WORT ZUM SONNTAG: Perspektive „Ewigkeit“

„Berge mögen einstürzen und Hügel wanken, aber meine Liebe zu dir wird nie erschüttert, und mein Friedensbund mit dir wird niemals wanken. Das verspreche ich, der Herr, der dich liebt!“

(Hoffnung für alle-Bibel, Jesaja 54,10)

Liebe Leserinnen und Leser,
wir, die Rumäniendeutschen, machen seit einigen Jahrzehnten eine tragische Erfahrung: Die Heimat geht uns verloren. Zuerst begann es schleichend, dann ging es immer schneller. Heimat als Landschaft, Heimat als Kultur, Heimat als Sprache, Heimat als Gemeinschaft – heute lebt wohl fast jeder aus der Erlebnisgeneration mit diesem unwiederbringlichen und darum schmerzlichen Verlust. Es tut weh, der Heimat den Rücken zu kehren. Noch schmerzlicher ist es jedoch, die Heimat aus unmittelbarer Nähe sterben zu sehen. Kirchen und Burgen fallen ein, getragene und tragende Bräuche versinken in Vergessenheit, herzhafte Mundarten sterben aus, jahrhundertelang Gefügtes wankt und bricht zusammen; nur persönlicher, individueller Verlust kann schmerzlicher sein. Über all diesen verloren gehenden lebensbestimmenden Werten scheint jedoch, unbemerkt, ein weiterer Verlust zu stehen: Die himmlische Heimat.

Natürlich ist die himmlische Heimat nicht an und für sich verloren. Wir fragen hier nach dem Bewusstsein in diese Richtung. Wie wichtig ist uns, gerade angesichts der Heimat-Tragik, die Perspektive „Ewigkeit“ geblieben? Sehen wir darin einen letztendlichen Trost angesichts der Vergänglichkeit dieser Welt? Oder, ganz im Gegenteil, resignieren wir in jeder Hinsicht? Oder versuchen wir, aus dem Bewusstsein einer zukünftigen himmlischen Heimat heraus die hiesige neu zu definieren? Oder handeln wir in diese Richtung ohne die Perspektive „Ewigkeit“?
Beispielhaft stellen sich diese Fragen über unseren lokalen Kontext hinaus ganz allgemein für uns heutige Europäer. Welche Perspektive legen wir in dem komplexen Prozess der Neuschaffung des „alten Europa“ an? Eindeutig ist, dass im Mittelpunkt des Konzeptes der Mensch steht. Wir Menschen sind die Wollenden und die Handelnden. Wir Menschen sind gleichzeitig Ausgangspunkt und Ziel. Wir Menschen versuchen Wohlstand zu schaffen, Gerechtigkeit und Frieden zu erhalten, und die natürliche Umwelt zu bewahren. Wir versuchen es mit der schönen Perspektive „neues Europa“.

Was dabei jedoch immer wieder ausgeblendet bleibt, ist die Frage nach den zu bringenden Opfern. Eine unangenehme wie unweigerliche Frage. Denn sie stellt sich spätestens in Zeiten der Krise sehr deutlich. Wir erleben, wie Krisen weite Opferkreise ziehen, weltweite. Wir sehen, wie Wohlstand hier Armut und Zerstörung dort bedeutet. Wobei „hier“ und „dort“ relativ zu betrachten sind, sowohl geografisch als auch sozial. Und wir wissen, dass große Unterschiede irgendwann einen Ausgleich hervorrufen, der alles verändert. Von daher bleibt das Wort des Propheten seit 2500 Jahren Realität: „Berge mögen einstürzen und Hügel wanken“.
Doch was dann? Wenn trotz aller Bemühungen Bisheriges einstürzt und unwiederbringlich verloren geht? Tragische Verluste treffen sowohl Gemeinschaften als auch jeden Einzelnen. Der gleiche Prophet findet eine Möglichkeit, der Tragik zu entfliehen. Er setzt die Perspektive „Ewigkeit“ an: „Aber meine Liebe zu dir wird nie erschüttert, und mein Friedensbund mit dir wird niemals wanken. Das verspreche ich, der Herr, der dich liebt!“ Zuerst galt diese Perspektive nur dem Volk Israel. Sie erfüllte sich damals, nach der Babylonischen Gefangenschaft, und bis heute wiederholt. Perspektivisch blieb es jedoch eine irdische Option.

Für die ganze Menschheit und als himmlische Option eröffnete Jesus Christus vor 2000 Jahren die Perspektive „Ewigkeit“. Seit damals sind wir eingeladen, in aller und trotz aller Tragik dieser Welt sein Opfer anzunehmen um damit der ewigen Liebe Gottes gewiss zu sein.