WORT ZUM SONNTAG: Seid wachsam

Im 7. Jahrhundert vor Christus brach zwischen Sparta und Messenien ein Krieg aus. Er dauerte fünfzehn Jahre. Die Spartaner hatten das ganze Flachland erobert, doch die Bergfestung Lira leistete erfolgreichen Widerstand. Sollte der Sieg endgültig werden, musste diese Schutz- und Trutzfestung der Messener bezwungen werde. Jahrelang belagerten die Spartaner diese Festung ergebnislos. Da kam ihnen eine stürmische, regenreiche Nacht zu Hilfe. Die Wachtposten auf den Zinnen der Festung glaubten, bei solch einem Hundewetter drohe keine Gefahr. Sie verließen ihre Posten und suchten in den unteren Räumen der Festung Schutz vor dem unwirtlichen Wetter. Ein kriegsmüder Messener nützte diese günstige Gelegenheit aus und floh zu den Spartanern. Dort verriet er, dass diese Festung jetzt unbewacht sei. Sofort brachen die Spartaner mit Sturmleitern auf, erstiegen die Mauern der unbewachten Festung, überraschten die schlafenden Verteidiger und überwanden sie. Damit war der spartanische Sieg endgültig. Jahrelang hatten die Messener ihre Festung mit großer Tapferkeit erfolgreich verteidigt. Es genügten einige Stunden der Unachtsamkeit und Sorglosigkeit, um alles zu verlieren.

Vor diesem anschaulichen Hintergrund begreifen wir die Worte Christi im Matthäusevangelium besser: „Seid wachsam!“ Nur sind wir der irrigen Meinung, dass diese Worte uns nichts angehen. Wir sind keine Wachtposten, haben keine Festung zu verteidigen und weit und breit ist kein Feind im Anzug. Wozu also diese Mahnung: „Seid wachsam!“ Sie ist keine Aufforderung, durch Wachen den leiblichen Schlaf fernzuhalten. Es geht hier um weit Wichtigeres. Wir werden so leicht Opfer unserer Illusionen und Wunschträume. Wer darinnen lebt, ist geistig nicht wach. Viele träumen vom großen Glück. Dabei erwarten sie das Heil nicht von Gott, sondern von der Welt. Sie sperren sich oft geradezu in einen Traumkäfig ein und übersehen dabei die Wirklichkeit. 

In der „braunen Zeit“ wurde uns die Illusion beigebracht, dass wir zur Herrenrasse gehören und vom Schicksal dazu ausersehen seien, über die minderrassigen Völker zu herrschen. Viele, vor allem junge Menschen, ließen sich von diesem Herrschaftstraum einlullen. Sie kehrten Gott und der Kirche den Rücken. Bald aber kam das böse Erwachen. Gleich darauf brachte man uns die „rote Illusion“ bei: Unser Heil sei die klassenlose Gesellschaft. Der Schlüssel zum künftigen Heil hieß: „Jedem nach seinen Bedürfnissen!“ Viele erlagen auch diesem Traum. Die Arbeiter wurden bald durch so viele Mängel wach, die Satten durch die Schüsse der Volkserhebung. Sind wir, nach diesen erlebten irrigen Träumen und Illusionen, nun wirklich wach? Viele träumen heute noch intensiver als je zuvor. Sie träumen von der Wohlstandsgesellschaft und vom Konsumparadies. Wird der Konsum ihnen das heißersehnte Heil bringen? Es ist genau so eine Illusion wie alle anderen. Auf sie trifft das Wort der „Geheimen“ Offenbarung zu: „Du behauptest: Ich bin reich und wohlhabend. Nichts fehlt mir! Du weißt aber nicht, dass gerade du elend und erbärmlich bist, blind und nackt!“

Dann gibt es die Gruppe der Alkoholsüchtigen und Rauschgiftkonsumierer. Sie erwarten das Heil buchstäblich vom Rausch. Die Porno-Leute suggerieren der Jugend die Illusion, der Geschlechtsleib sei die Quelle des Heils. Alles Träume, die nie in Erfüllung gehen werden.
Wenn wir unser ganzes Leben solchen Illusionen nachlaufen, wenn wir unser Heil im „Mammon“ suchen, wie wird am Ende das Erwachen sein? - Ein Indianer fuhr mit seinem Kahn auf dem Sankt-Lorenz-Strom. Dabei schlief er ein. Der Kahn näherte sich den Niagarafällen. Selbst das Getöse des Wasserfalls weckte den Indianer nicht auf. Die Strömung riss ihn in den Abgrund. – Beherzigen wir die Mahnung Christi: „Seid wachsam!“ Wir sind dann hellwach, wenn wir unser Heil nicht von dieser vergänglichen Welt und ihren Gütern erwarten, sondern allein von Gott, dem Herrn dieser Welt. Der wache Christ lebt nach dem letzten Wort in der Bibel. Es lautet: „Komm, Herr Jesus!“