Zermürbungskrieg mit Rotem Knopf

RANDBEMERKUNGEN

US-General David Petraeus führt die Erfolglosigkeit der Russen in der Ukraine zurück auf: falsche Strategie, fehlerhaftes Zusammenwirken der Heeresteile wegen Koordinierungsfehlern, Unprofessionalität der Basis/Soldaten durch Überanteil an Rekruten, fehlende Truppen für den Häuserkampf (in einem Land vom Urbanisierungsgrad und der Ausdehnung der Ukraine), lückenhafte Versorgung – fünf Kapital-Fehler, die zu einem endlosen Zermürbungskrieg oder (unglücklichenfalls) zu einem Weltuntergang führen können – weil „der Schlächter“ Putin diesen durch Druck auf den Roten Knopf auslösen könnte.

Mit ihren fünf Kapital-Fehlern wollen die Russen sich durchsetzen gegen eine hochmotivierte, zusammengemixte „Armee“ aus Heer und Zivilisten, die alle Geländevorteile nutzt und – zunehmend effizient – von den USA und der Nato mit der Lieferung moderner Defensivwaffen, aber auch mit „intelligence“ unterstützt wird. Vor allem: Die Bevölkerung – egal ob ukrainisch- oder russischsprachig – steht hinter ihren Verteidigern und sieht in den russischen Invasoren fast unisono DEN FEIND. Klare Fronten: Aggressor gegen sich Verteidigende.

Während die russische Propagandamaschine stur auf ihre alten Verleumdungs- und Anschwärzungstaktiken baut und ihr Oberkommandierender Putin vor aller Welt täglich als Lügner dasteht, ist auf der Gegenseite Selenskyi agil im Auftreten („ich bin einer von Euch!“, so seine Botschaft), hat Zugang und tosenden Applaus seitens der hohen politischen Foren seiner weltweiten Unterstützergemeinschaft (Selenskyi hat sich aber auch mit seinen sonst gut ankommenden Improvisationen bei der israelischen Knesset gründlich verhaspelt durch deplatzierte Holocaust-Vergleiche…) wirkt, so wie er ist, glaubhaft – auch wenn jeder weiß: Der Mensch ist ein Schauspieler!

Russland kann gegenwärtig keinen Prestige-„Sieg“ erringen (etwa: Eroberung von Kiew und Installierung eines Marionettenregimes). Aber auch die Ukraine kann zur Stunde ihre Brudermörder nicht aus dem Land jagen. Unter diesen Umständen ist es praktisch unmöglich, jetzt Frieden zu schließen. Keine der Seiten kann heute schon über Frieden reden und ihn akzeptieren.
Denn wenn Putin auf seine „Sieg“-Rhetorik verzichtet, muss er froh sein, wenn ihm in Moskau die Zeit bleibt, den Hut zu nehmen. Wenn Selenskyi auf die Krim und den Donbass verzichtet, als Gegenzug für die Neutralitätsanerkennung seitens Russlands, wird er schwerlich den Ukrainern weismachen können, weswegen er das nicht schon früher, vor diesem barbarischen Morden und Zerstören durch die Russen, getan hat – um Menschenopfer zu vermeiden, um die Zerstörung der Ukraine zu vermeiden, um Millionen Geflüchtete zu verschonen. Selenskyi riskiert mit einem „zu frühen Frieden“, dass sich die Menschen- und Sachopfer der Ukraine als Bumerang gegen ihn wenden.

In diesem aufreibenden und zermürbenden Krieg stellt sich die Frage der Kriegsressourcen. Russland, erstmals ernsthaft in eine internationale Sanktionsmangel genommen und von den globalen Netzwerken so gut wie abgeschnitten, bleibt ein Land mit unerschöpflichen Ressourcen. So schnell, wie man hoffen mag, sind die nicht erschöpft. Die Verluste Russlands sind sicher höher als von der Kriegsbuchhaltung vor dem Diktator zugegeben. Die Ukraine wird von allen Seiten mit Wirtschaftshilfe, Geld und Defensivwaffen unterstützt. Das dürfte so weitergehen. Im anstehenden Guerillakrieg hat die Ukraine die besseren Karten gegenüber den schlecht ausgebildeten, schlecht versorgten und fehlerhaft geführten „Mischas“. Obwohl die Ukraine wohl nie einen „Sieg“ erklären können wird, „beschäftigt“ sie 75 Prozent der militärischen Operativkräfte Russlands, was heißt, dass Putin Resteuropa unmöglich mit seinem Heer bedrohen kann.
Die Ukraine, ein Zivilisationsbollwerk vor russischer Barbarei.

Putin spielt aber mit dem Roten Knopf.