„Wirtschaftsspionage“ rund um insolventes Kupferbergwerk

DNA-Staatsanwaltschaft schickt drei rumänische Verantwortliche vor Gericht

Abraumlager des stillgelegten Erzanreicherungswerks SC Moldomin SA Moldova Nouă

Am 19. Oktober 2012 wurde auf dem Bukarester Internationalen Flughafen „Henry Coandă” ein russischer Staatsbürger wegen Industriespionage verhaftet. Der Inlandsgeheimdienst SRI hatte ihn unter Beobachtung gestellt und am Flughafen, vor dem Boarding, durch die Grenzpolizei einer eingehenden Leibesuntersuchung unterziehen lassen, bei der eine CD und Ausdrucke von Daten über das Kupfererzlager von Neumoldova/Moldova Nouă - Erzlagerstätte Hauptschacht zum Vorschein gebracht wurden. Die Bukarester Medien machten damals sehr viel Aufhebens rund um die ”russische Industriespionage in Rumänien” (die perfekt das Hassverhältnis vieler national gesinnter Rumänen zu Russland bediente, das auch von Präsident Băsescu gepflegt wird), die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA ließ durch ihre „Abteilung zur Bekämpfung von Straftaten, die mit Korruption assoziiert werden” mehrere rumänische Staatsbürger verhaften und nahm sie zeitweilig in Untersuchungshaft. Dieser Tage nun schickten die DNA-Staatsanwälte Iacob Chişărău, den Ex-Generaldirektor des Grubenunternehmens SC Moldomin SA Neumoldowa, Sorin Berchimiş, Ex-Generaldirektor des Entwurfsunternehmens für Bergbauliche Investitionen SC IPROMIN Bukarest und dessen ehemaligen Sicherheitschef, Gabriel Neamţu, vor Gericht. Die Anklage lautet im Falle von Chişărău und Berchimiş auf „direkte und indirekte Nutzung von Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren und das Erlauben des Zugangs nichtautorisierter Personen zu diesen Informationen”, im Falle des Ex-Sicherheitschefs von IPROMIN, Neamţu, auf „Favorisierung des Verbrechens und Unterschriftenfälschung”.

Hohes kriminelles Potenzial

Iacob Chişărău sitzt bereits seit Mai 2014 für vier Jahre im Gefängnis wegen des Verkehrsunfalls vom 6. Mai 2011 mit vier Opfern, Studenten der Temeswarer Universität, von denen er beim regelwidrigen Überholen auf der Eisenbahnüberführung vor Schag drei getötet und einen lebenslänglich zum Krüppel gefahren hatte (die ADZ berichtete mehrmals). Trotzdem schreiben die DNA-Staatsanwälte in ihrem Kommuniqué, die drei Beschuldigten würden „auf freiem Fuß – în stare de libertate – vor Gericht gestellt”... Zum Tathergang schreiben die Staatsanwälte im Anklagepapier: „Am 29.04. 2011 erlaubte der Beschuldigte Iacob Chişărău in seiner damaligen Eigenschaft als Generaldirektor der SC MOLDOMIN SA den Zugang der Vertreter der Handelsgesellschaft MINECO AG zu Dokumenten (zwecks Durchstudieren und Fotokopieren), welche Daten und geologische Informationen technischer Natur enthalten, die den Charakter klassifizierter Informationen haben.” „Klassifiziert” heißt im Jargon der rumänischen Sicherheitsdienste: „zur Geheimhaltung eingestuft”, Gegenteil: „deklassifiziert” bedeutet  „der Geheimhaltung nicht mehr unterworfen”.

Die DNA-Staatsanwaltschaft weiter in ihrem Anklagepapier: „Diese bei SC MOLDOMIN SA existierenden Informationen waren geologische Basisinformationen mit Bezug auf das Kupfererzlager Neumoldowa-Hauptschacht, die den Vertretern der betreffenden Firma zur Verfügung gestellt wurden, ohne die vorherige Genehmigung der kompetenten Autoritäten eingeholt zu haben.
Der Beschuldigte, Iacob Chişărău, hat die betreffenden klassifizierten Daten und Informationen den Vertretern der MINECO AG aus eigenem Interesse überlassen, weil ihm dafür eine Funktion in dieser Firma angeboten worden war, zumal die Moldomin SA zu jenem Zeitpunkt Insolvenz angemeldet hatte und das Firmenvermögen bereits zur Ausschreibung angeboten war. Für seine Dienstleistungen wurde der Beschuldigte von der MINECO AG belohnt durch seine unbefristete Anstellung, wobei ihm rund 2000 Lei/Monat in der Zeitspanne Dezember 2011 – April 2012 ausgezahlt wurden”, heißt es im Pressekommuniqué der DNA.

Fälschungen und Vordatierungen

In derselben DNA-Bekanntmachung heißt es: „Am 16. Oktober 2012 hat der Beschuldigte Berchimiş Sorin in seiner Eigenschaft als Generaldirektor der SC IPROMIN SA einem russischen Staatsbürger und Mitarbeiter der MINECO AG den Zugang zum Durchstudieren und Fotokopieren mehrerer Dokumente erlaubt, welche geologische Daten und Informationen technischer Natur enthalten und den Charakter klassifizierter oder vertraulicher Informationen haben, die sich auf die mineralischen Ressourcen beziehen, die in der Erzlagerstätte Neumoldowa enthalten sind. Das geschah ohne Autorisierung und/oder vorherige Genehmigung seitens kompetenter Autoritäten. Am 19. Oktober 2012 wurde der russische Staatsbürger auf dem Internationalen Flughafen „Henry Coandă” aufgehalten. Anlässlich der durchgeführten Leibesvisitation wurden die Dokumente entdeckt, die er vom Generaldiretor von SC IPROMIN SA, Sorin Berchimiş, sowohl elektronisch gespeichert (CD) als auch als Ausdruck auf Papier erhalten hatte.”
„Um die Nachforschungen in diesem Fall zu erschweren und die Strafanzeige zu vermeiden” habe der Beschuldigte Berchimiş Sorin zwei Dokumente genehmigt, eine Entscheidung über die Aufhebung der Geheimhaltung (vom 10. 09. 2012) und das Protokoll über die Deklassifizierung vom 17.09. 2012, die beide von Neamţu Gabriel gegengezeichnet sind, der sie auch konzipiert und aufs Papier gebracht hat. „Beide Papiere sind vordatiert und beide Unterzeichner haben das bewusst getan”, schreibt die DNA-Staatsanwaltschaft, „dadurch sind von den beiden  Nichtwahrheiten festgeschrieben worden, denn die offizielle Genehmigung zur Deklassifizierung wurde den beiden von den kompetenten Autoritäten erst am 04.04.2013 zugesandt.”

Was ist real, was ist konstruiert?

Im DNA-Kommuniqué wird noch unterstrichen, dass die Antikorruptionsstaatsanwälte bei ihren Nachforschungen vom Rumänischen Inlandsgeheimdienst SRI unterstützt wurden. Auch unterstreichen die Staatsanwälte in ihrem Kommuniqué, dass „diese Etappe des Strafprozesses nach den Regeln des Strafvollzugs die Beendigung der Strafuntersuchung und die Verschickung der Anklagepapiere an die Instanz zwecks Urteilsfindung bedeutet, was das Prinzip der Unschuldsvoraussetzung nicht brechen kann.” Sie bauen also eine, in solchen Fällen seltene, Vorsichtsklausel ein. Die MINECO AG ist die stärkste Bergbaukompanie Serbiens und hat ihren Hauptsitz in Maidanpek, wo seit dem 18. Jahrhundert die größten Kupferlagerstätten südlich des Donauengpasses Eisernes Tor/Djerdapp ausgebeutet werden – die übrigens im selben historischen Kontext entdeckt und geologisch prospektiert wurden, wie das Kupfererzlager von Neumoldowa: als Folge der Habsburgischen Eroberungen im 18. Jahrhundert auf dem südlichen Balkan. Aus dieser Zeit stammen auch die ältesten geologischen Karten dieser Lagerstätten, die bis weit ins 20. Jahrhundert den Schürf- und Prospektionsunternehmen (auch in kommunistischer Zeit) als dokumentarische Grundlage dienten. Diese kann man eigentlich in jedem guten Archiv aus der Habsburgerzeit problemlos einsehen. Nur in kommunistischer Zeit wurden sie als vertraulich, fallweise sogar als geheim betrachtet.

Die MINECO AG – eine Holding, die eigentlich sieben große Firmen umfasst – hat Vertretungen in Bukarest und Moskau und der „russische Wirtschaftsspion” (so seinerzeit die drauflosspekulierenden rumänischen Medien), der am Flughafen „Henry Coandă” gefasst wurde, war ein russischer Angestellter der MINECO AG. Wer also auch nur einiger-maßen über Hintergrundinformationen zur Frage des Bergbaus in den ehemals habsburgischen Gebieten Rumäniens und Serbiens verfügt, der muss in diesem Fall einiges an den Untersuchungen der Staatsanwälte unter Fragezeichen stellen. Zudem war das insolvente Kupfererzunternehmen Moldomin zu jener Zeit mit ziemlich umfassender Dokumentationsmappe für eine internationale Versteigerung ausgeschrieben und alle wichtigen Kupferproduzenten der Welt hatten Interesse angemeldet – auch an zusätzlichen Informationen ... Warum die Versteigerung letzt-endlich gescheitert ist, das ist bis heute weitgehend im Unklaren.
Man darf gespannt sein, wie die rumänischen Gerichte mit diesem Fall umgehen werden.