WORT ZUM SONNTAG: Eine Straße weit

Liebe Leser,
Im Predigttext für den vergangenen Sonntag (Apostelgeschichte 12,1-12) wird berichtet, wie Petrus auf wundersame Weise aus der Gefangenschaft herausgeführt und „eine Straße weit“ von dem rettenden Engel begleitet wird. Der Apostel ist im Gefolge einer Aktion gegen die Christen verhaftet worden und soll nach dem Fest der Ungesäuerten Brote dem Mob vorgeworfen werden. Herodes hat Jakobus mit dem Schwert töten lassen, und, weil er merkt, „dass es den Juden gefiel“, macht er weiter. Panem et circenses? Werbung für die eigene Person? „Ich kann das – und ich tue es für euch!“ Den Leuten Sand in die Augen streuen und ablenken auf jede nur mögliche Weise von dem, was ärgert und bedrückt, zu dem was Luft macht und Sündenböcke präsentiert – „es geschieht nichts Neues unter der Sonne“ (Prediger 1,9). Täglich erleben wir es, und wenn es nicht zum Heulen wäre, würden wir lachen wie über den alten Witz, wo ein Kommunist in der Parteisitzung in etwa sagt: „Genossen, so geht es nicht weiter. Wir müssen für unsere Misserfolge auch Verantwortung übernehmen und Selbstkritik üben. Und damit ihr wisst, wie das gemacht wir, fange ich selber damit an und bekenne: Die anderen sind schuld“.

Petrus ist so ein anderer, er vertritt sogar einen noch ganz anderen, in dessen Namen er den Menschen Mut zuspricht, ihnen hilft und auf dessen Straße er sie führen will. Dieser andere, auch wenn er gesagt hat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18,36) ist der, vor dem Herodes sich fürchtet, den er unbedingt beseitigen will. Auch wenn er nicht an Auferstehung glaubt, auch wenn Jesus für seine Begriffe tot ist.

Auf wundersame Art, ähnlich wie Paulus in Philippi, aber dann doch ganz anders, wird jedoch Petrus gerettet. Niemand bekommt etwas mit, auch er selbst meint, es sei nur ein Tagtraum. Ich selber weiß – Gott sei Dank war ich nur im Auftrag da – wie es ist, wenn das große eiserne Tor des Gefängnisses sich auftut und hinter einem schließt. Wie froh man ist, wenn man wieder draußen ist. Aber was fangen wir mit der Freiheit an, solange wir sie haben? Was, wenn wir sie zurückbekommen? Bei Petrus ist es klar. Der Weg, den ihm Jesus gezeigt hat, ist noch nicht zu Ende. Er wartet weiterhin auf ihn. Dafür hat ihn der Engel herausgeholt. Er ist – so wie wir – frei, zu tun was er will, und doch...

Paulus schreibt: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Galater 5,1), „zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“  (Römer 8,21). Wenn man am Nordpol steht, ist jeder Schritt – egal in welche Richtung – ein Schritt nach Süden. Wenn wir der Sünde, dem Bösen, den Rücken wenden, ist jede Straße, die wir gehen, eine, die uns Jesus entlangführt. So lasst uns auch singen und sagen, wie im Lied 185: „Im Frieden dein, o Herre mein, lass ziehn mich deine Straßen“.