Was stand im Register der Hebammen?

Für Heimat- und Familienforscher: Ein Heft aus Tschanad gibt Auskünfte

Ausschnitt einer Spalte aus dem Register mit den Eintragungen auf dem linken Blatt.

Kopie des ersten Blattes eines Registers der Hebamme Theresia Pauli aus Tschanad.

Für die Familienforscher – nicht nur für sie – waren und sind die konfessionell getrennt geführten Kirchenbücher und später – im Banat ab Oktober 1895 – eingeführten überkonfessionellen staatlichen Standesamtsregister die Grundlagen der Recherchen, auch wenn es häufig Ungenauigkeiten gibt, wie bei Alter, Schreibung von Namen oder Ortsbezeichnungen. Alles abdecken können die Kirchenmatriken aber nicht. Daher wurden inzwischen viele andere Quellen zusätzlich herangezogen, von Verlobungs- oder Verkündigungs- bis zu Firmungs- bzw. Konfirmationslisten, Steuerverzeichnissen, Grabinschriften, Adress- und Telefonbüchern. Erstaunlicherweise fand ich auch nach Umfragen über Banater Kreise hinaus keine Hinweise auf die Auswertung der Register, die Hebammen anlegen mussten. Selbst unter Archivaren in Rumänien sind diese Pflicht-Register kaum bekannt und es konnte mir kein Standort von Sammlungen angezeigt werden. Das einzige mir bekannte Exemplar eines derartigen Heftes, das mich auf dieses Thema brachte, ist meinen Recherchen nach zufällig aus Tschanad gerettet worden, in der Zwischenkriegszeit amtlich Cenadul Mare, dann 1948 vereinigt nur Cenad. Dort war es Teil eines Archivs der Gemeinde oder der Familie des Hinkel-Lehrers, das um das Jahr 1980 entsorgt wurde. Vielleicht bringt dieser Beitrag weitere Hinweise. Der Lehrer Anton Hinkel hatte die 1899 geborene Pauli-Hebammentochter Margarethe geheiratet.

In der Nachkriegszeit wurden in den Banater Gemeinden von den Orts- oder Gemeindeambulatorien Berichte an die Volksräte erstattet, die dann an die statistischen und Gesundheitsämter der Ra-yons und der Region bzw. später an die Kreisbehörden weitergeleitet wurden. Mit der Einführung von Entbindungsheimen auf dem Lande – meist in Großgemeinden – verschwanden die Hausgeburten, erfuhren wir vom früheren Landarzt Dr. Mathias Plack.

Über die wichtige Rolle der Hebammen, eine der ältesten anerkannten und starken Frauenberufsgruppen, gibt es im Banat wenige Forschungen, die meisten Daten hat dazu Dr. Anton Peter Petri für seinen umfangreichen Band zum „Banater Heilwesen“ zusammengetragen. Das obwohl der Einsatz der „obstetrix“ schon seit der Zeit unmittelbar nach der Ansiedlung in Urkunden belegt ist. Ihr Einsatz für die Gemeinschaft reichte in den Banater Dörfern weit über die Geburtshilfe hinaus, auch noch nachdem die Hausgeburten abgeschafft worden waren (etwa ab1960). Oft waren Hebammen bis in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts in den Dörfern die erste erreichbare „ärztliche“ Hilfe, weil es in der Regel nur einen Gemeindearzt im Hauptort gab.

Dabei hatte Temeswar allein oder Czernowitz vergleichsweise im Jahr 1925 rund 60 namentlich registrierte diplomierte und zugelassene Geburtshelferinnen, in Karansebesch und Orschowa waren es damals beispielsweise jeweils drei. Im amtlichen Gewerbe-Jahrbuch Rumäniens für 1928 sind für Groß-Tschanad, das ursprünglich serbische Tschanad, die drei Hebammen Draga Bancski, Rozalia Korek und Tereza Pauli vermerkt (so die Namenseintragungen), für Deutsch-Tschanad ebenfalls Rozalia Korek (Koreck) separat und ein anscheinend verballhornter Name ohne Vorname (eventuell Schnur). Mit Hilfe von Magdalena Gräbeldinger konnten wir diese Unklarheit aufklären: Rosalia Koreck (1868-1930) war eine geborene Schnur aus Großsanktnikolaus, sie hatte den Tschanader Nikolaus Koreck geheiratet. Des Weiteren konnten wir die Daten zu einer anderen Geburtenhelferin dieser Zeit im Ort herausfinden: Katharina Nedelkov war mit dem zugewanderten katholischen Bulgaren (oder Schokatzen) Laza N. verheiratet. Sie war seine zweite Frau, eine geborene Kremeter aus Rekasch (1883-1953).

Das vorliegende Heft zeigt jedoch, dass Pauli auch im Alt-Dorf wirkte. Ähnlich war es mit den Gemeindeärzten. Aufgelistet sind im erwähnten Jahrbuch jeweils zwei, einer wird jedoch für beide, für die räumlich zusammengewachsenen Ortsteile genannt.

Das Heft aus Tschanad wurde von der Hebamme „Teresia Pauli“ angelegt und war Teil einer Reihe, die von ihr über viele Jahre in der Zwischenkriegszeit geführt wurde. Zu ihrer Person erfuhren wir dank Magdalena Gräbeldinger (Jahrgang 1961), dass die Hebamme mit nur 57 Jahren am 21. Dezember 1933 verstorben ist. Sie stammte aus einer Hinkel-Familie und war mit dem Maurer Anton Pauli (gestorben 1944) verheiratet. Selbst war die Hebamme zwei Mal Mutter geworden. Die Tschanaderin hatte auch ihre Nachfolgerin für Hausgeburten, Juliane Pinnel, ausgebildet, erinnerte sich der Vater von Magdalena Gräbeldinger.

Das uns vorliegende Exemplar umfasst Geburten der Zeitspanne vom 28. Oktober 1930 bis 7. April 1932 einschließlich. Amtlich hießen die Verzeichnisse „Registru de nașteri al moașelor“. Dieser teils dreisprachige Vordruck stammte aus der rumänisch-orthodoxen Diözesandruckerei Arad. Im Vorsatz wird in drei Sprachen darauf hingewiesen, dass der Druck 48 nummerierte Seiten umfasst. Er hätte auf dem 2. Vorblatt datiert und vom Kreisarzt unterschrieben werden müssen, was in dem Exemplar nicht geschah. Von einer anderen Handschrift und mit Bleistift erscheint die Eintragung der Zeitspanne der Aufzeichnungen auf dem inneren Deckblatt. Sie lässt auf einen späteren Vermerk vermuten. Die Register waren zugleich vom Kreisarzt oder der Gesundheits- sowie Steuerbehörde überprüfbare Listen der Hausgeburten. Was dafür bezahlt werden musste, ist uns nicht überliefert. Während die Geburten bei den jeweiligen Pfarrämtern in der Regel von den Eltern (Väter) angemeldet wurden hinsichtlich der Taufe, mussten in der Zwischenkriegszeit die Hebammen die Hausgeburten im Gemeindeamt der staatlichen Behörde melden.

Der Vordruck geht über jeweils zwei Seiten und umfasst oben den rumänischen Text in 12 Rubriken. Jede Doppelseite bietet darunter fünf Spalten für die Eintragungen zu den Geburten. Somit sind in diesem Register 110 Geburten verzeichnet, die von der selbstständigen Geburtshelferin dokumentiert wurden. Das vorliegende Heft beginnt mit der fortführenden laufenden Nummer 66 vom 28. Oktober 1930 und endet mit der Nummer 20 vom 7. April 1932. Es sind dies 28 Entbindungen vom Ende 1930, 62 des Jahres 1931 und 20 vom Anfang 1932. Zu den Geburtsdaten musste jeweils auch die Uhrzeit angegeben werden. Über Vor- oder Nachbetreuung ist nichts festgehalten. Das übernahmen im Banat meist die nächsten Familienangehörigen für die Wöchnerin, die in der Regel aus gesundheitlichen wie auch religiösen Gründen bis zur Taufe im Haus blieb, bis die Taufpaten ihr den „Christ“ ins Haus brachten. Dabei kam den künftigen Taufpaten bereits im Vorfeld eine wichtige Versorgungsrolle der Wöchnerin zu.

Bei allen angeführten Entbindungen handelte es sich in Tschanad um Hausgeburten. Wie viele Hebammen es in der Großgemeinde mit den zwei Ortsteilen Groß- und Alt (Deutsch)-Tschanad 1930 mit insgesamt knapp über 3000 deutschen Einwohnern gab, ist mir nicht genau bekannt. Die Gemeinde hatte bei der Volkszählung des Jahres 1930 insgesamt über 7200 Bewohner.

Was können Familien- oder Heimatforscher außer den üblichen Personaldaten aus den Vorlagen herausarbeiten? In den 18 Monaten hat die Hebamme 110 Entbindungen betreut, sieben bezeichnete sie in der entsprechenden Rubrik als „unnormal“, d. h. in zwei Fällen waren es Frühgeburten mit Todesfolgen, die anderen waren Totgeburten „reifer“ Föten. Wichtig war, dass in allen Fällen die Wöchnerinnen und fast immer auch die Babys „gesund“ waren (Rubrik). In keinem Fall ist vermerkt, dass ein Arzt zu Hilfe gezogen wurde oder werden musste. Interessant, dass bei fast allen Müttern angegeben ist, ob sie verheiratet waren oder nicht und welchen Beruf der Ehemann hatte, mehrfach hieß es „Zigeunersgattin“.

Für medizinwissenschaftliche und soziale Untersuchungen wichtig sind der Vermerk des Alters der Mutter und die Anzahl der Geburten. Die älteste Mutter war in dem Zeitraum 41 und es war ihr zweites Kind, zweimal waren Mütter 37. Eine „Taglönersgattin“ hatte 1931 ihr zehntes Kind zur Welt gebracht. Die jüngsten Mütter waren 17 (zwei Fälle) bzw. 18 (sechs). Ein anderes Beispiel diesbezüglich: Die „Zigeuners-Gattin“ aus Alt-Tschanad Hausnummer 4 brachte mit 33 ihr fünftes, gesundes Kind zur Welt.

Die Babys wurden anscheinend nicht gewogen, obwohl im Formular nach dem Gewicht gefragt wurde. Die Körpergröße wird angegeben: außer bei einer Tot- und einer Frühgeburt (40 cm) waren die Neugeborenen alle zwischen 50 und 54 cm „groß“.

Eingetragen werden musste von der Hebamme die Lage des Fötus im Mutterleib (Kindslage) bzw. bei der Entbindung. Die sogenannte „Schädelhaltung“ wurde in der entsprechenden Rubrik anhand von Zeichen eingetragen und kommt bei den Lebendgeburten fast ausschließlich vor (zwei abweichende Zeichen). Bei einer Querlage wurde der „reife Knabe“ tot zur Welt gebracht. Zu den Kindern, die „lebend“ geboren wurden (so die Eintragung deutsch) ist auch das Geschlecht und schon der Vorname vermerkt. Aufschlussreich ist zu erfahren, welche Rufnamen damals modisch waren, welche Häufigkeit vorkam, aber vor allem interessant die Mischung in einem Ort mit mehreren starken ethnischen Gruppen: Deutsche, Rumänen, Serben, Zigeuner und Ungarn. Insgesamt somit eine Fülle von Daten zu sozialen und gesundheitlichen Aspekten in einer Banater konfessionell und ethnisch einst sehr gemischten Gemeinschaft. Eine besondere Häufung von Geburten auf Monaten oder Jahreszeiten ist über die relativ kurze Zeit nicht auszumachen, mehr Entbindungen sind bei dieser Hebamme im Register jeweils im Herbst verzeichnet.

Zum Abschluss noch ein konkretes Beispiel: Der „Knabe“ Anton der 20 Jahre alten „Lehrers-Gattin Elisabeth Baltazar“, geborene Hinkel, wurde am 3. November 1931 vormittags um 7 Uhr geboren. Er war das erste Kind dieser Frau. Die Geburt verlief „normal“, die „Schädelhaltung“ war eine gerade, der Junge war bei der Entbindung „reif“ und 50 cm lang. Mutter und Kind waren gesund. Wohnhaft war die Familie in Alt-Tschanad auf Hausnummer 267.

Welche neuen Richtlinien und Verordnungen für die Hebammen nach 1919 erteilt wurden, ist für Banater Verhältnisse nicht genügend erforscht, für Ärzte wurden mehrfach Handbücher („Ghidul medicilor“) gedruckt.