Alles beim Alten

„Bei uns waren die Finanzen immer in einem schlechten Zustand. In allen anderen Ländern (...) weiß jeder Steuerzahler, was er dafür bekommt, dass er seinen Obulus an den Staat entrichtet.“ Zu lesen ist das bei Silvia Marton: „La construction politique de la nation. La nation dans le debats du Parlament de la Roumanie (1866-1871)“, erschienen beim Institutul European, Jassy/Iaşi, 2009. Und gesagt hat es im Parlament der Donaufürstentümer 1866 der konservative Abgeordnete Manolache Costache Epureanu, einer der besten rumänischen  Juristen des 19. Jahrhunderts.
 

Das Buch enstand als Folge einer akribischen Durchsicht der Parlamentsprotokolle, Gesetze, Reden und politischen Streitgespräche der ersten Parlamentarier des sich (auch im Wortsinn) bildenden Rumäniens in einer Zeit betonter politischer Instabilität. Diese Gründerzeit an 1859 hat frappierend viele Ähnlichkeiten – in Ausgangsfakten und Argumentation, im Mentalitätsausdruck – mit der heutigen, genauso politisch instabilen Zeit. Beim Lesen fällt auf, dass Politiker aus der Geschichte nichts lernen - wohl, weil sie sie überhaupt nicht kennen.
 

Dimitrie Ghica, ein Liberaler, am 21. Dezember 1866: „Die Absetzung der Regierung kann nur die Freude der Narren sein.“ Und: „Zerstörungen bringen bloß Schäden, die wir dann alle gemeinsam abzuzahlen haben.“ Er reagiert auf einen der zahlreichen Regierungsrücktritte. Während die Regierungserklärung der bald darauf eingesetzten Regierung nur so strotzt von Schuldzuweisungen an die Vorgänger, wo von „leeren Staatskassen“, „verschleudertem Haushaltsgeld“, „enormen Staatsschulden“, kurzum einer Art Kollektivschuld aller Vorgängerregierungen die Rede ist, bis hin zu den fanariotischen Herrschern vergangener zwei Jahrhunderte.

„Staatsprotektionismus“ oder „freie Marktwirtschaft“ waren schon damals die Alternativen (wirtschaftsgeschichtlich anders zu verstehen), über welche endlos im Parlament gestritten wurde, die Zeit, die zum Staatsaufbau genutzt hätte werden müssen. Auch die onimöse Formel „Wir verkaufen unser Land nicht!“ taucht bereits im patriotisch-nationalistischen Diskurs pfauenhafter Politiker in der Art des „Jiji“ Becali auf, aber auch: „Lassen wir die Juden Bürger mit vollem Bürgerrecht werden oder nicht?“, also zu uneingeschränktem Zugang zu Wirtschaft und Politik gelangen, und: „Warum ist der Staat ein so schlechter Vermögensverwalter?

Welche Vermögenswerte darf er losschlagen, um zu Geld zu kommen?“ Oder: „Wenn der Staat sein Vermögen verkauft, verkauft er damit nicht sich selber, und die Nation mit?“

Ein Leitmotiv ist die Frucht vor den „străini“, vor den Fremden (die im Rumänischen immer auch den Beigeschmack des „Feindlichen“ haben). Wer etwa die Eisenbahnen konzessionieren will, ist „antinational und unmoralisch“, obwohl „die Eisenstraße ein Vehikel der Zivilisation ist“, wie Gheorghe Br²tianu erklärt. Das Schwänzen von den Parlamentstagungen ist populär, Bestrafungen der Schwänzer kriegen keine Mehrheiten.

Nichts Neues unter dieser Sonne.