Wo die Donau die Südkarpaten durchbricht

Eine Erkundungs- und Begegnungsreise Ende September 2019 durch den Donauengpass beim Eisernen Tor (Teil III)

Der Eingang zu den Großen Kesseln (aus dem türkischen „Kasan“ – rum. „cazan“, dt. „Kessel“), früher einer der schwierigsten Abschnitte für die Schifffahrt. Fotos: Zoltán Pázmány

Das letzte der Riffe im Bett der Donau, das noch sichtbar ist: Der sagenumwobene Babacaia/Baba-Kaya-Felsen bei Coronini.

Über einen Bekannten des ADZ-Fotografen Zoltán Pázmány, der aus Dubova stammt, haben wir im heutigen Golf von Dubova unsere Übernachtungen gebucht. Das ist dort, wo früher die „Großen Kessel“ des Eisernen Tors ihren spezifischen ohrenbetäubenden Lärm entfesselten und wo die Schiffer nur mittels erfahrener Lotsen und mit viel Glück zwischen den Riffen und spitzen Felsen des Untergrunds, zwischen Wirbeln und Strudeln donauabwärts fahren konnten. Stromauf konnten Handelsschiffe ohnehin bis 1972 bloß mit Hilfe vom Ufer aus die Donau befahren, anfangs durch Menschen, später durch Zugtiere, die an Stricken zogen, ab dem Ende des 19. Jahrhunderts mittels Dampflokomotiven und durch einen speziell dafür gegrabenen Kanal am heute serbischen Donauufer, dem Sip. Davon gibt es viele Zeugnisse (zahlreiche Zeitungsberichte und diverse Fotoalben, u. a. von der Einweihung, als das „Drei-Königs-Treffen“ in Herkulesbad stattfand und man auf einem österreichisch-ungarischen Kriegsschiff der Donauflotte den Kanal einweihte). Heute, da ab 1968/69 alles rund 30 Meter unter dem Seespiegel des Donaustausees liegt, gibt es davon nur noch vereinzelt Spuren.

Generalfeldmarschall  Veterani und das Banat

Unsere Kontaktleute hatten uns mit einem Bootsbesitzer bekannt gemacht, der uns frühmorgens am nächsten Tag zu einigen Zielen bringen sollte, die von der Straße aus nicht erreichbar sind. Die erste Überraschung in Dubova ist, dass es kaum noch ein Fleckchen am Golfufer gibt, das nicht privatisiert wurde. Jetzt beklagen viele der Pensionsbetreiber, unisono mit den Anbietern von Bootsfahrten auf der Donau, dass ein architektonisches und Besitz-Chaos geschaffen wurde, das zunehmend die touristische Entwicklung des Raums behindert.

Superschmale einspurige Straßen – aber alle asphaltiert! –, verwinkelte Gässchen, überhoch gezogene Neubauten (der Baugrund ist teuflisch teuer), hässliche Fassaden, Raumaufteilung nach dem Prinzip, dass möglichst viele Übernachtungsgäste ins Gebäude passen müssen – keinerlei urbanistisches Konzept ist zu erkennen. Alle haben fließend Wasser – wohin allerdings das Schmutzwasser geleitet wird, konnten wir nicht ausmachen. Eine Kläranlage haben wir nirgends gesehen.

Um also am nächsten Morgen zum vereinbarten Treffpunkt mit dem Bootsfahrer zu gelangen, turnen wir über ein verludertes Gelände von ein paar Dutzend Quadratmetern, wo streckenweise Bauschutt abgelagert ist (uns scheint, dass diese Bauschuttablagerungen gar nicht ungern gesehen werden, denn mit ihnen wird beim Ausbau des Grundstücks vom Stauseerand durch Aufschüttung Land in Richtung Wasserfläche gewonnen). Am Seerand treten wir auf – wohl von Anglern – aus dem See gezogene Algenteppiche und wundern uns, nicht komplett in den Uferschlamm eingebrochen zu sein. Schließlich sitzen wir in einem Boot, das von einem Mercury-Motor angetrieben wird und brav seinem Bootsführer – vor allem aber den Anweisungen des Fotografen – folgt. 

Erstes Ziel: die Veterani-Höhle. Der Reporter, der die Höhle schon mehrmals und mit jeweils anderen Bootsführern besucht hat, musste sich die phantasievollsten Aussprachevarianten des Höhlennamens anhören: „veterani“ (Veteranen) oder „veteranilor“ (der Veteranen), was von krasser Unkenntnis der wahren Gegebenheiten zeugt. 

Die befestigte Höhle ist nämlich auf Befehl des österreichischen Generalfeldmarschalls Friedrich von Veterani (1650, Urbino – 1695, Lugosch im Banat) entstanden. Veterani war schon bei der zweiten Belagerung von Wien mit von ihm befehligten 1000 Kürassieren dabei, ebenso bei der Befreiung von Eperjes (slowakisch Prešov, deutsch Eperies oder Preschau) 1685, von Szegedin 1686, wurde in der Schlacht von Widin am Südufer der Donau 1689 verwundet, eroberte als Kavalleriegeneral die Festung Lippa 1691, tat sich als Verteidiger Siebenbürgens und des Banats gegen die Türken hervor, baute die Festungen Orschowa und Karansebesch aus (1692 – 94, aus dieser Zeit stammt die erste Karte von Karansebesch, auf der extra muros die Franziskanerkirche eingezeichnet ist, die als „erste christliche Kirche der orthodoxen Rumänen nördlich der Donau“ ausgegeben wurde…) und wurde in der Schlacht von Lugosch 1695 verwundet, von den Türken geköpft und sein Kopf Sultan Mustafa II als Trophäe präsentiert. Auf Befehl des Sultans wurde der 1694 von Kaiser Leopold I. zum Generalfeldmarschall beförderte Militärangehörige am selben Ort begraben, wo er gefallen war, vor Lugosch.

Veterani hatte während des Ausbaus der Festung Orschowa seinen Hauptmann d’Arnau ausgeschickt, die etwa neun Kilometer stromauf gelegene Piscabara-Höhle auf ihre Ausbaufähigkeit zum befestigten Stützpunkt zu studieren. Die Höhle, die oben einen interessanten Durchbruch hat, wo Tageslicht und gelegentlich die Sonne eindringt und wo eine Kanone aufgestellt wurde, bekam auch einen Brunnen und wurde für rund 400 Soldaten eingerichtet. Im März 1692 wurde sie von einer türkischen Donauflotte belagert. 45 Tage leisteten die Verteidiger Widerstand, laut Ortslegenden „waren Tausende Türken gefallen“. Schließlich mussten sich die 300 Soldaten der Besatzung der Priscabara-Höhle ergeben, nachdem ihnen freier Abzug zugesagt wurde. Daraufhin taufte man die Höhle zu Ehren Veteranis um in Veterani-Höhle.

Zu den pikanteren Legenden rund um die Veterani-Höhle gehört die neuere, es sei ein dakisches Heiligtum gewesen. Zur Sommersonnenwende, wenn die Sonne durch die Öffnung der Höhle auf eine bestimmte Stelle auf eine Anhöhe im Höhlenboden scheint, soll dort ein Altar gestanden haben, auf dem geopfert wurde. „Aber keine Menschen!“

Stephan Graf Széchenyi und die Donauklamm

Graf István Széchenyi (1791 – 1860) stammte aus dem ungarischen Hochadel. Sein Vater, Graf Ferenc Széchenyi, gilt als der Gründer des Ungarischen Nationalmuseums und der Ungarischen Nationalbibliothek, die auf seinen Schenkungen (von 1802) aufgebaut sind. Sein Onkel György, der Bruder seiner Mutter Julianna Festetics, ist der Gründer der ersten Agrarhochschule Ungarns (1797, des Georgikon von Keszthely am Balaton). István Széchenyi schlug zuerst eine Militärkarriere ein (als Rittmeister nahm er an der Völkerschlacht von Leipzig teil), um sich dann der Erneuerung Ungarns und seine Annäherung – geistig wie materiell – an Westeuropa zu widmen.

Der germanophile Széchenyi (seine Tagebücher sind vorwiegend deutsch geschrieben, er war strikt gegen den Sprachnationalismus von Lajos Kossuth und Konsorten, der später in den Zwangsmagyarisierungen ausartete) war mal Alliierter der Revolutionäre um Kossuth (Széchenyi war 1848 kurz Verkehrsminister der Regierung Lajós Batthányi), mal gegen sie und kaisertreu. Trotzdem nannte ihn Kossuth „der größte Ungar“.

István Széchenyi, der auch die Gründung des Ungarischen Nationaltheaters und des Nationalen Ungarischen Musikkonservatoriums anregte, war ein Förderer der Dampfschifffahrt und ein Initiator der Regulierungen an Theiß und Donau. Er baute die Kettenbrücke als erste Brücke zwischen Buda und Pest (heute: Széchenyi-Brücke, gebaut mit Unterstützung des Bankiers und Barons Georg Sina, demselben, der zu den Hauptaktionären der Staats-Eisenbahn-Gesellschaft gehörte, die die Banater Gewerke 1856 mit 180.000 Hektar Land, Forst, Gruben und Metallwerken im Banater Bergland aufkauften). Er beauftragte einen Wasserbau-Ingenieur (Pál Vásárhely) mit den Entwurfsarbeiten für einen Kanal durch die Rifflandschaft des Donaudurchbruchs, um die Schifffahrt sicher zu machen, gab aber, nach dessen Tod, das Projekt auf. Dafür ließ er eine Straße am linken Donauufer in den Fels sprengen, die Széchenyi-Straße, wofür ihm nach seinem Tod eine marmorne Gedenktafel gewidmet wurde.

Diese ist Anfang der 1990er Jahre von rumänischen Nationalisten des Funar-Flügels zertrümmert worden. 2017 hat ein ungarischer Ingenieurverein eine neue Tafel zwischen Flusskilometer 973 und 974 an einem Fels angebracht, wo sie nur schwerlich wieder ohne Zeugen zerstört werden kann. Übrigens ist die Donau etwa auf der Höhe der Széchenyi-Gedenktafel rund 60 Meter tief. Die hiesige Donaulandschaft der Zeit, als die Széchenyi-Straße entstand, wird von Alexander F. Heksch 1880 (in Originalorthografie) so beschrieben: „Als das akustische Signal (…) wird das Getöse des Wassers heraufbeschworen, das, konkret wie im übertragenen Sinne, jede menschliche Rede verstummen lässt.

Die Donau wird hier auf beiden Seiten von hohen Felsen eingefaßt, welche Ausläufer der Karpathen und des Balkan sind; aber nicht bloß am Ufer ragen diese Klippen empor, sondern sie finden sich auch überall im Flusse selbst und veranlassen gefährliche Wirbel. Durch dieselben theilt sich hier die Donau in drei Arme oder Canäle, von denen der in der Mitte der breiteste ist, jedoch wie die beiden anderen viele Untiefen darbietet. Der Strom ist so reißend, daß man zwei deutsche Meilen (1 deutsche Meile sind 7532,5 Meter – wk) auf die Stunde rechnet, und die Schiffer können nur mit der äußersten Vorsicht durch die vielen engen Gänge und Felsen hindurch steuern, zumal das Tosen der Wellen so stark ist, daß es fast unmöglich wird, ein gesprochenes Wort zu verstehen. Die Türken nennen diese ganze Enge Demirkapi (das Eiserne Thor), sie ist beinahe eine Stunde lang, und selbst wenn man glücklich über die vielen Wirbel des Prigrada-Riffes hinaus ist (vor der Insel Bamil befinden sich allein deren 23 Riffe), hat man noch eine ziemliche Strecke durch Felsen zu passieren, welche indessen nicht mehr so gefahrbringend sind.“ („Die Donau von ihrem Ursprung bis an die Mündung. Eine Schilderung von Land und Leuten des Donaugebietes“. Mit 200 Illustrationen und einer Karte. Wien, Pest, Leipzig: Hartleben 1881)

Das Ringen um Schiffbarmachung

Die Römer, die sich schon ziemlich früh am rechten Ufer der Donau auf dem gesamten Balkan festgesetzt hatten, nannten die Donau den „Nassen Limes“. Ihre Nordgrenze bewachten sie von Patrouillenbooten aus (navis iusoria) und vom „Trajanssteg“, dem in den Fels gehauenen Patrouillensteg der Legionen, der mittels zehn Marmortafeln an den Initiator und wichtigsten Förderer dieser Art Grenzwacht, an Kaiser Trajanus, erinnerte: „Caesar, der Imperator, der Sohn des göttlichen Nerva, Nerva Traianus Augustus Germanicus, Oberster Priester, mit der IV. Investitur eines Tribuns, Vater des Vaterlands, zum III. Mal Konsul, hat, indem er die Berge durchbrach entlang des Stroms, diesen Weg geschaffen…“. So lautet in ungefährer Übersetzung der Text. Der Römersteg liegt heute unter dem Spiegel des Donaustausees (nur die Trajanstafel wurde höher angebracht). Er war rund 25 Kilometer lang, schätzen Experten.

Schiffbarmachungsversuche des Donaudurchbruchs gab es ab dem 15. Jahrhundert. Den ersten wirklichen Erfolg gab es 1896, nachdem rund 650.000 Kubikmeter Fels weggesprengt und ein Kanal im Strombett geschaffen wurde. All das, nachdem erst mal durch aufeinanderfolgende Verträge die internationalen politischen Vo-raussetzungen dazu geschaffen waren. Endgültig schiffbar, durch Schleusen an beiden Ufern, ist die Donau aber erst seit dem Bau des Wasserkraftwerks Eisernes Tor I (1968 – 1971).

(Fortsetzung am nächsten Samstag)