Wie das 3D-Cinema ins Banater Dorf kommt

Zurück zum Dorfkino: Gemeinde Gertjanosch soll ein echtes Mall-Cinema kriegen

Ältere Semester erinnern sich noch heute mit unverhohlener Nostalgie an das allseits beliebte Dorfkino: In den banatschwäbischen Dörfern war es in der kommunistischen Zeit meist im schäbigen Kulturheim schlecht und recht eingerichtet, von jung und alt aber als einer der wenigen Zufluchtsorte, als Haus der Unterhaltung und des Zeitvertreibs in einem ansonsten grauen und bedrückenden Dorfalltag angesehen. Für viele Schwabenkinder war es DAS Erlebnis der Kindheit. Und das, trotz des nach heutigen Ansprüchen recht dürftigen, aber auch kuriosen Filmangebots: Es gab Zeiten, da konnte man sich im Dorfkino auf den alten, ungeschlachten Bänken in einem meist ungeheizten Saal nur eine ellenlange, langweilige propagandistisch zurechtgeschneiderte Nachrichtenshow, das berüchtigten „Jurnal“ der tausend sozialistischen Errungenschaften von Stadt und Land, anschauen, das aber jedesmal von den Leuten mit einer Portion Galgenhumor wie die abenteuerlichen Lügenmärchen um Baron Münchhausen „genossen“ wurde. Wie das politische Barometer draußen stand, wechselten dann auch die Zeiten im Dorfkino: Vom hartgesottenen „Tschapajew“ zu den ewigen russischen Kriegsfilmen, von der Sowjetfrau zu den Illegalisten aller Art, den fleißigen rumänischen LPG-Bauern oder Arbeitersöhnen, bis dann in der Tauwetter-Zeit im Dorf, einmal wöchentlich plötzlich echte Helden wie Winnetou, John Wayne, die Mongolen oder Wikinger, Ritter Pardaillan, die Marqise der Engel oder die „Schwarze Tulpe“ anmarschierten. Beliebt bei der Dorfjugend, weil echte Haudegen und gar nicht so wie die „Helden“ der Zeit, dann auch Michael der Tapfere und viele, andere Volkshelden aus den historischen Nicolaescu-Schnulzen oder der etwas amerikanische Kommissar Moldovan, etwas zu kommunistisch, aber immerhin ein echter Draufgänger.

Wie gesagt, „schöne Zeiten“ auch für das Dorfkino in den banatschwäbischen Gemeinden, die aber mit der Dezemberrevolution, dem Massenexodus der Banater Schwaben, dem Zusammenbruch der Dorfgemeinschaften brüsk ein trauriges Ende fanden. Die Kulturheime und Dorfkinos kriegten ein großes Vorhängeschloss an die alten Türen. Einige Gebäude wurden wohl den ehemaligen Eigentümern rückerstattet, nachdem man sie gründlich geräumt und ausgeplündert hatte. Ein Teil davon verblieb dem ominösen Landesunternehmen für Filmvertrieb RADEF, abgesperrt oder an clevere lokale Geschäftsleute vermietet. So kamen die oft skandalumwitterten Diskos, Bars und gar Wettbüros ins Dorf. Ein anderer Teil dieser Dorfkinos und Kulturheime (davon waren etliche mit dem bitteren Schweiß und den unzähligen Arbeitstagen der Bewohner im patriotischen Einsatz in vielen Jahren erbaut worden) kam unter die Gemeindeverwaltung. Und in den meisten Fällen hieß das, dass sie von den neuen Gemeindevätern zum Leidwesen der Bewohner einfach ungenutzt blieben und dem Verfall überlassen wurden. Von den ehemaligen 318 Kinosälen des Landes sind nur noch etwa 30 in Funktion, nicht nur auf dem Lande, sondern selbst in den Großstädten wurden sie geschlossen. Die jahrelangen, jedoch halbherzigen Versuche des Kulturministeriums, die Kinosäle wieder zu beleben, blieben erfolglos. Auch ihre Rückerstattung an die Kommunalverwaltungen per Gesetz brachte nicht ihre Rettung. Unterdessen wurden die wertvollen Räume für haushohe Mieten an Privatunternehmer vermietet, in den Kinosälen wurden Bars, Klubs und gar Privatkliniken und Labors eingerichtet. Alles, nur kein Kino. In den Städten richteten die Malls moderne 3D-Cinemas mit hochmoderner Apparatur, mit dem erträumten Komfort und dem typischen Filmangebot für die Mall-Besucher ein. Und damit war auch der letzte Funken des Interesses für die traditionellen Kinosäle verschwunden.

Echtes Mall-Cinema  auch auf dem Lande

Nun gibt es in den Banater Gemeinden unerwartet erste hoffnungsvolle Anzeichen, dass man, gar noch vor den Städten, vor allem der Metropole Temeswar, hier doch das Rechte tun wird und sich auf das alte Dorfkino zurückbesinnen könnte. Den Vorreiter spielte da die ehemalige banatschwäbische Gemeinde Gottlob, etwas abgelegen, in der Banater Heide 53 Kilometer von Temeswar entfernt. Das alte Dorfkino, leergeräumt, ungenutzt und wie andere Altbauten heruntergekommen, kam im Jahr 2000 in Gemeindeverwaltung. 2014 entschied sich die Gemeindeverwaltung endlich, dieses für einen Gemeindehaushalt recht schwierige Vorhaben doch und zwar mittels EU-Geldern fertigzubringen, was zum Staunen im ganzen Banat und gar landesweit dann auch bestens gelang. Mit einer EU-Finanzierung von 200.000 Euro (Partner war die ungarische Ortschaft Ujszentivan im Rahmen des grenzüberschreitenden Programms Rumänien-Ungarn), weiteren 100.000 Euro aus dem Landesprogramm für ländliche Entwicklung konnte das alte Dorfkino in überraschend kurzer Zeit gründlich saniert und hochmodern als sehenswertes 3D-Cinema eingerichtet werden. Seitdem findet hier, zum Teil auch in Temeswar, jeden Sommer mit großem Publikumserfolg das Internationale Ceau-Cinema-Pocketfestival statt. Somit wurde Gottlob, das seit Jahren schon wegen seines beliebten und landesweit einzigartigen Festivals der Wassermelonen für Schlagzeilen gesorgt hatte, zur einzigen Gemeinde Rumäniens mit einem funktionierenden Dorfkino.
Das Beispiel hat im Banat Schule gemacht. Die Kommunalverwaltung der Banater Gemeinde Gertjanosch/Cărpiniş kündigte kürzlich an, nach der in Gottlob bewährten Art und Weise das lokale Dorfkino gründlich zu sanieren und hier ein modernes 3D Cinema einzurichten.

Die ehemalige banatschwäbische Gemeinde liegt ebenfalls auf der Banater Heide, 28 Kilometer von Temeswar entfernt, und zählt heute gemeinsam mit dem eingemeindeten Dorf Kleinjetscha 4477 Einwohner. Die ehemalige blühende deutsche Gemeinde (deutsche Ansiedlung 1781) hat nach der Massenauswanderung der Deutschen nach der Wende schwere Zeiten mitgemacht. Es dauerte Jahrzehnte, bis sich da eine neue Dorfgemeinschaft, aus Zuwanderern aus allen Landesteilen, herausbilden konnte. An die ehemalige wirtschaftliche und kulturelle Glanzzeit der Gemeinde in der Zwischenkriegszeit wird man hier wohl schwerlich nach so viel Vertanem und Unterlassenem anschließen können: Die Heidegemeinde an der historischen Bahnlinie Szegedin-Temeswar mit hohen Getreideernten, Milchgenossenschaften, Groß- und Kleinhandel (etwa 23 Geschäfte), Sparkassen, Mühlen und Fabriken hatte zudem ein bemerkenswertes, stadtähnliches Kulturleben mit insgesamt 28 Kulturvereinen und Körperschaften, von Musikkapellen, Gesangs- bis zum Sportverein. Nicht zu vergessen: Das bekannte Stefan-Jäger-Triptychon „Die Einwanderung der Deutschen in das Banat“ wurde von dem Gertjanoscher Adam Röser angeregt und unterstützt, auch 1910 in Gertjanosch enthüllt. Auf Initiative des hiesigen Gesangsvereins wurde der „Deutsche Sängerbund des Banats“ gegründet.

Das ehrgeizige Projekt der Gemeinde Gertjanosch soll im Laufe dieses Jahres, nach dem Vorbild Gottlobs, mit Hilfe einer Finanzierung von zirka 120.000 Euro durch die Banater Mikroregion GAL durchgeführt werden. Vorgesehen ist eine gründliche Sanierung des heruntergekommenen Altbaus und die Einrichtung von zweckdienlichen Utilitäten und moderner Apparatur des Typs 3D-Cinema. Was man vor Jahren als Wunschtraum allzu leichtfertig abgetan hat, könnte in kurzer Zeit und sogar aus eigenen Kräften wahrgemacht werden: Neben dem Dorfkino Gottlobs könnte baldigst auch das neue Dorfkino aus Gertjanosch in das Internationale Filmfestival Ceau-Cinema einbezogen werden, und wer weiß… Eine große Besucherzahl nicht nur aus der Gemeinde und Umgebung, sondern gar aus der Stadt wird das Gertjanoscher Dorfkino bestimmt gesichert haben, das Beispiel Gottlob hat es zur Genüge vorgeführt.