Wenn der Ton der Substanz begegnet

Gabriel Kelemen: Der Archetyp des Prinzips Sphäre-Spirale

Nasui Collection & Gallery in Bukarest: Gabriel Kelemen bei der Eröffnung seiner Ausstellung „Kymatik: Wenn Ton Substanz begegnet“

Aus „Universalität des Archetyps Sphäre-Spirale“: Abbildung mit der unauflöslichen Einheit des Prinzips Sphäre-Spirale von der makro- über die meso- bis hin zur mikrokosmischen Ebene.

Aus „Universalität des Archetyps Sphäre-Spirale“: Abbildung zum Prinzip Sphäre-Spirale u.a. in der Sektion des Erdballs, des Solarsystems, eines menschlichen Embryos, sogar eines Traubenkerns.

Gabriel Kelemen: "Venus", Bronzeplastik, 2008

Gabriel Kelemen: "Trinität", Bronzeplastik, 2008
Fotos: Modernism.ro, Kelemen

Riesige Wolkenkratzer, Autobahnen, keine Fußgängersteige, falls man sich fortbewegen muss, dann nur mit dem Auto, zur eigenen Sicherheit sind nach bestimmten Uhrzeiten manche Stadtviertel zu meiden. Verschiedene Völkergruppen, Kulturen, Sprachen und Gebärden. Die Vereinigten Staaten, für einen Europäer eine vollkommen andere Welt. Dies sind die frischen Eindrücke des vor kurzem aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrten Temeswarer Künstlers und Hochschullehrers Gabriel Kelemen von der Kunstfakultät der West-Universität Temeswar/Timişoara. Ich treffe den Wissenschaftler in der Innenstadt. Sichtlich beeindruckt schildert er seine hautnah erlebten Erfahrungen jenseits des Atlantiks. Mit ausdrucksvollen Gesten zeichnet er die urbanen Landschaften der größten Metropole Nordamerikas in der Luft nach.

Die USA-Reise führte Kelemen nach New York und Atlanta, dessen riesigen Flughafen sogar sein Frankfurter Pendant in den Schatten stellt. Grund des Aufenthalts: die Teilnahme am „Integrativen Ton und Musik Training“ („Integrative Sound & Music Practitioner Training“) des Sound and Music Institutes im Open Center in New York und an der Tagung „Kymatik – Die Wissenschaft der Heilung durch Ton und Schwingung“ („Cymatics – The Science of Sound and Vibrational Healing Experience“) beim Historical Medical Centre in Atlanta. Der Temeswarer Hochschullehrer wurde zu beiden Veranstaltungen eingeladen, um sein neuestes Werk, den zweisprachigen Band „Universalität des Archetyps Sphäre-Spirale“ (Universalitatea arhetipului sferă-vortex / The Universality of the Sphere-Vortex Archetype) und seine im Buch verfasste Theorie vorzustellen.

Geheimnisvolle Welt der Klänge

Seine Forschungsarbeit präsentierte Kelemen bereits 2014 beim „1. Welt Kymatik Kongress“ in Allerheiligen im Schwarzwald/Deutschland. In Temeswar stellte der Künstler viermal seine Theorie und den rumänisch-englischen Band vor. Dies erinnert mich an seine jüngste Buchpräsentation in der Cărtureşti-Buchhandlung (Mercy-Straße 9). Die bisherigen Ergebnisse seiner etwa 25-jährigen Forschungsarbeit hat Kelemen in seinem 140 Seiten starken Werk konzentriert, denn er begann schon im Teenageralter, mit Flüssigkeiten und Klängen zu experimentieren. Auf einen ersten, raschen Blick sieht das Werk einem Bildband gleich, wie „eine Sammlung von Grafikarbeiten mit einem Hauch von Alchemie, von Leonardo da Vinci oder Athanasius Kircher“, dem deutschen Jesuiten und Universalgelehrten des 17. Jahrhunderts, wie der Autor selbst schildert.

Eine frühere Fassung beinhaltete nur 90 Illustrationen, das jüngste Buch wurde jedoch mit 30 Bildern bereichert und eine zukünftige Ausgabe soll mehrere Abbildungen enthalten. Die insgesamt 120 Bilder der neuesten Ausgabe sind von erläuternden Texten begleitet, auch seien die Illustrationen unentbehrlich für seine Theorie, betont Kelemen. Der Forscher hält zeichnerisch und fotografisch seine Experimente fest, was für den Fortschritt seiner Arbeit essentiell ist.

Das Buch handelt von „einer neuen Kosmogonie, dem Prinzip Sphäre-Spirale in Zusammenhang nicht etwa mit dem Jungschen Archetyp, sondern mit dem Archetyp in Artistoteles‘ Auffassung“, erklärt der Autor. Der Band ist in drei große Teile eingeteilt. Im ersten Teil wird die Problematik der Verbindung zwischen dem Makro- und Mikrokosmos, von der Quantenwelt über die Biosphäre bis hin zum Menschen, dargestellt. „Die erste Abbildung bezieht sich auf die Einheit der Sphäre, beginnend vom Makro- bis zum Mikrokosmos, und zwar von der gesamten Vielfalt der Planeten, Galaxien bis zur subatomaren, zur Quantenwelt, wo die rasenden Partikel eine eher sphärische Form aufweisen“, erläutert Kelemen und zeigt auf die entsprechende Illustration in seinem Buch. Der Künstler identifiziert und zeichnet das Prinzip Sphäre-Spirale in den einfachsten Organismen der Flora und Fauna, wie Blumen, Früchte, Samenkörner, Pilze, Quallen oder Fische nach.

Der zweite Teil handelt von „den einfachsten toroidalen Strukturen: Spiralen, Wirbeln, nach links oder rechts orientiert, d.h. ein Tornado, ein Wasserwirbel, der aus einer konvektiven Bewegung entsteht“, präzisiert der Forscher. Ferner hat Kelemen auch mit Klängen experimentiert und „ihren Auswirkungen auf die Materie, die das selbe Prinzip illustrieren: es erscheinen Konvektionen, spiralartige Bewegungen und diese koroidalen Wirbel, die ich gezeichnet habe“, sagt der Künstler, auf eine andere Abbildung hinweisend. Im zweiten Teil werden die Experimente mit Flüssigkeiten illustriert, die dem Forscher ein besseres Verständnis von dem, was sich in der Natur vom Großen zum Kleinen ereignet, bieten.

Die Buchvorstellungen sind immer von der Ausstrahlung des kurzen Films „3,14“ begleitet, der Kelemens Experimente mit stehenden Wellen veranschaulicht. In den Illustrationen zeichnet der Künstler die Formen nach, die durch akustische Stimulierung von Flüssigkeiten erzeugt werden und auch im Film festgehalten sind. Der Künstler experimentiert mit stehenden und stationären Wellen, wobei die ersten in der Flüssigkeit eine humanoide Form erzeugen, die sich immer aus einer kleeblattartigen Form herausbildet, erklärt Kelemen. Im letzten Teil seines Werkes illustriert und beschreibt der Autor weiterhin seine Experimente, trotzdem ist seine Forschungsarbeit ein fortzuführender Prozess, der weitere Recherchen erfordert.

Ein Vierteljahrhundert Forschungsarbeit

Gabriel Kelemen ist 1968 in Temeswar als Sohn des Bildhauers Ştefan Kelemen geboren. Im Studio seines Vaters, im Keller des Elternhauses eingerichtet, wo die Wände mit Regalen voller Bücher und Kleinplastiken sind, mit zahlreichen für die Bildhauerei und die Gravur notwendigen Werkzeugen, wuchs er auf. Sein Vater ermutigte ihn jedoch, seine eigene Kunstsprache zu entdecken und zu entwickeln. Er besuchte das Kunstlyzeum in Temeswar, die Klasse des Malers Leon Vreme. „Ein Lehrer von größter Bescheidenheit und mit besonderem pädagogischem Gespür, der mich sehr gefördert hat“, äußert sich Kelemen.

Die wertvollen Lehren, die ihm Leon Vreme vermittelte und die bis heute in seinem Gedächtnis verankert blieben, gibt auch er an seine Studenten weiter. „Um Perspektive zu suggerieren, sind die warmen Farben im Vordergrund und die kalten Farben im Hintergrund zu verwenden. Das hat uns Leon Vreme schon in der Schule gelehrt“, sagt Kelemen während einer Vorlesung.

Sein Studium der Bildhauerei absolvierte Gabriel Kelemen an der Kunsthochschule der West-Universität Temeswar beim Bronzeplastiker Peter Jecza (1939-2009). Zu seinen Beschäftigungen gehören u.a. die Lehrertätigkeit am Kunstlyzeum und an der Waldorf-Schule in Temeswar sowie verschiedene Restaurierungs- und Designprojekte.

2010 verteidigte er seine Doktorarbeit zum Thema „Das Experiment als Meditation zwischen Wissenschaft und Kunst – Vibration, Form, Symbol“ unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Alexandra Titu. Zur Zeit ist Kelemen Dozent an der Temeswarer Kunsthochschule, wo er auch die Abteilung für Kunstgeschichte koordiniert. In seinen Vorlesungen doziert er über die Geschichte der Kultur und Zivilisation, die urbane Volkskultur, die Kulturologie und die Dokumentaristik. Zu seinen Schriften zählen auch „Der Urspung der Form“ (Originea formei), „Einflüsse auf menschliche Kulturen“ (Influenţe asupra culturilor umane) und „Vibration-Form-Symbol“ (Vibraţie-formă-simbol) sowie zahlreiche Essays und Rezensionen.