„Wir bauen im Herzen des Landes eine Bühne“

Das neue Festival „Tamtam“ soll Kronstadt wach rütteln

Horia Mihail (l.) und Dragoș Dimitiriu (r.) werden gemeinsam auftreten. Foto: TamTam Festival

Zwei Kronstädter Klavierspieler, Horia Mihail und Dragoș Ioan Dimitriu, wollen zusammen mit Freunden und Partnern Kronstadt/Brașov in einen kulturellen Anziehungspunkt Europas verwandeln. Dafür bringen sie 300 Künstler aus aller Welt auf acht Bühnen im Zentrum der Stadt vor das Publikum, die am kommenden Wochenende, zwischen dem 26. und dem 28. Juli, auftreten. Das Festival hat hauptsächlich Musik verschiedenster Genres im Angebot, Theater, Film, Tanz und visuelle Kunst sind auch vertreten. ADZ-Redakteurin Laura Căpățână Juller hat mit dem Gründer und Leiter des Festivals, Horia Mihail, und dem künstlerischen Leiter, dem ehemaligen Schüler des Johannes-Honterus-Lyzeums, Dragoș Dimitriu, über Konzept, Künstler, Pläne und Wünsche bezüglich des „Tamtam“ gesprochen.
 
Das Tamtam-Festival will das größte Festival werden, das Kronstadt hat, und kann sich dafür auf die finanzielle Unterstützung des Bürgermeisteramts und des Kreisrates freuen. Die Hauptbühne wird am Johannisplatz aufgebaut, weitere Bühnen sind am Rosenanger/Piața George Enescu, Am Breiten Bach/Paul-Richter-Straße, in der Purzengasse/Str. Republicii, in der Michael-Weiß-Gasse, vor dem Rektorat der „Transilvania“-Universität, beim Katharinentor/Poarta Ecaterinei, im „Redoute“-Kulturzentrum, sowie beim „Multikulturellen Zentrum der Transilvania-Universität“. Wenn Kronstädter und Touristen durch die Straßen im Zentrum spazieren gehen, können sie unter anderem Jazz, Rock, Pop, Djs, aber auch Videomapping, Schauspiel, Ausstellungen antreffen, Spielfilme unter freiem Himmel anschauen, sowie auch mit einer Laien-Tanzgruppe tanzen. Ein Straßentheater führt „Die Geschichte der Familie Hirscher“ (Apollonia und Lukas Hirscher) vor, Petra Acker & The Band lassen ihre Musik die Purzengasse/Str. Republicii erklingen. Im Zentralpark werden Animationsfilme für Kinder ausgestrahlt und es finden Werkstätten für die Kleinen statt. Es soll für jeden etwas dabei sein, was ihn interessiert, versprechen die Veranstalter. Mehr noch, durch die Vereinigung der fünf Künste unter einem Schirm können die Zuschauer ihren Blickwinkel erweitern. 

Was ist das Tamtam-Festival?

Horia Mihail (HM): Tamtam ist vor allem ein Konzept, eine Idee. Es ist eine Art, Kronstadt zu wecken und das Herz des Landes für dessen Bewohner und Besucher mit Kraft schlagen zu lassen. 

Warum habt Ihr dieses Festival ins Leben gerufen?

HM: Vor einigen Jahren habe ich gemerkt, dass Kronstadt im Vergleich zu anderen rumänischen Großstädten zurückbleibt, was die kulturellen Ereignisse angeht. Es gibt viele Nischenfestivals in Bereichen wie Musik, Theater, Film, Tanz, visuelle Kunst, die gut sind und die ihr eigenes Publikum haben. Das Kronstädter Publikum ist gespalten, es bestehen Kasten, die nur an bestimmten künstlerischen Ausdrucksformen Interesse zeigen. Deswegen haben wir entschieden, die fünf Künste unter diesen Schirm zu vereinen. 
Dragoș Dimitriu (DD): Wir wünschen uns, dass sich dieses Publikum, das eher einseitige Interessen aufweist, gegenüber den anderen Künsten oder Genres öffnet und auch andere Vorführungen oder Events besucht. So sollen beispielsweise die Opernliebhaber ein Theaterstück anschauen, die Theaterfans in die Philharmonie gehen und so weiter.

Wie wollt Ihr das erreichen?

DD: Es werden sehr viele Künstler aus dem In- und Ausland auftreten, die sehr viele Genres der fünf Künste bieten. Dadurch, dass die Bühnen an mehreren Orten in der Altstadt aufgebaut sind, hat jeder die Möglichkeit, an kulturellen Ereignissen teilzunehmen, die er bislang noch nicht wahrgenommen hat.
Somit kann jeder etwas Neues entdecken. 

Was hat Tamtam, was die anderen Festivals nicht haben?

DD: Außer dem neuen Konzept, das die fünf Künste vereint, beziehen wir das Publikum in die Events mit ein. Es ist ein Festival des „Art to Heart“ (die Kunst zu Herzen gehen zu lassen), wie unser Slogan lautet, und wir wollen die Menschen der Kunst annähern, deren Leben durch hochklassige Ereignisse inspirieren. Das ist auch der Grund, warum die Bühnen nur etwa 40 Zentimeter über dem Boden sein werden, nicht höher. Somit schaut das Publikum die Künstler nicht wie Ikonen an, die Künstler können mit dem Publikum interagieren, es entsteht eine Nähe.

HM: Die Idee ist, eine Gemeinschaft der lokalen Künstler und der lokalen Kulturanbieter aufzubauen und eine Gemeinschaft der Kulturkonsumenten. Es gibt eine bedeutende Anzahl von Kulturkonsumenten, die sich wünschen, an sehr guten Kulturevents in Kronstadt teilzunehmen. Wenn man während des Tamtam im Zentrum unterwegs ist und an einer bestimmten künstlerischen Ausdrucksform Interesse hat, trifft man auch andere künstlerische Ausdrucksformen. Zudem werden Leute die sich lange nicht mehr getroffen haben, aufeinander stoßen, ihre Interessen mitteilen und es findet ein Ideenaustausch statt. 

An wen richtet sich das Festival?

HM: Wir wünschen uns, dass jeder fühlt, dass dieses Festival für ihn gedacht ist, sich an ihn wendet.
DD: Das Festival ist für alle Altersgruppen gedacht. Tamtam richtet sich an die Kleinsten, ab drei Jahren, für die wir einen Pavillon im Zentralpark einrichten werden, wo sie an Mal-Werkstätten teilnehmen und Animationen für Kinder anschauen können. Es richtet sich aber genauso gut auch an 90-Jährige. Jeder findet etwas, was ihm gefällt beim Tamtam. Wir haben Bands, die Covers von vor 30-40 Jahren spielen, andere präsentieren Eigenkompositionen, wir zeigen Virtual Reality, der letzte Trend.
Im Programm ist auch eine Kombination von Künsten zu finden...
HM: Der Mix zwischen den Künsten ist ein weiterer wichtiger Teil des Festivals. Wir haben Experimente vorbereitet, bei denen diverse künstlerische Ausdrucksformen ineinander übergehen, beispielsweise Musik in visuelle Kunst, in Theater oder in Gastronomie und umgekehrt.
DD: Das Ereignis im Bereich Gastronomie und Musik heißt „Muziculinaria“. Horia, der ein ausgezeichneter Koch ist, und Filip Papa, Cellist aus Jassy, ebenfalls ein ausgezeichneter Koch, werden in einem Restaurant in der Altstadt, womöglich am Alten Marktplatz, für das Publikum kochen. Während das Essen im Ofen schmort, werden sie konzertieren.

Gibt es auch andere Ereignisse, die für ein Festival weniger alltäglich sind?

DD: Wir haben eine 15-minütige Vorführung für Leute mit Behinderung im Programm. Dafür haben wir Volontäre einer Tanzgruppe, die mit Leuten mit Behinderung tanzen, eingeladen. Leute mit Behinderung sind ein Teil von uns und wir wollten sie ins Festival mit einbeziehen.
Gemeinsam mit dem Verein „Bucuria Darului“ ermöglichen wir es benachteiligten Kindern aus dem Kreis Kronstadt, am Festival teilzunehmen, Konzerte und Künstler zu erleben, bei den Werkstätten für Kinder mitzumachen.

Ihr habt beide viel Erfahrung beim Veranstalten von kulturellen Events. Ist das Organisieren von Tamtam anders, das Team wächst erst jetzt zusammen?

HM: Jeder von uns hat Erfahrung, das stimmt, doch haben wir leider nicht im Voraus gewusst, wie schwer es sein wird, diese erste Auflage zu organisieren. Jetzt lernen wir, was zu tun ist für ein dermaßen großes Festival. Wenn man etwas bewirken will, muss es auffallen, und dieses Herz, das wir Kronstadt nennen, muss kräftig schlagen. Kronstadt verdient dieses Festival, es braucht ein außerordentliches multikulturelles Festival, das alle schon vorhandenen Werte und Traditionen unterstreicht und eine neue Energie für die Bewohner und für die Touristen erzeugt. Wir arbeiten daran, Kronstadt seine kulturelle Vitalität, die das Publikum seit Jahren fordert, wiederzugeben.

Wo seht ihr das TamtamFestival in drei Jahren?

HM: In drei Jahren wird es sich an mehreren Tagen und auch in anderen Teilen der Stadt abspielen. Es werden mehr internationale Künstler auftreten und das Festival wird auf internationaler Ebene bekannt gemacht. Und wir sehen es als den wichtigsten kulturellen Anziehungspunkt in der Gegend, als einen Brand.
DD: Außerdem werden wir eine Tamtam-Spielzeit organisieren, die außerhalb des Festivals stattfindet und die das Interesse für die fünf Künste durch verschiedene Ereignisse, hauptsächlich erzieherische Ereignisse, weiterhin pflegt. Im Oktober beginnen die ersten derartigen Events. Wir haben große Überraschungen vorbereitet.

Verratet uns einige davon!

DD: Das kann ich nicht, aber ich glaube, wir werden ganz Ost-europa damit überraschen. 

Mit wie vielen Zuschauern rechnet ihr?

HM: Das ist schwer zu sagen, aber wir hoffen, dass zwischen 4000 und 12.000 Personen täglich durch Kronstadts Zentrum von Bühne zu Bühne wandern werden. Statistisch gesehen, sind in Kronstadt am letzten Juliwochenende des Jahres die meisten Menschen unterwegs, Kronstädter und Touristen zusammen. 

Warum ist bei fast allen Events der Eintritt frei?

HM: So können wir die Leute besser zu unseren Darbietungen locken, damit sie sehen, worum es geht, sie sollen Neues versuchen, neugierig sein. Das wird auch bei den weiteren Editionen so bleiben. Wir haben vor, auch in Zukunft die Mehrheit der Aufführungen, die im Freien stattfinden, kostenlos anzubieten. 
DD: Auch im Ausland wird das Publikum durch Ereignisse im Freien, die unentgeltlich sind, in die großen Säle gelockt. Die Zuschauer, die an einem Event im Freien vorbeigehen, können daran Gefallen haben und Karten für andere derartige Konzerte, Stücke, Vorstellungen in großen Sälen kaufen. 

Das Programm ist sehr vielfältig und reich. Welche Ereignisse soll man auf keinen Fall verpassen?

DD: Die Bühne am Johannisplatz wird sehr groß sein, dort ist Platz für etwa 800 bis 1000 Zuschauer. Da ist die erste Rock-Oper, die jemals in Rumänien aufgeführt wurde, zu sehen, „The One Born From A Tear“. Ebenfalls dort treten die „Irina Sârbu Band“ auf, die Jazz mit rumänischer Folklore kombiniert, der Saxofonist Alex Harding aus den USA, das „Dadi Trio“ mit Alex Azevedo aus Brasilien, oder Luiza Zan, die sehr bekannt ist. Oana Pellea und Mircea Tiberian halten einen Workshop über Theater und Jazz in der „Redoute“. An vier Orten in der Altstadt stehen Klaviere zur freien Verfügung, jeder darf darauf spielen und kurz Laien-Klavierspieler sein.
HM: Wir empfehlen den Leuten, bei allen Spielflächen vorbeizuschauen und danach zu den größeren Bühnen zu gehen. Das Festival wird mit einem Video-mapping auf Gebäuden am Marktplatz/Piața Sfatului beendet, das unglaublich sein wird.
Das Tamtam-Festival wird von den Vereinen „Tamtam“ und „Depoul de Artă Urbană“ veranstaltet. Weitere Informationen sind unter tamtamfestival.ro erhältlich.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit dem Festival!