„Wir versuchen, die Geschichte und die Anliegen der deutschen Minderheit in den Siedlungsgebieten aktiv zu vermitteln“

ADZ-Gespräch mit Christian Glass, dem Leiter des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm

Der langjährige Direktor des DZM, Christian Glass Foto: Zoltán Pázmány

Ein Modell der Ulmer Schachtel können Besucher des Donauschwäbischen Zentralmuseums (DZM) in Ulm auf dem Gelände vor dem Eingang ins Museums bewundern. Damit waren die ersten Kolonisten ab dem 18. Jahrhundert in Richtung Südosteuropa aufgebrochen. Die Geschichte der Donauschwaben, wie die Ansiedler später genannt wurden, wird im Donauschwäbischen Zentralmuseum dem Publikum näher gebracht. Die ständige Ausstellung, die den Besuchern eine Entdeckungsreise in die Siedlungsgebiete der Donauschwaben bietet, erzählt anhand von Originalexponaten, Dokumenten und Fotografien die Geschichte der Donauschwaben vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Darüber hinaus beherbergt das DZM Sonder- und Leihausstellungen, es veranstaltet Konzerte, Lesungen und andere Kulturereignisse, bei denen Jung und Alt auf ihre Kosten kommen. Was das Museum zu bieten hat und wie es die Herausforderungen der Zukunft zu meistern vermag, das erzählte DZM-Direktor Christian Glass der ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu in folgendem Gespräch. 


Das Donauschwäbische Zentralmuseum bringt dem Publikum die Geschichte der Donauschwaben näher. Wer ist heute noch daran interessiert, diese Geschichte zu erfahren? Wer sind die Besucher des DZM und wie viele verzeichnet das Museum pro Monat?


Wir haben, im Schnitt, 10.000 bis 12.000 Besucher pro Jahr in Ulm. Wir sind aber das Donauschwäbische Zentralmuseum für ganz Deutschland und wir bringen Ausstellungen auch an andere Orte im In- und Ausland und da haben wir sehr viel mehr Besucher, teilweise 50.000 bis zu 100.000 Menschen. Diese Besucher muss man natürlich auch dazuzählen. Hier, in Temeswar, waren auch schon einige Ausstellungen des DZM zu sehen. Wir kommen also auch zu den Besuchern, nicht nur die Besucher kommen zu uns, nach Ulm.

Wir haben Anfang des Jahres eine Befragung gemacht und festgestellt, dass mehr als die Hälfte unserer Besucher auf jeden Fall auch einen donauschwäbischen Hintergrund hat. Genauer gesagt, etwa zwei Drittel der Besucher haben einen biografischen Hintergrund, d. h. sie oder ihre Vorfahren kommen aus den Siedlungsgebieten der Donauschwaben, aus Ungarn, Rumänien, Serbien, usw. Oft sind es jetzt die nachfolgenden Generationen, die Enkel oder sogar Urenkel, die sich für die Geschichte ihrer Großeltern interessieren.

Das Museum ist in diesem Jahr volljährig geworden. Wie hat sich die Einrichtung im Laufe der Jahre entwickelt?

Es war ein langer Weg, wie jedes Kind sich auch entwickelt (lacht). Man lernt laufen, sprechen und so haben wir auch unseren Platz erkämpft. Wir sind jetzt tatsächlich erwachsen geworden und wir haben, glaube ich, einen ganz guten Ruf. Wir sind aber kein Massenmuseum, d. h. wir haben nicht Hunderttausende von Besuchern. Wir befassen uns mit einem Thema, das heute in Deutschland nicht unbedingt als erstes auf der Tagesordnung steht.

Aber wir vermitteln viel Information über die Geschichte der Donauländer. Wir beherbergen viele Veranstaltungen und wir haben uns zu einem Museum entwickelt, das nicht nur Objekte zeigt, sondern das Anliegen hat, etwas zu vermitteln. Wir machen eigentlich sehr viel mehr als ein normales Museum. Wir versuchen, die Geschichte und die Anliegen der deutschen Minderheit in den Siedlungsgebieten aktiv zu vermitteln.

Inwiefern ist die Geschichte der Donauschwaben schon komplett aufgearbeitet? Oder tauchen auch heute noch neue Erkenntnisse auf?

In den letzten zwei Jahrzehnten ist sehr viel geschehen, insbesondere in der wissenschaftlichen Forschung. Viele Publikationen wurden herausgebracht. Im November wird es eine neue Publikation geben, die vom Deutschen Kulturforum östliches Europa herausgegeben wird: Es handelt sich um „Donauschwaben. Deutsche Siedler in Südosteuropa“ von Gerhard Seewann und Michael Portmann, wozu wir die Bilder beigesteuert haben. Die Geschichte der Do-nauschwaben und der Banater Schwaben verstehen wir heute sehr viel besser, als es vor 20 Jahren noch der Fall war. Natürlich gibt es immer noch etwas zu erforschen, insbesondere im Bereich Familiengeschichte – das ist ein endloses Feld.

Eines der jüngsten Projekte des DZM ist das Projekt zur 300-jährigen Ansiedlungsgeschichte der Banater Berglanddeutschen. Welche Ziele verfolgt dieses Projekt?

Wir zeigen Ende November eine Ausstellung, die auch wandern und im nächsten Jahr auch nach Rumänien kommen wird. Sie zeigt die Geschichte der Industriearbeit der Deutschen im Banater Bergland. Diese Ausstellung übers Banater Bergland haben wir mit Hilfe des Museums des Banater Montangebiets aus Reschitza auf die Beine gestellt. Dort gibt es tolle Fotografien aus der Montanindustrie, die zu sehen sein werden. Wir haben mit dem Heimatverband der Banater Berglanddeutschen zusammengearbeitet. Der Verband hat die Texte geschrieben und wir haben das Layout gemacht, d. h. alles, was mit Ausstellungstechnik und -präsentation zu tun hat. Die Ausstellung „Glühender Stahl und rauchende Schlote. 300 Jahre Industriegeschichte des Banater Berglands“ wird am 29. November im DZM eröffnet.

Was unternimmt das DZM, um das jüngere Publikum heranzulocken?

Das ist eine große Herausforderung für uns. Wir denken schon lange darüber nach, dieses Museum, das vor 20 Jahren entstanden ist und ursprünglich als ein Ort gedacht war, an dem sich die Donauschwaben wiederfinden und ihre Geschichte entdecken können, neu aufzustellen. Im Laufe der Zeit und nach dem Aussterben der Erlebnisgeneration müssen wir uns auch anderen Themen zuwenden.

 

Wir werden unser Museum in den nächsten drei Jahren nochmal ganz neu aufbauen. Wir werden viele interaktive Elemente haben, Medien zeigen, wir werden auch Mitmachstationen haben und werden auch über die Zusammenhänge entlang der Donau sprechen, wir werden auch die Städte der Do-nauschwaben vorstellen, die in Deutschland unbekannt sind, und damit wollen wir auch ein jüngeres / anderes Publikum erreichen. Viele Mitmachaktionen, das ist unsere Perspektive.

 

Wie viele Events verzeichnet das Museum im Monat und was sind das für Ereignisse?


Ausstellungen zeigen, das machen alle Museen. Aber das reicht heutzutage nicht mehr. Wenn man in der Stadt präsent sein will, dann muss man viele Aktivitäten entfalten, man muss ein Ort der Begegnung und der Kommunikation sein und deswegen organisieren wir relativ viele Veranstaltungen. Wir hatten vor Kurzem die lange Kulturnacht, da hatten wir einen Langosch-Verkauf und ein Konzert im Museum. Wir veranstalten Lesungen mit Literatur aus den Donauländern oder im Bezug auf die Donauschwaben. So wird Anfang Oktober ein Krimi von Oliver Bottini vorgestellt, der im Banat spielt: „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“. Wir organisieren Vorträge, länderkundliche Informationsveranstaltungen, aber auch Feste, und das ist ein wichtiges Standbein, oft wichtiger als die Ausstellung.

 

Sie begleiten in diesen Tagen eine Delegation der Stadt Ulm durchs Banat. Was erhoffen Sie sich von diesem Aufenthalt?


Ich bin Teilnehmer der Patenschaftsdelegation der Stadt Ulm. Ich selbst bin jetzt hier, um Gespräche zu führen, u. a. mit der Leitung des Banater Nationalmuseums oder mit dem Demokratischen Forum der Deutschen. Ich möchte auch ausloten, was wir für Möglichkeiten im Temeswarer Kulturhauptstadtjahr 2021 auch in Deutschland haben.

 

Bis 2021 soll auch das Donauschwäbische Zentralmuseum einige Veränderungen erleben. Worin bestehen diese?


Wir werden einige Sachen neu aufstellen. Das kann ich aber auch als Aufruf richtig sagen: Wir wollen die Abteilung über die Stadtgeschichte neu gestalten und da sind wir auf der Suche nach Objekten, die mit Stadtkultur, bürgerlicher Kultur, mit dem Theater, mit dem „Sich zeigen“, u. Ä. zu tun hat. Wir suchen noch Exponate zu dieser Geschichte. Wir werden aber einiges auch ganz neu machen. Wir wollen einen Donaurundgang anbieten und über die Donaustädte Informationen vermitteln, auch über die Wasserqualität entlang der Donau, usw. Das sind Sachen, die unsere Besucher auch interessieren und damit wollen wir auch jüngeres Publikum ansprechen.

 

Welche sind die wichtigsten Ereignisse am DZM in der kommenden Zeit?


Wir haben am 29. September eine Ausstellung in der Martin-Luther-Kirche in Ulm veranstaltet – es handelt sich um die Ausstellung von Dr. Franz Metz, die auch schon im Banat zu sehen war, über die Geschichte der Banater Orgeln und Orgelbauer. Es gab auch ein Konzert und die Einnahmen gehen an den Förderverein der Mutter-Anna-Kirche in Sanktanna/Sântana, Kreis Arad, um die Restaurierungsmaßnahmen zu finanzieren.


Ein weiteres Projekt ist „Zeitzeugen erzählen“: Wir haben im vergangenen und in diesem Jahr Interviews mit Donauschwaben geführt – im Banat, in Serbien, in Ungarn. Es sind insgesamt 21 Interviews entstanden, diese wurden zu Themen zusammengeschnitten und das Projekt soll am 13. Oktober im DZM vorgestellt werden. Die Interviews werden im Internet, auf Youtube, zu sehen sein. Bei diesem Projekt geht es u. a. auch darum, wie junge Leute sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen. Es ist ein sehr wichtiges Projekt in diesem Herbst.