Zwischen administrativer und direkter Projektarbeit

Florian Kerzel ist ifa-Regionalkoordinator in Temeswar

Foto: Zoltán Pázmány

Florian Kerzel ist seit Ende des vergangenen Jahres in Temeswar als Regionalkoordinator für Rumänien, Serbien, Ungarn und die Ukraine beim Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) tätig. Der in Stuttgart ansässige Verein fördert den internationalen Kunst- und Kulturaustausch und ist Teil der Kulturdiplomatie der Bundesrepublik Deutschland. Als Kulturmanager des ifa war der 32-Jährige bereits drei Jahre lang beim FunkForum e.V. in Temeswar tätig. Im Gespräch mit ADZ-Redakteur Michael Mundt blickt Florian Kerzel auf diese Zeit zurück und erklärt seinen neuen Aufgabenbereich.

Herr Kerzel, Sie sind seit fünf Monaten der Ifa-Regionalkoordinator für Rumänien, Ungarn, Serbien und die Ukraine. Was sind Ihre Aufgaben in dieser Position?
Ich koordiniere das Entsendeprogramm der Kulturmanagerin-nen und -manager in den genannten Ländern. Das sind aktuell sieben Leute in Sathmar, Temeswar, Hermannstadt, Fogarasch, Fünfkirchen, Kiew und Sombor. Diese Kulturmanagerinnen und -manager unterstützen die Kultur-, Jugend- und Bildungsarbeit der Minderheitenorganisationen vor Ort. Neben mir gibt es auch noch eine Regionalkoordinatorin in Oppeln, die für Polen, Tschechien und die Slowakei zuständig ist, und die Programmkoordinatorin in Stuttgart betreut die entsandten Redakteure und Redakteurinnen, welche einen etwas anderen Arbeitsfokus haben.
Koordination heißt, wenn Projekte geplant werden, dann geschieht dies zunächst von den Entsandten vor Ort in Zusammenarbeit mit den Gastinstitutionen. Danach schaue ich mir zusammen mit der Programmkoordination in Stuttgart den Projektantrag an: ob er schlüssig ist, ob er erfolgversprechend ist oder ob man da etwas dran verändern müsste, und wir helfen natürlich auch mit Ratschlägen, falls das notwendig ist.

Auch bei Problemen sind wir Regionalkoordinatoren die ersten Ansprechpartner für die Entsandten. Wir sind aber auch der erste Ansprechpartner für die Gastinstitutionen und generell für die Minderheitenverbände und -organisationen. Wir sind quasi das Bindeglied zwischen der Zentrale in Stuttgart und den Entsandten vor Ort, halten aber auch Kontakt zu den Minderheiten und den deutschen Auslandsvertretungen und schauen in den Ländern, wie die Situation ist, wie das ifa tätig werden könnte und informieren in beide Richtungen.

Innerhalb dieser Koordination organisieren wir auch jährliche Regionaltreffen, bei denen alle Entsandten und die Vertreter der Gastinstitutionen aus den entsprechenden Regionen zusammenkommen. Für Rumänien, Ungarn, Serbien und die Ukraine hat dies vom 17. bis 21. Februar in Sathmar stattgefunden. Und dann unterstützen wir auch bei der Organisation eines jährlich im September in Berlin stattfindenden Treffens aller vom ifa Entsandten.

Es ist also viel administrative Arbeit in der Regionalkoordination, aber jeder Regionalkoordinator führt auch jedes Jahr ein Projekt mit einer größeren Reichweite durch. Impulsprojekte sagen wir. Und nebenbei betreue ich teilweise auch die ifa-Kanäle mit, zum Beispiel die „Minderheiten_verbinden“-Seite auf Facebook und ich bin im Austausch mit der „Mind_Netz“-Redaktion. Es ist also auch ein bisschen Öffentlichkeitsarbeit.

Sie waren zuvor als ifa-Kulturmanager beim Funkforum in Temeswar tätig. Was hat Sie dazu gebracht, diese Stelle zu wechseln?
Mir hat die Stelle beim Funkforum wirklich viel Spaß gemacht und ich habe dort viel gelernt und mich auch weiterentwickelt. Nach drei Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich die Arbeit auch gerne noch weitermachen könnte, aber ich hatte auch Lust, nochmal ein bisschen dazuzulernen und auch das Entsendeprogramm aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. Und außerdem ist es eine herausfordernde Arbeit, die mir neue Erfahrungen bringt.

Wie unterscheiden sich denn diese beiden Stellen?
Die aktuelle Arbeit ist administrativer, wohingegen man beim Funkforum, oder als Kulturmanager generell, aktiver in die direkte Projektarbeit eingebunden ist. Ich betreue sieben Kulturmanager und Kulturmanagerinnen, die auch alle unterschiedliche Schwerpunkte haben. Bei einigen Stellen geht es mehr um Öffentlichkeitsarbeit, bei anderen um Bildungsprojekte für jüngere Zielgruppen und bei der Stelle im Funkforum war es ein größerer Medienfokus. Dort war es eine der primären Aufgaben, Nachwuchs für den deutschsprachigen Medienbereich zu gewinnen, Jugendliche und Schüler mit den Medien vertraut zu machen, zu zeigen, wie sie funktionieren, und dadurch auch eine gewisse Medienkompetenz zu vermitteln.

Der zentrale Unterschied ist, dass als Kulturmanager mein Fokus auf Medienprojekten lag und ich diese auch direkt ausgeführt habe. Jetzt ist es so, dass ich administrativer arbeite. Dafür habe ich aber auch einen viel größeren Blickwinkel, da ich alle unterschiedlichen Stellen mitbetreue und mich auch in alle unterschiedlichen Gegebenheiten und Projekte eindenken muss.
Beim Funkforum war es auch noch einmal speziell, weil ich dort in die direkte Redaktionsarbeit eingebunden war und es auch zu meinen Aufgaben gehört hat, eigene Radioberichte zu erstellen.

Auf welche Projekte können Sie denn beim Funkforum zurückblicken?
Wir haben eine Reihe an Journalismus-Workshops gestartet, zusammen mit dem Vorstand des Funkforums, Siegfried Thiel. Dabei war die Idee, journalistisches Basiswissen an Kinder und Jugendliche weiterzugeben. Dazu sind wir an verschiedene Schulen in verschiedenen Städten gegangen und haben Schreibwerkstätten und Journalismus-Crashkurse durchgeführt. Der Fokus lag darauf, dass die Jugendlichen nach einer kurzen theoretischen Einführung selbst Interviews führen sollten und auch gelernt haben, wie man Zeitungsartikel schreibt. Wichtig war uns auch immer der Vernetzungs-aspekt. Wir hatten stets Schüler aus unterschiedlichen Städten oder auch Dörfern zusammengebracht und zuletzt in Fünfkirchen auch Teilnehmer aus Rumänien und Ungarn.
Daneben gab es auch noch die klassischen Medienprojekte. Bei Radio Temeswar die immer noch regelmäßige Jugendwelle und das Radio Junior, die ich mitbetreut habe. Das sind Sendungen, die einmal im Monat laufen. Darüber hinaus gibt es jährlich ein Vernetzungstreffen der Schülerradios in Hermannstadt. Das war ein Projekt, das zuletzt von Alois Kommer organisiert wurde und dem wir uns angeschlossen haben. Dort haben die Schüler zusammen eine Livesendung erstellt. Dann hatten wir auch TV-Workshops und ein paar experimentellere Sachen, bei denen aber trotzdem  die Idee war, die Grundlagen in Bezug auf Medienarbeit zu vermitteln. Wir hatten da zum Beispiel ein Projekt zu Audiowalks in Seligstadt gemacht und zu einem interaktiven Stadtführer für Temeswar.

Wie ist es denn um den journalistischen Nachwuchs im Land bestellt?
Das Interesse ist da. Wir hatten immer genügend Teilnehmer, die, wenn sie einmal dabei waren, auch immer wieder gekommen sind. In meiner Zeit hat sich eine Gruppe formiert, die wir als Nachwuchs des Funkforums betrachtet haben, ohne dass sie offiziell eingetragen waren. Das waren Schüler, die bei den verschiedenen Medienprojekten mitgemacht haben und auch im Nachhinein kleine Beiträge zum Radio oder zur Zeitung geschickt haben. Es gab auch eine Schülerin, die von sich aus zum Radio gekommen ist und Beiträge über die Feste der Banater Schwaben gemacht hat, einfach weil sie Lust darauf hatte.

Das Potenzial ist sicherlich da, aber natürlich müssen wir auch um den deutschsprachigen Nachwuchs kämpfen. Es verlassen einfach sehr viele dieser jungen Menschen das Land und gehen nach Österreich oder Deutschland. Bei meiner Gruppe, bei der Jugendwelle, die sich drei oder vier Jahre mit Radioarbeit beschäftigt hat, haben die Schüler 2018 gleichzeitig das Abitur gemacht und sie sind danach alle weggegangen. Was mich dann trotzdem gefreut hat, ist, dass fast alle medienspezifische Studiengänge belegt haben. Das ist vielleicht zum Teil auch ein Erfolg von diesem Projekt.

Das Interesse sogar für die klassischeren Medien ist aber da und die Jugendlichen finden das auch immer noch interessant und aufregend, bei solchen Projekten mitzumachen, also auch Zeitungsartikel zu schreiben. Das muss jetzt nicht alles nur über Online-Journalismus oder Youtube-Blogging sein. Die Herausforderung ist natürlich, sie längerfristig zu halten. Da können wir unseren Anteil leisten, ob sie aber auch selber eine Perspektive in diesem Bereich in Rumänien sehen, hier zu arbeiten, das ist natürlich eine andere Sache. Da gibt es auch noch andere Faktoren.

Was haben Sie sich denn für Ihre Zeit als Regionalkoordinator vorgenommen?
Zunächst einmal ist es mir wichtig, dass das Entsendeprogramm gut funktioniert. Und darüber hinaus, wenn wir von Projekten sprechen, gibt es schon ein Projekt von einer Vorgängerin. Das heißt Interkultural und ist ein Projekt, das die verschiedenen Minderheitengruppen in Rumänien, aber auch die rumänische Mehrheitsbevölkerung für einen gemeinsamen Workshop zusammenbringt. Dieser ist jedes Jahr ein bisschen verschieden. Es ging bereits um Eu-ropa und die Demokratie, wie auch Jugendliche zivilgesellschaftlich aktiv werden können und es ging auch einmal um ökologische Bildung. Das ist ein Projekt, was ich gerne weiterführen würde, denn es sollen damit auch unter den Minderheiten Vorurteile abgebaut werden und die verschiedenen Gruppen sich vernetzen. Im letzten Jahr waren auch erstmalig Jugendliche aus Deutschland mit dabei. Ich glaube, da gibt es noch viele Möglichkeiten, das Projekt zu modifizieren und weiterzuentwickeln.

Und darüber hinaus gibt es auch ein paar Pläne vom ifa. Das sind dann nicht meine Ideen, aber Entwicklungen, die ich auch mit unterstütze. Dem ifa ist es zum Beispiel wichtig, in diesem Jahr und auch den nächsten Jahren, dass die Projekte alle in Richtung „zivilgesellschaftliches Engagement stärken“ gehen. Natürlich bleiben die deutschen Minderheiten der Hauptfokus, aber am Ende des Ganzen soll auch eine Stärkung der Zivilgesellschaft stehen, was durch die verschiedenen kleinen Projekte erreicht werden soll. Wenn wir die Projekte beim Funkforum nehmen, dort lernen die Jugendlichen, wie sie einen Kommentar für das Radio machen, sie lernen, sich auszudrücken und eine eigene Meinung zu formulieren. Und der zweite wichtige Fokus ist, dass wir länderübergreifend die Jugendlichen zusammenbringen, damit sie sehen, dass sie auch mit Jugendlichen auf der anderen Seite der Grenze, wo auch immer das ist, gut klarkommen und sie dann insgesamt für Populismus und Nationalismus schwerer zu gewinnen sind.

Ihre Vorgängerin war noch nicht für die Ukraine zuständig. Was hat das Institut für Auslandsbeziehungen dazu bewegt, seine Aktivitäten auf dieses Land auszuweiten?
Die Ukraine ist seit letztem Jahr, genau wie die Slowakei, Teil des Entsendeprogramms. Die Stelle ist momentan in Kiew, soll aber im nächsten Jahr nach Mukatschevo (deutsch: Munkatsch) umziehen. Allerdings war das ifa durch Projekte der östlichen Partnerschaft auch schon vorher in der Ukraine aktiv. Wir haben generell die Idee, die deutschsprachigen Minderheiten in allen Ländern zu unterstützen und die Ukraine war jetzt das nächste Land, was wir aufnehmen konnten.

Wie unterscheiden sich denn die deutschen Ethnien in  Rumänien, Ungarn, Serbien und der Ukraine in Bezug auf ihre Tätigkeit?
Es gibt natürlich strukturelle Unterschiede, also wie viele Personen überhaupt zu diesen Minderheiten gehören. Es gibt Unterschiede bezüglich ihrer Lage im Land, also wie akzeptiert sie sind oder auch nicht. Aufgrund dieser strukturellen Unterschiede gibt es dann eben auch Unterschiede in der Förderung. In Ländern, in denen die Sprache nicht so gut erhalten ist, weil es zwischenzeit-lich verboten war, Deutsch zu sprechen, ist natürlich der Fokus stärker auf Punkte wie Spracharbeit und bilinguale Früherziehung gerichtet. Das entscheiden wir allerdings nicht alleine, sondern in Absprache mit den Organisationen vor Ort.
Was sich allerdings generalisieren lässt, ist der Fokus auf die Jugendarbeit. Die ist überall wichtig, vor allem durch partizipative Jugendprojekte. Aber auch moderne Kulturprojekte und Öffentlichkeitsarbeit gehören zu den Hauptanliegen. Und dann gibt es noch die Organisationsentwicklung, in dem Sinne, dass wir die Organisationen vor Ort dabei unterstützen, sich zu entwickeln. Auch dort gibt es natürlich Unterschiede, zum Beispiel wie die Organisationen in den unterschiedlichen Ländern bereits aufgestellt sind.