WORT ZUM SONNTAG: Türme der Orientierung

Die hl. Helena, die Mutter Constantins des Großen, war nach Jerusalem gepilgert. Diese Pilgerreise entfachte in ihrem Herzen eine große Liebe zu den Stätten, an denen Christus gelehrt, gelitten und uns erlöst hat. Sie ermunterte die Gläubigen des Reiches, ebenfalls Pilgerreisen in das Heilige Land anzutreten. Doch da waren große Hindernisse: Es gab kaum Straßen und schon gar keine Orientierungstafeln am Wegrand. Diesen Hindernissen suchte sie abzuhelfen. Sie ließ entlang der Strecke Türme erbauen, auf denen zur Nachtzeit Leuchtfeuer brannten. Sie sollten den Pilgern den rechten Weg anzeigen.

Auch wir sind auf der Pilgerreise in das ewige Reich Gottes. Damit wir Irrwege vermeiden, stellt Christus an unseren Lebensweg als Wegweiser nicht steinerne Türme, sondern glaubensstarke Christen. Sie sollen uns mit ihrem glaubensstarken Leben ermutigen, dass auch wir auf diesem Weg bleiben. Es sind dies Menschen, die wir als Heilige verehren. Sie sollen mit ihrem Beispiel in uns den Wunsch erwecken, wie das beim hl. Ignatius von Loyola geschehen ist: „Wenn diese es konnten, warum soll ich das nicht können?“ Das Fest „Allerheiligen“ ermuntert uns dazu, sie als „Orientierungstürme“ anzusehen. Ist die Verehrung der Heiligen etwas Unangebrachtes? In uns Menschen lebt doch der Drang nach Heldenverehrung. Junge Menschen verehren Sportgrößen, Filmstars und Schlagersänger. Sie hängen ihre Bilder im Zimmer auf und tragen ähnliche Kleider oder Frisuren wie ihre hochverehrten Stars. Königen, Feldherren, Wissenschaftsgrößen und Nobelpreisträgern werden Denkmäler errichtet.

In New York tat sich nach dem Tode des großen Tenorsängers Enrico Caruso (1873-1921) eine Schar von Verehrern zusammen und stiftete eine tausend Pfund schwere Riesenkerze, die 100.000 Stunden Brenndauer besitzt. Die Kerze soll jedes Jahr am Todestag des Sängers einen Tag lang brennen, sodass sie ihren Dienst rund 6000 Jahre lang versehen könnte. Das ist ein Beispiel moderner „Heiligen“-Verehrung. Um wie viel mehr verdienen es die Glaubenshelden, als Vorbilder betrachtet und, nach Kräften, nachgeahmt zu werden.

Der dänische Dichter Johannes Jörgensen berichtet von der schönen Sitte in Rom, vor Heiligenbildern Votivlämpchen anzuzünden. Daran knüpft er die Bemerkung: „Es ist nicht gleichgültig, vor welchem Bild deine Lampe brennt!“ Der französische Schriftsteller Jean Baptiste Henri Lacordaire erklärte: „Wenn man über irgend etwas Menschlichem Altäre errichten dürfte, würde ich lieber die Asche großer Herzen verehren als die Asche großer Genies!“

Was sollen wir von den Glaubenshelden lernen? Ein Mann hatte einen seltsamen Traum: Er ging, mit Gepäck schwer beladen, in einem unübersehbaren Zug von schleppenden und keuchenden Menschen auf einer Landstraße, die sich endlos in die Länge zog. Er fragte einen Mitreisenden, wohin die Reise gehe. Die Antwort war: „Ins Reich der Liebe Gottes!“ Sie erreichten eine riesige Mauer, hinter der sich das Reich der Liebe Gottes befinde. Mit ihrem Gepäck beladen, suchten die Reisenden die Mauer zu übersteigen. Es gelang ihnen nicht. Das Gepäck war zu schwer. Einige ließen aber das Gepäck zurück, erstiegen mit Leichtigkeit die große Mauer und gelangten in das Reich der Liebe Gottes. Der Mann erwachte und es wurde ihm klar: Man muss das Gepäck der irdischen Liebhabereien ablegen, oder zumindest sehr vermindern. So steigen wir leichter über die Leiter in das Reich der Liebe Gottes. So haben die gehandelt, die wir als Heilige verehren.

Der hl. Franz von Sales sagte: „Das Leben der Heiligen ist nichts anderes als das Evangelium in Handlungen dargestellt!“ Dazu erklärte ein lebenserfahrener Mann: „Die Biographie eines jeden Menschen ist nichts anderes als die Geschichte des Gotteswortes an einer unsterblichen Seele in einem sterblichen Leib!“
Möge unsere Biographie auch zu einer Heilsgeschichte des Gotteswortes werden. Deshalb seien die Heiligen auf unserer Lebensreise „Türme der Orientierung“!