„Wenn man nicht einen unmittelbaren Kontakt zu den Menschen hat, kann man ihnen nicht wirklich helfen“

Gespräch mit Nicholas Michael Medforth-Mills de Roumanie, Enkel des Königs Michael I. von Rumänien

Nicholas Medforth-Mills de Roumanie und seine Frau Alina-Maria de Roumanie bei der Premiere des Dokumentarfilms „Über das Leben – König Michael I. von Rumänien“ von John M. Florescu.
Foto: die Verfasserin

„Mein Großvater, König Michael“ von Nicholas de Roumanie, erschienen 2021, Verlag Vremea, 240 Seiten, ISBN: 978-606-081-065-0

Nicholas Michael Medforth-Mills de Roumanie wurde als erstes Kind der Prinzessin Elena und des Universitätsprofessors Robert Medforth-Mills, Bruder von Elisabeta Karina Medforth-Mills de Roumanie, sowie als Enkel des letzten gekrönten Königs Rumäniens Michael I. 1985 in der Schweiz geboren. Sein Diplomstudium hat er an der Shiplake University, Henley-on-Thames, in Großbritannien 2012 beendet, wo er Wirtschaftswissenschaften, Französisch und Sport als Hauptfächer studierte. Gearbeitet hat der Vertreter der sechsten Generation der königlichen Familie Rumäniens auch: 2004-2005 als stellvertretender Expeditionsleiter in Südafrika, Namibia, Botswana, Zimbabwe und Madagaskar sowie 2006 als Rafting-Trainer für die Britische Armee in Kenya. Seinem sportbegeisterten Enkel, der eine Leidenschaft für das Radeln, Wandern, Fahr- und Flugzeuge hat, verlieh König Michael I. 2010 den Fürstentitel, und seinen neuen Stand trat Nicholas de Roumanie 2012 nach dem Ende seines Studiums an, als er nach Rumänien umzog. 

Der Skandal 2015 um ein uneheliches Kind, dessen Mutter einen Vaterschaftstest bis 2019 ablehnte, soll angeblich der wahre Grund sein, weshalb ihm sein Großvater, König Michael I., den Fürstentitel sowie das Recht zur Thronfolge durch einen Erlass vom 1. August 2015 aberkannte. Schließlich war die Mutter des Kindes 2019 mit dem Vaterschaftstest einverstanden und dessen positives Ergebnis bestätigte Nicholas de Roumanie als Vater eines Mädchens, worauf er das Kind anerkannte und seine gesetzliche Verantwortung übernahm. Dies wurde jedoch so lange verzögert, dass der König bei der Lösung des Konfliktes nicht mehr unter den Lebenden war, denn er verstarb am 5. Dezember 2017 mit 96 Jahren. 

Kronprinzessin Margareta und Prinz Radu Duda leiteten wegen Einbruchs ein Gerichtsverfahren gegen ihren Neffen ein, als dieser um einen letzten Besuch bei seinem auf dem Sterbebett liegenden Großvaters bat – was ihm verweigert wurde. Letzten Monat wurde Nicholas de Roumanie nach einem vierjährigen Prozess vom Gericht in Lausanne freigesprochen. 

Nicholas de Roumanie hat 2018 Alina-Maria Binder, Sprecherin der rumänischen Luftwaffe, geheiratet, beide sind aus Großbritannien nach Rumänien umgesiedelt, haben 2019 einen karitativen Verein ins Leben gerufen und sind 2020 Eltern eines Mädchens geworden. Über sein Leben als Enkel des Königs und sein ehrenamtliches Engagement unterhielt sich Nicholas Michael Medforth-Mills de Roumanie mit ADZ-Redakteurin Cristiana Scărlătescu. 



Sie waren beim Besuch des Königs Michael I. in Rumänien im April 1992 dabei – Sie waren der kleine Junge, der vom Balkon des Bukarester Hotels Grand Continental aus den versammelten Monarchisten vorgestellt wurde. Es gibt auch ein paar Fotos von diesem Ereignis – wie fühlte sich das als Siebenjähriger an?

(Lächelt) Ich kann mich so gut an das Ereignis erinnern als wäre es gestern gewesen! Es war kurz nach der Scheidung meiner Eltern, als ich meine Großeltern, König Michael und Königin Anna, auf eine Reise nach Rumänien begleiten durfte. Dies war mein erster Kontakt mit der Heimat meines Großvaters, die ich zuvor nur aus seinen Erzählungen kannte und heute mein Zuhause nenne. Obwohl ich mir dessen bewusst war, dass mein Großvater König war, habe ich mich an jenem Tag zum ersten Mal mit eigenen Augen überzeugen können, dass mein Großvater vom rumänischen Volk geliebt wurde und von Monarchisten entsprechend seines Standes als Souverän geehrt wurde. 

Und das vor Augen sahen Sie damals Ihre Großeltern so stolz an! Wann und wieso sind Sie nach Rumänien umgesiedelt?

2007, als wirklich die ganze Familie, mit allen Töchtern des Königs und allen seinen Enkelkindern, zum letzten Mal für das Weihnachtsfest zusammenkam, hatte ich mich entschieden, Rumänien mit seinen Menschen und Bräuchen besser kennenzulernen; und als mein Großvater von meinem Wunsch erfuhr, beschloss er, mich zum Thronfolger zu ernennen und mir mit 25 Jahren den Titel Prinz de Roumanie (von Rumänien) zu verleihen. So wurde ich 2010 offiziell dritter in der Thronfolge nach meiner Tante, Ihrer Majestät Margareta, die aktuelle Hüterin der Krone, und meiner Mutter Prinzessin Elena. Nach dem Ende meines Studiums bin ich 2012 umgesiedelt, als ich mir sicher war, dass ich mich den Pflichten meines neuen Standes völlig hingeben konnte. Die Unterstützung während meines Universitätsstudiums und bei der Umsiedlung habe ich größtenteils meiner Tante Margareta, der Hüterin der Krone, zu verdanken, die mich wie einen Sohn behandelt hat. 

Drei Jahre später hat Sie Ihr Großvater durch königlichen Beschluss von Ihren fürstlichen Aufgaben entbunden und Ihnen den Fürstentitel entzogen. Die Beziehungen der Familie mit Ihnen, außer seitens König Michael und Königin Anna, kühlten sich danach ab. Fand inzwischen eine Versöhnung statt?

Meinen Großvater besuchte ich einen Monat nach dem Beschluss und wir unterhielten uns wie zuvor über Autos und Flugzeuge, unsere gemeinsamen Leidenschaften, als ob nichts zwischen uns passiert wäre. Ein Originalexemplar des Beschlusses habe ich jedoch nicht einmal bis heute erhalten und mit dem Text des Bestätigungsbriefes, den ich signierte und den die königliche Pressestelle gleich darauf veröffentlichte, war ich nie einverstanden. Dann wurde ich gezwungen, Rumänien zu verlassen, und die Familie hat es mir nicht mehr erlaubt, den König zu sehen, obwohl ich mehr als sieben Mal bis zu seinem Tod 2017 vergebens darum bat. Mit meiner Mutter telefoniere ich jetzt ziemlich oft. Ich hoffte, dass die Geburt meiner Tochter eine gute Gelegenheit für die Versöhnung mit meiner Tante und meinem Onkel bot. Aber die Versöhnung lässt auf sich warten. Ich hoffe weiter darauf und meine Tür ist immer für sie offen.

Am 30. September 2018 fand eine fürstliche Hochzeit in Sinaia, Kreis Prahova statt. Die erste in Rumänien in knapp 70 Jahren. War es ein Zufall, dass Sie Ihre Verlobte, Alina-Maria Binder, in derselben Stadt wie Fürstin Ileana und Erzherzog Anton von Habsburg 1931 heirateten? 

2018 war das Jahr, als meine Frau und ich uns entschieden, nach Rumänien zurückzukehren und ein neues Leben hier zu beginnen. Standesamtlich verheiratet waren wir schon seit Oktober 2017, genau einen Monat, bevor der gesundheitliche Zustand Königs Michael sich verschlechterte. Ich hatte auch meinem Großvater unser Vorhaben mitgeteilt und er freute sich darauf und gab uns seinen Segen für unsere Vermählung. Um die Hand meiner Frau habe ich, wie es die Etikette vorschreibt, zuerst bei ihren Eltern angehalten. Es war aber kein Zufall, dass wir in Sinaia geheiratet haben. Diese ist eine Symbolstadt für die königliche Familie und hat eine persönliche Bedeutung auch für meine Gattin, deren Großmutter väter-licherseits Siebenbürger Sächsin war.

Seit Ihrer Rückkehr in Rumänien, aber auch schon vorher haben Sie bei karitativen Projekten mitgewirkt.  Haben Sie dies in der Familie gelernt?

Selbstverständlich! Das soziale Engagement war schon immer eine moralische Pflicht in der königlichen Familie Rumäniens und die Förderung der Benachteiligten, der Lernenden und Studierenden, der Künste, Kulturinstitutionen usw. sind zur Tradition geworden. Mein Großvater war bekannt für seine Nächstenliebe, für die Hilfen und Pakete, die er an benachteiligte Familien manchmal auch persönlich verteilte. König Michael hat immer die Person, die vor ihm stand, ungeachtet ihres Ranges, respektiert und war froh, mit einfachen Leuten zu sprechen und sie zu besuchen.  Dies diente mir zum Vorbild und ich bemühe mich auch, so viel wie möglich mit Leuten zu reden, die mir ihre Probleme und Mängel direkt sagen. Wenn man nicht einen unmittelbaren Kontakt zu den Menschen hat, kann man ihnen ja nicht wirklich helfen. 

Sie haben im Herbst 2019 zusammen mit Ihrer Ehefrau einen Verein gegründet, der Ihren Namen trägt – „Asociația Principele Nicolae“. Wofür setzen Sie und die Freiwilligen sich ein?

Durch den Verein möchte ich die karitative Tätigkeit meiner Vorfahren, zusammen mit gleichgesinnten Rumänen, die sich für die Zukunft des Landes engagieren, fortsetzen. Durch die Projekte, die der Verein durchführt, wollen wir mittels Vorbildern auf die Bildung zukünftiger Generationen einwirken. Wir sind stets im Einsatz für Umweltschutz und Bildung, für die Förderung in Rumänien hergestellter Produkte, der rumänischen Volkstracht und des Brauchtums, sowie für das geschichtliche Erbe der königlichen Familie Rumäniens.

Welche Projekte haben Sie im Rahmen des Vereins bis dato durchgeführt und was planen Sie in diesem Sinne für die Zukunft?

Meine Frau und ich unterstützen Mädchen bei einer Ausbildung und Karriere im IT-Bereich durch „EveryGirl Everywhere“. Ich bin Fürsprecher für städtische und ländliche Radwege und habe 2019 zusammen mit dem Verein Tășuleasa Social einen 1000 Kilometer langen Rad- sowie Wanderweg namens „Via Transilvanica“ eingeweiht, der Rumänienvon  Putna, Kreis Suceava im Norden bis in den Süden, Drobeta-Turnu Severin an der Donau, Kreis Mehedin]i, durchquert. Wir haben außerdem bis dato zwei Aufforstungsaktionen unter dem Titel „Codrii de mâine“ (Die Wälder von morgen) organisiert, bei denen wir zusammen mit Freiwilligen letztes Jahr 12.000 und Ende Oktober dieses Jahres 10.000 Bäume gepflanzt haben und damit unserem Ziel, eine Million Bäume zu pflanzen, ein wenig näher gekommen sind. Eine Kampagne für die Vorstellung der Geschichte der königlichen Familie in Schulen, bei der ich Klassen persönlich von meiner Familie erzähle und Fotos aus dem persönlichen Archiv sowie ein zeremonielles Schwert vorzeige, muss leider für die Dauer der Pandemie ausfallen, aber wird so bald wie möglich fortgesetzt.

Zur Bewahrung der Geschichte der Monarchie in Rumänien im Kollektivgedächtnis führen wir nun ein Projekt anlässlich der Jahrhundertfeier der Geburt Königs Michael I. durch. Dazu sollen alle Leute, die meinen Großvater persönlich oder aus Familienerzählungen gekannt haben, dies dem Verein „Principele Nicolae“ durch ein Video-Zeugnis für die Nachkommen mitteilen. Auf unsere Einladung haben bis jetzt Herr Octav Bjoza (Vorsitzender des Verbandes ehemaliger politischer Häftlinge), die Journalistinnen Marilena Rotaru, Doina Alexandru, die Funkmoderatorin Andreea Berecleanu und andere geantwortet. Und nun bin ich froh, bekannt zu geben, dass ich einen Bildband mit dem Titel „Mein Großvater, König Michael“ bereits veröffentlicht habe. Dieser enthält Bilder aus dem Familienleben von König Michael, die ich selbst aus 17 Archiven ausgewählt habe. 

Das sind alles wunderbare Projekte, wir wünschen viel Erfolg und bedanken uns herzlich für das angenehme Gespräch!