Wetten gegen den eigenen Verein

Spielmanipulationen zwischen krimineller Energie und Notwendigkeit

Die Spieler von Universitatea Klausenburg und UTA Arad (22. November 2015) zeigen vor dem Anppfiff ihre Solidarität mit den Spielern von Metalul Reschitza, die zu diesem Zeitpunkt seit Monaten kein Gehalt mehr erhalten hatten und denen auch ein Vereinswechsel durch Metalul-Besitzer Cătălin Rufă verboten wurde.

Für den 21. Dezember 2016 war im rumänischen Fußball-Ligapokal die Begegnung zwischen ASA Neumarkt und ACS Temeswar angesetzt, das erste Halbfinal-Hinspiel in einem beinahe bedeutungslosen Wettbewerb. Bei zweistelligen Minusgraden hatten sich nicht mehr als 200 Zuschauer im Stadion eingefunden. In Erinnerung blieb das Spiel lediglich aufgrund einer Gelben Karte gegen einen Spieler der Gastmannschaft.

In der 62. Minute erzielte Octavian Drăghici das zwischenzeitliche 1:2 für Temeswar. Nachdem er den Ball am Schlussmann der Gastgeber vorbeigelegt hatte, drehte er nach links weg, lief in Richtung Spielfeldrand und zog sich vor einer Fernsehkamera das Trikot zum Jubeln aus. Diese Art, ein Tor zu feiern, ist seit 2004 seltener geworden, denn damals entschied das International Football Association Board, ein Gremium, welches Änderungen der Fußballregeln berät und beschließt, dass das Ausziehen des Trikots zukünftig mit einer Gelben Karte bestraft werden soll. Nackte Oberkörper gibt es seither nur noch nach wirklich wichtigen Toren zu sehen.
Bereits unmittelbar nach dem Spiel tauchten zweifelhafte Fotos von zwei Wettscheinen auf, deren einzige Wetten auf eine Gelbe Karte gegen den Spieler Octavian Drăghici liefen. Einsatz jeweils 1000 Lei, Gewinn insgesamt 5000 Lei.

Zu öffentlich bekannten Ermittlungen durch den Fußballverband kam es allerdings nicht.Möglicherweise hatte sich Drăghici sein Trikot tatsächlich vor Freude über den Kopf gezogen. Doch im Oktober 2018 sprach Radu Birlică, der Präsident der Temeswarer, mit der „Gazeta Sporturilor“ über diesen Vorfall. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Alles, was ich in letzter Zeit gehört habe, und generell alles über Wetten in Rumänien, ist weitgehend korrekt. Ich habe von diesem Schein gehört, er war irgendwann eine Diskussion. Ich weiß, dass auch Trainer Ionuț Popa informiert wurde. Wir haben allerdings entschieden, den Spieler zu behalten. Wir sind mit 14 Minuspunkten gestartet und er hat uns in der zweiten Hälfte der Saison dabei geholfen, den Abstieg zu verhindern.“

Birlică bezog sich mit seiner offenen Formulierung auf den Wettbetrug im Land. Denn zuvor hatte „ProSport“ neue Anschuldigungen gegen mehrere Spieler seines Clubs erhoben. Das Sportportal, aber auch Trainer Ștefan Nanu, fanden es merkwürdig, dass der Zweitligist in den vorangegangenen Wochen seine Spiele wiederholt nach einer Pausenführung noch aus der Hand gab. Der junge Stürmer Cristian Pădurariu wurde schließlich dabei ertappt, wie er in einem lokalen Wettbüro Geld gegen seinen eigenen Verein setzte. In diesem Fall belegte der Fußballverband den Spieler mit einer Strafe von 5000 Lei und schloss ihn für drei Monate von Wettbewerbsspielen aus. Zu weiteren strafrechtlichen Ermittlungen kam es nicht, und auch der Fußballverband beließ es dabei. Temeswar stieg am Ende der Saison in die dritte Liga ab.

In den vergangenen Jahren wurden in den unteren Ligen immer wieder Spielabsprachen oder Wetten gegen den eigenen Verein aufgedeckt. Zu Beginn der Saison 2015/16 sollen beispielsweise die Spieler des FC Karansebesch mehrfach Geld auf eine Niederlage ihrer Mannschaft gesetzt haben. Sie hatten schon seit Monaten kein Gehalt mehr erhalten und sollen sich auf diese Weise ihr Einkommen gesichert haben. Emilian Hulubei, Präsident der Spielervereinigung, erklärte im Jahr 2017 gegenüber dem TV-Sender „Digi Sport“, dass das Durchschnittseinkommen eines Zweitligaspielers bei lediglich 2000 Lei liege. Die Ausstände in Karansebesch beliefen sich gegenüber mehreren Spielern auf 10.000 bis 20.000 Lei.

Seit 2018 überwacht die Sportradar AG sämtliche Pflichtspiele der zwei höchsten Ligen in allen FIFA-Mitgliedsverbänden. Das sind geschätzte 160.000 Begegnungen pro Jahr. Mit Hilfe einer St. Galler Firma wurde auch Viorel Ion überführt. Der rumänische Fußballverband sah es schließlich als erwiesen an, dass der Trainer des FC Gloria Buzău sowie 14 seiner Spieler in der Saison 2014/15 mindestens zehn Spiele manipuliert hatten. Die entsprechenden Spieler wurden zu Geldstrafen zwischen 10.000 und 50.000 Lei verurteilt und für einen Zeitraum von zwei bis zwölf Monaten gesperrt. Ion selbst wurde für zwei Jahre gesperrt und musste 200.000 Lei zahlen. Der Internationale Sportgerichtshof bestätigte das Urteil im Oktober 2017. Auch die Spieler von Gloria Buzău hatten über mehrere Monate keine Gehälter erhalten.

Für manch einen Spieler der zweiten oder dritten Liga scheint eine Wette gegen den eigenen Verein die einfachste Möglichkeit, ausstehendes Gehalt anderweitig zu erhalten oder das geringe Einkommen aufzubessern. Denn während in der zweiten Liga im Durchschnitt noch 2000 Lei gezahlt werden, sind eine Spielklasse tiefer Gehälter zwischen 1000 und 1500 Lei üblich. Bleiben Gehaltszahlungen über längere Zeit aus, stehen die Spieler vor Existenznöten. Wer dann nicht von Familie oder Freunden unterstützt wird, ist anfällig für Spielmanipulationen – oder gibt seine Karriere als Fußballer ganz auf, um im Ausland einer Lohnarbeit nachzugehen. Erst im Mai tauschte Alin Damian, ein durchschnittlicher Drittligaspieler, das Trikot von Olimpic Cetate Rosenau gegen die Arbeit in einer Fischfabrik im norwegischen Alesund.