Waldkahlschlag in den Karpaten – ein Krimi

Eine Filmkritik zu „Blutholz“

Atmosphärische Kameraführung: Filmstills aus Blutholz

Holzdiebe stehlen geschnittenes Holz am Rande von Waldwegen – so das Verständnis in Deutschland. Nicht jedoch in Rumänien. Dort erfolgte Holzdiebstahl in industriellen Maßstäben. Der Kahlschlag verwüstete ganze Berghänge. Ein TV-Krimi aus dem wahren Leben: „Blutholz“.

Die Zerstörung des Regenwaldes in Brasilien, Indonesien, Zentralafrika ist bekannt; jene von Urwäldern in den euorpäischen Karpaten weniger. Damit wird in einem Fernsehkrimi Hans Schüssler konfrontiert, der von einer deutschen Anwaltskanzlei in die alte Heimat in Rumänien geschickt wird, um dem Verschwinden des Managers einer deutschen Holzfirma nachzuspüren.

„Willkommen zurück, Herr Schüssler!”

„Hierher kommt man nicht zurück“, murmelt der Protagonist, und deutet damit an, dass die vergangen geglaubten Zeiten auch bei ihm Spuren hinterlassen haben. Mit geschickt eingeflochtenen Rückblenden erfahren die Zuschauer einige Auswirkungen jüngster ost-west-europäischer Zeitgeschichte auf persönliche Schicksale. Dazu zählen auch die sogenannten Freikäufe durch die BRD von Siebenbürger Sachsen, die seit über 850 Jahren auch am Fuße der Karpaten gesiedelt haben und heute noch z. B. im Kirchenchor der gotischen Schwarzen Kirche in Kronstadt auftreten, der unter Leitung von Erich Türk im Film einen kurzen Auftritt hat.

Jener Hans Schüssler ist zum Eigenbrötler geworden, der sich aber schnell im modernen Rumänien wieder zurecht findet. Die Mentalität der Leute kennt er – vieles hat sich geändert, aber eben nicht alles. Er taucht mehr und mehr in das Geflecht ein, bestehend aus angeblich rückerstatteten, im Kommunismus enteigneten Waldgebieten, die an finanzstarke Firmen aus dem Westen nunmehr legal weiter verkauft oder lokal verpachtet letztendlich restlos abgeholzt werden, für das Wegsehen erhalten Forstwirte schicke Geländewägen. Politische Platzhirsche spielen ebenso eine Rolle, wie auch Neureiche, die aus kommunistischen Securitate-Zeiten gut vernetzt geblieben sind.

Man ist geneigt, bei den Briefumschlägen mit Banknoten über die Korruption in Rumänien den Kopf zu schütteln. Letztendlich aber ist es die westliche Holzfirma, die wissentlich von dem Raubbau an der Natur profitiert und das folglich entstandene Geflecht indirekt fördert. Die Folge im Film: Drastische Regenfälle bringen einen kahlgeschlagen Hang unterhalb der Forststraße ins Rutschen; Bewohner einer Waldsiedlung kommen zu Tode. Leute, die daher Skrupel bekommen, entkommen dem wirtschaftskriminellen Netz nicht mehr, von dem sie sich einfangen ließen.

Der Erzählstrang des Drehbuchs ist logisch gut konstruiert. Joachim Król überzeugt als schicksalgebeutelter Mann, der einen semikriminellen Wirtschaftszweig entflechtet. Dialoge tragen sowohl zur Atmosphäre des Filmes bei, als auch mit der Benennung zeithistorischer Fakten zur Aufklärung im Krimi. Thematisch passend, jedoch historisch unzutreffend ist, dass der Waldbesitz der siebenbürgisch-sächsischen Familie ihre Freilassung in den Westen begünstigt habe, da bei Aussiedlung alles an die Kommunisten fiel. Solche Grundstücke wurden tatsächlich bereits in den Nachkriegsjahren und in den 1950ern im Rahmen der Kollektivisierung enteignet. Abgesehen davon wirkt der gesamte Film authentisch und bietet neben einem spannendem Fernsehabend auch Einblicke in einen Wirtschaftszweig, der wegen dem nachhaltigen Material Holz als sauber gilt. Tatsächlich aber ist es ein Stoff, aus dem Krimis entstehen.

Altstadt, Dorf und Hügelland: Beindruckende Kamera

Beeindruckend ist der Kameraschwenk zum Abschluss der Anfangsszene, in der aus dem Wald heraus die Perspektive zu einer Totalen mit den kahlgeschlagenen Bergen geweitet wird.  Die Landschaftsaufnahmen und Drehorte sind passend ausgesucht worden und laden regelrecht zum Sommerurlaub nach Rumänien ein. Mit dabei sind die historische Altstadt von Kronstadt/Brașov und eine südwestlich davon gelegene Gebirgsklamm, das südsiebenbürgische Hügelland nördlich von Fogarasch/Făgărasch mit dem abgelegenen Dorf Gürteln/Gherdeal, die Transalpina im Fogarascher Gebirge und etliche Aufnahmen vermutlich aus den Ostkarpaten.

Regie führte Thorsten C. Fischer, der unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde.

Realer Hintergrund der fiktiven Geschichte

Der Film lässt Parallelen zum Fall der österreichischen Holzfirma Schweighofer zu, die mit dem Gütesiegel FSC (Forest Stewardship Council) ihre Holzprodukte gekennzeichnet und beworben hat. In den Jahre 2012 und 2013 haben diverse Nichtregierungsorganisationen mit massivem Aufwand vor Ort in den Wäldern und versteckter Kamera mit dem Angebot von LKW-Ladungen offensichtlich geraubter Holzstämme die Praktiken in Rumänien belegt. Und nichts geschah. Nach massivem Druck aus der Zivilgesellschaft nahm sich FSC der Sache an und sprach 2016 gegen die Holzindustrie Schweighofer – nach Feststellung von Regel- und Rechtswidrigkeiten – eine Bewährungsstrafe aus. Eine von FSC eingesetzte Untersuchungskommission kam zum Ergebnis, dass Schweighofer in illegalen Holzhandel in Rumänien involviert war (Quelle: WWF).

Auf dieser Basis entschied der FSC-Vorstand, die Zertifikate von Schweighofer mit einer Bewährung(!) unter Auflagen zu versehen, die es binnen Jahresfrist umzusetzen galt. Die Untersuchungskommission stellte zudem fest, dass „das Schweighofer-System unter anderem die Überschreitung des erlaubten Holzeinschlags gefördert hat.“

Die Holzindustrie Schweighofer bestritt, Kenntnis von den Unregelmäßigkeiten in deren rumänischen Zulieferkette gehabt zu haben. Sie teilte öffentlich mit, dass es „FSC-Grundsätze verletzende Holzerntetätigkeiten in unserer Waldbesitzgesellschaft in gutgläubig erworbenen, aber von Medien kolportiert illegal restituierten Flächen gab“.

Eine filmreife Geschichte.


„Blutholz“ ist abrufbar auf der Mediathek von arte.tv, unter www.arte.tv/de/videos/099582-000-A/blutholz/