Wohin mit den abgelaufenen Medikamenten?

Die Entsorgung von Arzneimitteln ist in Rumänien nicht wirklich geregelt

Jährlich landen in Rumänien rund 1500 Tonnen Medikamente auf Mülldeponien oder in der Kanalisation. Foto: die Verfasserin

Wer kennt das nicht? Ab und an muss man zur Schachtel greifen, in der man Medikamente aufbewahrt, um einen Hustensirup, eine Schmerztablette oder vielleicht Augentropfen zu nehmen, und sieht, dass manche Produkte abgelaufen sind. Man wirft sie in den Müll oder in die Toilette oder Spüle und damit hat sich die Sache. Man hofft auf die baldige Genesung und zerbricht sich nicht weiter den Kopf darüber, was mit den unbenutzbar gewordenen Heilmitteln geschieht. Dabei steht doch in jeder Packungsbeilage: „Entsorgen Sie das Arzneimittel nicht im Abwasser oder Haushaltsabfall. Fragen Sie Ihren Apotheker, wie das Arzneimittel zu entsorgen ist, wenn Sie es nicht mehr verwenden. Sie tragen damit zum Schutz der Umwelt bei“.

Ein Teil der Apotheken in Rumänien bietet die Rücknahme von Medikamenten, die Patienten aus ihrem Haushalt bringen und umweltbewusst entsorgen wollen, auf freiwilliger Basis an. Es ist allerdings ein winziger Teil. Die meisten Apotheken in Rumänien jedoch verweigern das. Viele Pharmazeuten wissen selber nicht, wohin mit den Produkten, andere raten das Entsorgen im Müll oder der Kanalisation, andere erklären die komplizierte Situation der Entsorgung dieses gefährlichen Abfalls im Land. In all diesen Fällen bleibt der Patient mit den Medikamenten und weiß nicht weiter.

Für jene, die sich diese Frage noch nicht gestellt haben: Abgelaufene verschreibungspflichtige und freiverkäufliche Heilmittel wie z. B. Tabletten, Pillen, Tropfen, Zäpfchen, Sprays, Spritzen, Verbandsmaterial sowie jene Mittel, die vom Markt zurückgezogen wurden, aber in den Haushalten noch vorhanden sind, und Medikamente, die man nicht mehr benutzt, weil man gesund geworden ist, müssen gesetzesgemäß umweltbewusst vernichtet werden. Gesetzlich gilt das allerdings nur für Produkte, die in Apotheken oder Depots gelagert sind und vertraglich von einer spezialisierten Firma abgeholt, unter sicheren Bedingungen transportiert und bei einer Temperatur von 850 Grad verbrannt werden müssen. Durch diesen Prozess werden die Arzneiwirkstoffe zerstört oder inaktiviert und können nicht mehr in unsere Umwelt gelangen.
Wenn sie nicht entsprechend entsorgt werden, können die Chemikalien, die sonst Krankheiten lindern und heilen, unerwünschte Effekte und auf lange Sicht Schaden anrichten. Auf der Mülldeponie können die Verpackungen mit der Zeit durch die Wettereinwirkungen beschädigt werden und die Substanzen gelangen durch das Regenwasser in den Boden, wenn die Deponie nicht ökologisch ist, was in Rumänien für mehr als 50 Prozent der Fälle gilt. So gelangen die Substanzen in das Grundwasser.
Auch mit dem Abwasser gelangen die Inhaltsstoffe in die Kläranlagen, wo sie nicht zurückgehalten oder vollständig abgebaut werden. Somit werden Bäche, Flüsse und Seen, über mögliche landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen auch Böden belastet. Das hat Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen und schließlich über die Nahrungsmittel auf den Menschen. Auch besteht ein hohes Erkrankungsrisiko für einen Großteil der Bevölkerung, der unbehandeltes Wasser aus Brunnen konsumiert. Eine weitere Auswirkung ist der erhöhte Widerstand gegen Antibiotika, ein weit verbreitetes Phänomen in Europa und insbesondere in Rumänien.

Schätzungen zufolge gelangen in Rumänien jährlich 1500 Tonnen Medikamente auf Mülldeponien oder in die Kanalisation.
„Das Gesetz ist unvollständig, bezieht sich nur auf die Medikamente aus den Pharmaunternehmen, nicht auf die aus Haushalten“, erklärt Valentina Soroceanu, Leiterin des Rumänischen Apothekerverbands. „Wir können die Apotheker nicht dazu verpflichten, diese anzunehmen und auf eigene Kosten zerstören zu lassen, das ist sehr teuer“, meint sie. Zudem müssen Medikamente per Protokoll angenommen und in besonderen Behältern oder Tüten in den Arbeitsräumen der Apotheke aufbewahrt werden. „Das kann umständlich aber auch gefährlich für die Apotheker werden. Erstens weil die Angestellten Formulare ausfüllen müssen, mit Ablaufdatum, eventuell Kassenbon – das nimmt Zeit. Und wir wissen nicht, unter welchen Umständen die Medikamente im Haushalt aufbewahrt wurden, manche Leute kommen mit Arzneimitteln, die schon seit 10 Jahren abgelaufen oder verschimmelt sind, andere haben sie im Keller oder neben dem Ofen aufbewahrt, andere wie-derum bringen Watte mit Blut, die sie nach Spritzen benutzt haben, oder abgebrochene Zäpfchen – diese können allerhand Erreger oder Mikroorganismen entwickelt haben. Wir bekommen auch Mittel zur Behandlung von Krebs (Zytostatika), die auf gesonderte Weise entsorgt werden müssen. Da besteht eine Bedrohung für die Gesundheit des Apothekers“, sagt Mirela Zamfirescu, Leiterin des Kronstädter Apothekerverbands. „Wenn ein Apotheker infizierte abgelaufene Medikamente anfasst und danach Medikamente für Sie oder Ihre Kinder verkaufen würde, wäre das ganz und gar nicht in Ordnung“, sagt sie.

Eine Lösung für diese alarmierende Situation sind Informations-, Sensibilisierungs- und Erziehungskampagnen für Bürger, die somit erfahren können, wie sie abgelaufene Medikamente zu entsorgen haben.
Der Apothekerverband in Kronstadt hat im vergangenen Oktober eine erste derartige Pilotkampagne durchgeführt. In sechs Zelten haben freiwillige Apotheker zwei Tage lang nicht mehr brauchbare Medikamente von den Bürgern in speziellen Sammelbehältern eingesammelt. Eine Fachfirma hat die rund 530 Kilogramm gesammelten Produkte kostenlos vernichtet. „Wir hoffen, dass das Gesetz verbessert wird und klare Regelungen angegeben werden und dass sich die Behörden und Institutionen implizieren“, sagt Zamfirescu.

Der Rumänische Apothekerverband hat das Umwelt- sowie das Gesundheitsministerium angeschrieben, um gemeinsam ein klares, wirkungsvolles und umweltfreundliches Gesetz zu entwickeln, doch warte man noch auf eine Antwort. Die USR-Partei hat eine Gesetzesinitiative im Parlament eingereicht, die sich auf die Notwendigkeit der Rückgabe abgelaufener Medikamente in Apotheken und auf die Sicherung der Finanzierung der ökologischen Neutralisation bezieht.
In anderen europäischen Ländern ist das umweltbewusste Entsorgen der Medikamente leicht gemacht. Auch wenn es in Deutschland beispielsweise keine einheitliche Regelung zur Entsorgung von Medikamenten und Arzneimitteln gibt, findet der Bürger auf Webseiten wie www.arzneimittelentsorgung.de Anleitungen, wie richtig zu handeln ist, um Umwelt und Gewässer nachhaltig zu schützen und die Wirksamkeit von Medikamenten zu erhalten. Per Mouse-klick kann man erfahren, wie und wo in jedem Bundesland, in jeder Stadt und sogar Ortschaft diese entsorgt werden können: Entsorgung über Hausmüll, Schadstoffmobile, Recyclinghöfe oder über Apotheken.
Bis auch in Rumänien ein effizientes, komplettes Gesetz in diesem Bereich erlassen wird und die Menschen ein Bewusstsein in diesem Bereich entwickeln, kann jeder von uns Arzneimittel, die er nicht mehr benützt, zu Hause, für Unbefugte und Kinder unzugänglich, aufbewahren. Das Problem wird hoffentlich in naher Zukunft gelöst werden!