Willkommen in Columbia – Der Stadt über den Wolken

Bioshock Infinite verspricht, die Erwartungen der Spieler zu übertreffen

Eine Stadt in den Wolken. Eine falsche Utopie. Columbia ist der Austragungsort des neuen Egoshooters von Ken Levine.

Bring uns das Mädchen und deine Schulden sind getilgt. Von dieser einfachen Prämisse geht das neue Spiel von Irrational Games aus. Wer Ken Levine und sein Team kennt, weiß, dass sich dahinter wesentlich mehr verbirgt. Auch Bioshock Infinite verspricht, die Erwartungen der Spieler zu übertreffen. Dabei ist es eine schwere Bürde für Levines neuestes Spiel, denn es muss in die Fußstapfen seines Vorgängers treten, nur um dann aus dessen Schuhen herauszuwachsen. Wenn man dann noch bedenkt, wie lange man auf Infinite warten musste, dann steigt der Erfolgsdruck in ungeahnte Höhen. Aber zum Glück ist das neue Bioshock eben dort beheimatet.

Mit Columbia hat sich Irrational Games von der Unterwasserstadt Rapture verabschiedet. Auch von den Themen, die an Ayn Rands Literatur angelehnt waren, entfernt sich Bioshock Infinite. Es geht hier nicht mehr länger um eine Utopie, die auf den Grundwerten des Kapitalismus aufgebaut wurde. Stattdessen behandelt Infinite Themen wie Fremdenhaß und religiösen Fanatismus. Statt dem Industriemagnaten Andrew Ryan muss sich der Spieler nun dem Scheinpropheten Zachary Comstock entgegenstellen. Zwischen dem sogenannten „Father Comstock” und Booker DeWitt – dem Antihelden, den man steuern darf – stellt sich das mysteriöse Mädchen Elizabeth. Mehr als die fliegende Stadt Columbia, dreht sich alles in Bioshock Infinite um diese junge Dame, die Raum und Zeit nach ihrem Willen krümmen kann. Eine Fähigkeit, die nicht nur während des Spiels unerlässlich wird, sondern auch wichtig für die Handlung ist.

Denn nichts scheint so zu sein, wie es wirklich ist. Was recht unkompliziert beginnt und sich als eine relativ einfach Mission für den ehemaligen Pinkerton Agenten DeWitt herausstellt, entpuppt sich nach einigen Stunden Spielzeit als ein Science-Fiction Trip der ernste Fragen aufwirft und den Spieler rätseln lässt. Es ist „Lost” in den Wolken und gut einhundert Jahre davor. Columbia, Elizabeth, Father Comstock, dessen Frau Lady Comstock und schließlich Booker DeWitt selbst, sind mehr als man auf den ersten Blick annimmt.
Schon zu Anfang des Abenteuers wird dem Spieler der Mund wässrig gemacht.

„Hast du Angst vor Gott?” fragt die junge Elizabeth im Off den Antihelden DeWitt. Dieser verneint, gesteht aber, dass er vor ihr Angst hat. Damit fängt Bioshock Infinite an. Ein großes Fragezeichen dürfte über unseren Köpfen schweben und dann wechselt Irrational Games zu einem mehr als familiären Einstiegszenario: DeWitt in einem Ruderboot, das auf einen Leuchtturm zuschwimmt. Das erinnert doch stark an den ersten Bioshock. Nur dass man – sobald man den Leuchtturm betritt  – sich nicht nach unten sondern nach oben bewegt. Statt einem U-Boot wird man in einer Rakete in den Himmel befördert. Oben angekommen, findet sich der Spieler in einer Art Kirche wieder. Um Columbia zu betreten muss sich der Sünder DeWitt, der aus dem unteren Sodom stammt, erst einmal taufen lassen. Erst danach – und einem kryptischen Flashback – darf man Columbia erkunden.

Vor dem Bürgerkrieg statt danach

Und die Stadt kann von Rapture nicht unterschiedlicher sein. War die Unterwasserstadt bereits tot, als der Spieler ankam, pulsiert das Leben in Columbia noch. Es ist ein idyllischer Ort, wo die Menschen den Alltag genießen. Nein, hier hat noch kein Bürgerkrieg gewütet. Noch wurde nicht alles auf den Kopf gestellt. Noch nicht. Denn spätestens sobald man Elizabeth aus ihrem Turm befreit hat, indem sie seit ihrer Kindheit lebt, bricht in Columbia die Hölle aus. Denn die sozial benachteiligte Schicht der Stadt in den Wolken, möchte ihre Rechte einfordern.

Spielerisch gibt es klare Ähnlichkeiten zwischen Bioshock Infinite und seinem Vorgänger. Noch immer kann man über Sonderfähigkeiten verfügen. Man kann Feuer manipulieren, Gegner durch die Luft schweben lassen, Telekinese verwenden und sogar Krähen herbeirufen. Das erste Bioshock versuchte die Präsenz der sogenanten Plasmids zu erklären. Dagegen werden die Vigors einfach so eingeführt. Zwar geizt man auch hier nicht mit Erklärungen, jedoch fällt das besondere Ökosystem des ersten Spiels weg.

Keine Big Daddys mehr, die Little Sisters bewachen, die wiederum Adam aus Toten sammeln, um so die erforderliche Enerige für Plasmids zu gewinnen. Big Daddy-ähnliche Gegner gibt es allerdings schon. Zum einen hat man die äußerst agilen Henchmans, die von Stadtdach zu Stadtdach hopsen und den Spieler nicht aus den Augen lassen. Zum anderen hat man „Songbird”, den Wächter Elizabeths, der ständig auftaucht und DeWitts Leben eine Spur schwieriger gestaltet.

Auch können einzelne Fähigkeiten des steuerbaren Helden verbessert werden. Das Gleiche gilt für Waffen. An dieser Front also nichts Neues. Das wirkliche Highlight ist Elizabeth, die den Spieler fast das ganze Abenteuer über begleitet. Dabei haben die Entwickler sich bemüht, sie so zu programmieren, dass sie dem Spieler niemals im Weg steht. Elizabeth ist nicht nur eine Stütze für den Spieler, indem sie auf übersehene Gegenstände aufmerksam macht oder mit Geld und Munition aushilft, wenn sie knapp werden. Sie wirkt lebendig. Niemals steht sie einfach nur dumm herum. Sondern sie erkundet die Welt. Überall findet sie Sachen, die sie interessieren. Nach einigen Stunden vergisst man, dass es sich bei ihr um eine vorprogrammierte Figur handelt, die in vielen anderen Spielen oft lästig werden.

Behandelt Tabu-Themen

Denn darum ging es Levine und seinem Team besonders: Der Spieler muss eine Bindung zu Elizabeth aufbauen. Er muss etwas für diese Figur empfinden. Dadurch werden auch die großen Überraschungen des Spiels, wesentlich gravierender.

Ken Levine sprach auf der Pax East mit Gamespot über die Entwicklung des jüngsten Bioshock-Spiels. Vor drei Jahren angekündigt, wurde der Erscheinungstermin um einige Monate verschoben. Schließlich steht Bioshock Infinite seit Dienstag auf den Regalen. Es war ein langer und steiniger Weg für den Entwickler und sein Team. Besonders schwierig waren die religiösen Themen, die Levine, als Atheist behandeln wollte. Einer seiner Mitarbeiter hätte sogar nachdem er den Schluss gespielt hatte, seine Kündigung eingereicht. Der Grund: Er habe sich und seinen Glauben angegriffen gefühlt.

Spieler sollten darum aufpassen. Columbia wirkt in der ersten Stunde wie ein Spaziergang. Ist es aber nicht. Der neue Egoshooter von Irrational Games wird nach dem Durchzocken in Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen der expliziten Gewalt und der konstanten Action, sondern besonders wegen der tiefgründigen Geschichte, die Tabuthemen aufgreift. Es geht niemals um Utopien in einem Bioshock-Spiel. Stattdessen werden ernste, gesellschaftliche Fragen gestellt, über die man noch Jahre nach dem Erscheinen sprechen wird.