken ist, dass die Ausstellung in seiner Geburtsstadt Reschitza gezeigt wird – nur beipflichten, wenn er in seiner Präsentation meinte, die Ausstellung erfordere, mit dieser Broschüre in der Hand, einen Zeitaufwand von mindestens einem halben Tag, um ihre Message zu erfassen (interessant in diesem Kontext: der Securitate-Vertreter, der vor der Wende „für die Kultur verantwortet“ hat, rief während der Aufstellung der Paneele im Museum des Montangebiets an und begann eindringliche Fragen zur Ausstellung und vor allem zu den Exponaten zu stellen – für manche Köpfe können uralte Karten auch heute noch gefährlich scheinen...). Etwas irritierend: der Chronist konnte bei der Vernissage keinen einzigen Geschichtslehrer aus Reschitza ausmachen.

Wissenschaftlich gesehen – und darauf legte Josef Wolf in seiner mustergültigen Führung Wert, es zu betonen – geht es in dieser Ausstellung um die Geburt der Darstellungen auf Landkarten des damals vor der Er-oberung aus türkischer Hand stehenden Raums des südlichen und östlichen Balkans (bis nach Wien), des mittleren und unteren Donaulaufs, dargestellt als kompakter geographischer Raum. Für die Kartographie sind die Karten – sie stammen mehrheitlich aus baden-württembergischen Archiven, aus dem Fundus der Markgrafen von Baden, aus der Landesbibliothek von Baden, aus dem Archiv des IDGL Tübingen und aus den Privatsammlungen Mathias Beer (Tübingen) und Ovidiu Șandor (Temeswar) – aufschlussreich, weil sie die Charakteristika der Raumkonzeptionen und deren Perzeption in Mittel- und Westeuropa bis zur Neuzeit bestimmt oder beeinflusst haben. Schließlich ging es zwischen 1650 und 1800 in den Augen Westeu-ropas mit den dargestellten und kartographierten Räumen um „Niemandsland”, das erschlossen wurde. Die Zusammenfassung, die die Ausstellung bietet, ist gleichzeitig eine Übersicht und ein Zusammenbringen von Kulturgut, das nichts anderes verfolgt, als es auch die Donau faktisch tut: Zusammenführen, die Vielfalt vereinen, Vermitteln.