WORT ZUM SONNTAG: Gott segne unseren gemeinsamen Weg

Liebe Leserinnen und Leser,

laut dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen gab es im Jahr 2017 weltweit über 68 Millionen Flüchtlinge, davon 40 Millionen Binnenflüchtlinge, also Menschen, die innerhalb des eigenen Landes vertrieben wurden. Fünf Jahre vorher waren es noch 45 Millionen, davon 28 Millionen Binnenflüchtlinge. Doch die Menschheit war schon immer in Bewegung, denken wir nur an die ersten Menschen, die sich, laut Wissenschaft, aus dem Herzen Afrikas über Europa und Asien und dann Amerika ausgebreitet haben, wobei jede Gruppe eine andere Entwicklung durchgemacht hat.

In Siebenbürgen hatten sich Menschen im 12. und 13. Jahrhundert aus Mitteleuropa zusammengefunden, die in dieser Gegend durch ihre Sprache, Glauben und Traditionen zur Gruppe der Siebenbürger Sachsen zusammengeschmolzen sind. Im 18. Jahrhundert kamen aus Österreich die Landler hinzu. Heute leben nach den Ereignissen im 20. Jahrhundert nur noch rund 10.000 Menschen dieser Gruppen in Siebenbürgen. In unserer Zeit klopfen aus unterschiedlichen Gründen, sei es aus Angst vor Krieg, um einer Hungersnot zu entfliehen oder dem Wunsch nach einem besseren Leben, Millionen von Menschen aus dem Osten und Süden an die Tore Europas. Wenn wir die Bilder von Menschen, die sich ein besseres Leben in den USA wünschen und verzweifelt die Grenzen der Länder in Südamerika stürmen, in den Medien ansehen, können wir vielleicht verstehen, wozu der menschliche Überlebenswille führen kann.

Die Menschheit war, ist und wird auch in Zukunft immer in Bewegung sein. Daran erinnert auch der für den 3. Sonntag nach Epiphanias empfohlene Predigttext aus dem Buch Rut – er beginnt mit den Worten: „Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen.“ In Moab fand ein Prozess der erfolgreichen Integration statt, beide Söhne heiraten Moabiterinnen. Eines Tages erfährt aber Naomi, die Mutter der inzwischen verstorbenen Söhne, dass die Not in Bethlehem vorüber war, „dass der Herr sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte“ (Rut 1,6). Sie beschließt, in Begleitung ihrer Schwiegertöchter zurückzukehren. Sie bekommt jedoch Gewissensbisse. Ist es gut, dass die beiden Frauen mit ihr mitkommen, dass sie Vertrautes für eine unsichere Zukunft aufgeben? Sie selbst kannte ja Bethlehem, doch für Rut und Orpa, die beiden Schwiegertöchter, war die Stadt mit ihren Menschen, der Sprache und den Traditionen fremd. Dem nun sich entfaltenden Gespräch widmet die Bibel mehrere Verse. Wir lesen über die beiden Frauen: „Da erhoben sie ihre Stimmen und weinten“ (V.9). Das Weinen, ein Zeichen der inneren Bewegtheit, der Trauer, der Zerrissenheit, der Angst vor dem Ungewissen. Und ich denke mir: Wie viele Tränen sind geflossen, als die Siebenbürger Sachsen die Orte, die ihren Vorfahren und ihnen fast ein Jahrtausend zur Heimat geworden waren, aus welchen Gründen auch immer, verließen, um in die alte, neue Heimat zurückzukehren oder eine solche in weiten Ländern zu suchen? 

In unserer Geschichte geschieht etwas, was uns zum Spiegelbild werden könnte: Orpa kehrt nach Moab zurück und Rut folgt Naomi nach Bethlehem. Naomi respektiert beide Entscheidungen und hat Verständnis für beide, denn sie möchte, dass beide glücklich werden. Und die Geschichte findet ein gutes Ende: Rut wird zur Urgroßmutter Davids, aus dessen Geschlecht Josef stammt und damit besteht eine Verwandtschaft zu Jesus. So wirkt Gott bei Rut, so wirkt er über Generationen hinweg bis hinein auch in unser Leben – wenn wir uns ihm anvertrauen und wir unsere Zuversicht auf ihn setzen. Wir müssen vielleicht mehrere Jahre darauf warten um rückblickend zu erkennen, dass Gott meistens leise in unser Leben einwirkt. 

Gott segne unseren gemeinsamen Weg, den wir im Licht, das uns aus Bethlehem strahlt, gehen dürfen. Amen.