Wer muss in der Ecke knien?

Randbemerkungen

Etwas mehr als ein Monat ist vergangen seit dem Exklusionsvotum von Österreich betreffs dem Schengen-Beitritt Rumäniens. Im österreichischen Wahlkampfjahr 2023 hat sich nichts Wesentliches bezüglich der Sonntagsfrage geändert – leider auch im sich nach jenem Votum als fremdenfeindlich und nationalistisch gebärdenden öffentlichen Raum Rumäniens nicht. Fakt ist, dass sich Österreich mit seinem Kanzler Nehammer und seinem Innenminister Karner in der öffentlichen Wahrnehmung dieses Raums in die Ecke der Rechtsextremen – in Zwillingschaft mit dem Klein-Trump Mitteleuropas, Viktor Orbán – manövriert hat, während Rumänien im Schweiße seines Angesichts daran arbeitet, den Sympathiebonus wegzukratzen, den es mit dem NJET! (so stalinistisch klang es in unseren Ohren) aus Wien spontan auf sich fokussierte.

Zum „Was tun?“ gibt es ein passendes Zitat  des griechischen Stoiker Epiktetos (50-135 n.Chr.), das etwa so lautet: „Unter allen Dingen dieser Welt hängen manche von uns ab, andere nicht… Die Dinge, die von uns abhängen, sind frei, allein schon durch ihre Natur, nichts kann sich ihnen entgegenstellen oder sie aufhalten. Die Dinge, die nicht von uns abhängen, sind sklavisch, schwach, abhängig, tausenden Hürden und Einflüssen unterworfen, die, sämtlich, uns fremd sind.“ Kurzum: einerseits konnte Rumänien (durch den Präsidenten, den Innen-, Außen- und den Premierminister) auf der Zielgeraden vor dem 8. Dezember 2022 unmöglich noch etwas am sturen Alleingang der Vertreter Österreichs ändern (hier steht voll reflektiert nicht: „am Alleingang Österreichs“, denn auch in der innerösterreichischen Perzeption der Zurückweisungsgeste seitens der politischen Exponenten gab es viele Nuancierungen). Andrerseits steht fest (war aber in den Betonschädeln der zitierten rumänischen Politiker nicht angekommen), dass ein Schengenbeitritt nicht auf der deklarativen Ebene („Wir sind darauf seitLangem vorbereitet!“) sondern durch langfristig und nachhaltig vorbereitete Taten untermauert wird – eben durch das, was Epiktetos mit „Dingen, die von uns abhängen“ meint, über die wir „frei“ verfügen, so wir das denn wirklich wollen.

Gerade deswegen war die Explosion von Xenophobie, ungeniert öffentlich vorgeführter politischer und menschlicher Dummheit und blindglühendem Nationalismus so rufschädigend für Rumänien und so untergrabend für den Sympathiebonus, den man unverhofft (vielleicht nicht ganz voll verdient) genoss. Frustrationen, Enttäuschungen, ein lädiertes Gerechtigkeitsgefühl - alles normal (vor allem, wenn man an die sowieso sich kaum noch um den Beruf reißenden Fernfahrer und die Wartezeiten an den EU-Binnengrenzen denkt). Über all das haben die feurigen Rumorer vergessen, dass sich eigentlich Österreich in die Spucknapfecke Europas, inclusive Putin-Nähe, gesetzt hat, möglich (sicher nicht nur) wegen ein paar schnöden Bonuspunkten bei der Wählerschaft mit Rechtsdrall. Es muss sich noch zeigen, inwiefern diese Selbstisolation des Walzerstaats letztendlich zumindest die innenpolitischen Rechnungen aufgehen lässt. Ob das selbstauferlegte Eckenknien bei den nächsten Wahlen Früchte zeigt?

Andrerseits wäre es erfreulich, wenn die rumänischen politischen Entscheidungsträger – allen voran Präsident und Innenminister – ernsthafte Anzeichen für zupackende Änderungen im Sinne eindeutiger Schritte zur tatsächlichen – nicht deklarativen – Erfüllung der Schengen-Beitrittskriterien veranlassen würden. Dass der Druck des Krieges an der Nord- und Ostgrenze Rumäniens den inneren Zusammenhalt EU-Europas – und damit die generaleuropäische Unterstützung Rumäniens in seinen Anliegen – stärkt, hat sich ebenso erwiesen wie, dass das Thema der Migration gleichermaßen eloquent wie falsch ist, wenn es vorgeschoben wird, um mit außenpolitischen Winkelzügen Innenpolitisches zum (Wahl-)Vorteil einer Partei lösen.