Wechselnde Fronten am Mittellauf der Donau

Ein Teil der Karlsruher „Türkenbeute“ in Temeswar zu sehen

Panzerhemden, Karbatschen, Schilde: die Sonderausstellung in der Temeswarer Theresienbastei zeigt einen Teil der Karlsruher „Türkenbeute“.

Janitscharen nahmen an der Eröffnung der Ausstellung Ende voriger Woche teil. Fotos: Zoltán Pázmány

Als ein für das Temeswarer Kulturhauptstadt-Jahr bedeutendes Ereignis wurde die am Freitag eröffnete Sonderausstellung „Prinz und Sultan – Jahrzehnte des Krieges und der wechselnden Fronten an den Grenzen der Hohen Pforte (1683 – 1716)“ präsentiert, dabei versprechen sowohl der gewählte Titel, als auch die bisherige Medienresonanz deutlich mehr als eigentlich geboten wird. Dass das Banater Nationalmuseum, seit knapp zwei Jahrzehnten seines angestammten Sitzes im Hunyadi-Kastell, durch die Unfähigkeit mittlerweile mehrerer Generationen von Kommunalpolitikern beraubt, die eine oder andere Partnerschaft mit europäischen Museen eingeht und Sonderausstellungen in der Theresienbastei zeigt, ist wohl das Mindeste, was unter diesen bedauernswerten Umständen gemacht werden kann. 

Tatsächlich: Im Kulturhauptstadt-Jahr hat das Banater Nationalmuseum nicht viel zu bieten. Man begnüge sich also mit dem Wenigen und hoffe auf bessere Zeiten, wenn jahrzehntealte Versprechungen der Trägerbehörde, des Temescher Kreisrats, konkret werden dürften.

Dass im Kulturhauptstadt-Jahr das Badische Landesmuseum Karlsruhe einen Teil der „Türkenbeute“, jener Sammlung von Trophäen, die badische Markgrafen in den Türkenkriegen erbeutet haben, nach Temeswar geschickt hat und bis zum 31. August hier ausstellt, ist selbstverständlich zu begrüßen. Es ist die Freundschaftsgeste jener Partnerstadt, die die engsten Beziehungen zu Temeswar gepflegt hat und nun, da auf den Fluren des Temeswarer Rathauses erneut ein Hauch von Internationalität weht, wieder pflegen könnte.
Die Gastgeberinstitution hat angeblich in neue Vitrinen investiert, um die teuren Karlsruher Exponate sachgemäß ausstellen zu können, dafür aber einen dunklen, kaum durchlüfteten, ja fast übel riechenden Raum in der Mansarde der Theresienbastei als Ausstellungsort zur Verfügung gestellt. Mit der rumänischen Grammatik auf den Hinweisschildern hapert es ein bisschen, die kostenlos verteilte Informationsbroschüre pflegt einen provinziellen Kulturheim-Stil und ein schwer bewaffneter Wachmann folgt einem auf Schritt und Tritt und beglückt den Besucher mit argwöhnischen Blicken. Dass man vielleicht auch die osmanischen Gegenstände aus der Sammlung des Banater Nationalmuseums hätte präsentieren können, zumindest die bei den innerstädtischen Ausgrabungen von 2014-2015 gemachten Entdeckungen, auf die Idee scheint in Temeswar niemand gekommen zu sein.

Jedenfalls kann man es in der modrigen Mansarde der Theresienbastei nicht lange aushalten, der Kartenverkäufer entschuldigt sich etwas verschämt: Im Winter hatte man es sehr kalt, jetzt sei es unerträglich stickig, die Belüftung fehle, am Gebäude werde gearbeitet. Nichts dürfte diesem Raum mehr fehlen als eine Stoßlüftung, gleich mehrmals am Tage. Allerdings muss auch niemand allzu lange in der dunklen Mansarde verweilen, denn viel gibt es nicht zu sehen. Insgesamt 38 Stücke werden gezeigt, es sind Bogen, Pfeile, Dolche, Karbatschen, Kesselpauken und Schilder, Säbel, Hauben, Jatagane und Feldflaschen, der Großteil osmanischer Herkunft, einige Gegenstände, wie zum Beispiel ein Säbel mit Scheide, stammen aus dem safawidischen Persien, andere wiederum vom Balkan oder aus Ungarn. Das wertvollste Stück dürfte zweifelsohne das Panzerhemd des Kara Mustafa Pascha sein, dem Großwesir der Janitscharen und Oberbefehlshaber der osmanischen Armee während der Zweiten Belagerung Wiens zu Beginn des Großen Türkenkriegs 1683. Wo-rauf man getrost verzichten kann, ist das in einem Plastikzelt dargestellte Hologramm türkischer Teppiche. Was die Veranstalter damit wollen, bleibt ein Rätsel.

Zu den ausgestellten Exponaten werden rumänisch- und englischsprachige Erklärungstafeln geboten, einzelne Gegenstände sind auch auf Deutsch beschriftet. Im Mittelpunkt der Darstellungen stehen die Kontrahenten der Zeit: Kaiser Leopold I. von Habsburg, Herzog Karl V. Leopold von Lothringen, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, genannt der Türkenlouis, Prinz Eugen von Savoyen auf der einen, die Sultane Mehmed IV., Süleyman II., Ahmed II. und Mustafa II. sowie der bereits erwähnte Großwesir Kara Mustafa Pascha auf der anderen Seite. Für das Zustandekommen der Karlsruher „Türkenbeute“ ist vor allem Markgraf Ludwig Wilhelm von Bedeutung. Der Türkenlouis dürfte als Gründer dieser Sammlung gelten, die zweifelsohne zu den bedeutendsten ihrer Art in Europa gehört. Türkische Museen und Sammlungen selbstverständlich ausgenommen, sucht die Karlsruher „Türkenbeute“ ihresgleichen vielleicht nur in den einschlägigen Sammlungen des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien und in der „Türckischen Cammer“ des Dresdner Residenzschlosses.

Dass es dem Türkenlouis gelang, eine derart beeindruckende Kriegsbeute in seine badische Heimat mitzunehmen, ist allzu verständlich, wenn man sich die lange Liste der Kämpfe mit den Osmanen ansieht, an denen er zwischen 1683 und 1691 zunächst als Generalwachtmeister, General, Feldmarschall und dann Oberbefehlshaber der osmanischen Front teilgenommen hat. In über 20 Schlachten stellte er sein strategisches Können unter Beweis und drängte die Osmanen zurück, während seine Besitzungen in Baden von den Franzosen im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört wurden, so 1689 auch sein Stammsitz in Baden-Baden. In dem Jahr kämpfte er auf dem Gebiet des heutigen Serbiens, weit weg von seiner westeuropäischen Heimat, bei Batocina und Semendria/Smederevo. Sein Einsatz an der osmanischen Front begann 1683 am Kahlenberg und führte ihn danach über Preßburg/Bratislava, Párkány, Szentendre, Ofen, Neuhäusel/Nové Zámky, Gran/Esztergom, Fünfkirchen/Pécs, Mohatsch/Mohács und Belgrad bis nach Lippa/Lipova und Großwardein/Oradea.

Nicht besonders groß und keinesfalls unter den besten Bedingungen ausgestellt, ermöglicht die Sonderschau der Karlsruher „Türkenbeute“ im Temeswarer Kulturhauptstadt-Jahr zweifelsohne einen Einblick in die alten, vielfältigen Beziehungen zwischen geographisch entfernte Teile  Europas, die die Geschichte mehrmals vereint und einige Male getrennt hat. So gesehen, sind die bis zum 31. August ausgestellten Trophäen in der Mansarde der Theresienbastei, die es ohne badische Markgrafen und Savoyer Prinzen vielleicht so nicht gegeben hätte, auch nur ein Teil dessen, was vom Doppeladler übrig blieb...