ASAT oder Bio-Gemüse einmal anders

Gemeinschaftlich getragene Landwirtschaft in Temeswar

Dank des neuen Gewächshauses kann Familie Toth einige Gemüsesorten auch in der kalten Jahreszeit anbauen. Foto: Bernard Toth

Es trägt zwar kein Bio-Siegel, dafür aber überzeugt das Gemüse durch seinen Geschmack. Foto: Kinga Toth

Die Mitglieder im ASAT-Netzwerk erhalten jede Woche frisches Gemüse. Kinga Toth

Bernard Toth ist Schüler der 11. Klasse und hat eine Beschäftigung, die zumindest ungewöhnlich für jemanden in seinem Alter ist. Leute, die auf dem Land arbeiten, Sämlinge, Blüten, noch unreifes Gemüse, reifes Gemüse, Leute, die beim Bau eines Gewächshauses helfen, sind auf seinen Facebook Bildern zu sehen.

Warum würde ein Jugendlicher auf das Gewächshaus, das er zusammen mit seinen Eltern auf dem Land baut, stolz sein? Die Antwort auf diese Frage und viel mehr über Bernards Geschichte erfahren wir, als wir ihn im Ressource-Zentrum für Solidarische und Ethische Initiativen – CRIES (B.P. Hasdeu Straße 11, WE 1) in Temeswar/Timişoara treffen. Hier findet jeden Dienstag, zwischen 16 - 19 Uhr die ASAT-Ernteverteilung statt. ASAT, die Gemeinschaft zur Unterstützung der Landwirtschaft, ist „eine Gruppe von Verbrauchern, die Interesse an Naturprodukten haben und bereit sind, eine Vereinbarung mit einem Landwirt zu treffen, wobei sie sich dazu verpflichten, ihm eine Anbausaison lang beizustehen.“ (http://asat.ecosapiens.ro/).



Solidarität und Vertrauen

Eine ASAT-Gemeinschaft hat als Grundlage einen lokalen landwirtschaftlichen Betrieb, der seine Ernteabnehmer mit gesundem Gemüse aus ökologischem Anbau versorgt. In diesem Fall wird der Hof von Istvan Toth, Bernards Vater, verwaltet. Seine transparente und offene Verwaltungsweise ermöglicht den Verbrauchern, die Gärtnerei regelmäßig zu besuchen und zu sehen, wie das Gemüse angebaut wird. Die Produkte haben kein Bio-Siegel, aber darum handelt es sich hier nicht. Wer Zweifel an der Qualität hat, wird vom Geschmack überzeugt. Im Gegenzug für das wöchentlich gelieferte Gemüse garantieren die ASAT-Verbraucher, dass sie ihr Gemüse die ganze Saison lang (März – November) vom selben Gärtnerhof besorgen, wodurch der Landwirt mittelfristig planen kann. Die Mengenangaben, die Gemüse- und Kräuterarten, der monatliche Betrag, sowie die Rechten und Pflichten eines Mitglieds werden alle in einem informellen Vertrag festgehalten. Der Vertrag ist informell, wie es auch die ASAT-Gemeinschaft ist: Sie stützt sich allein auf Solidarität und Vertrauen.

Das Konzept der gemeinschaftlich getragenen Landwirtschaft ist neu in Rumänien, wird aber seit langem in anderen Ländern mit Erfolg umgesetzt: AMAP in Frankreich, ASC in Kanada, Teikei in Japan (mit einer 50 Jahre langen Tradition), Reciproco – Portugal, Solidarische Landwirtschaft – Deutschland, Andelslandbruk – Norwegen, GAS – Italien, GSR – Kroatien. Bis 2008 gab es in Rumänien diese Alternative nicht - bis Mihaela Ve]an, die2009 inTemeswar das CRIES-Zentrum gründete, die Initiative zum ersten ASAT übernahm. 2013 gibt es schon elf selbstverwaltende ASAT Gemeinschaften: vier in Temeswar, eine in Großwardein/Oradea, drei in Klausenburg/Cluj-Napoca, eine in Oderhellen/Odorheiu Secuiesc und zwei in Bukarest.

Idee aus der Biologiestunde

Während einer Biologiestunde lernt Bernard das Konzept der gemeinschaftlich getragenen Landwirtschaft kennen und überredet seinen Vater, als Produzent in einer ASAT-Gemeinschaft mitzumachen. Die Familie besitzt eine landwirtschaftliche Nutzfläche bei Otelek im Kreis Temesch und hat sich zuvor mit Tierzucht beschäftigt. Heute hat die ASAT Otelek 25 Verbraucher-Familien.

Zum punktuellen Ablauf: Am Dienstag treffen sie sich, um das Gemüse abzuholen. Bernard ist jedes Mahl anwesend und für alle hilfsbereit, denn der Erntekorb ist manchmal ganz schön schwer, besonders in den letzten Sommermonaten, wenn die Auberginen, die Zucchinis und die roten Rüben ausgereift sind, und man mit den letzten großen, saftigen Tomaten vorsichtig umgehen muss, damit sie unversehrt bleiben. Um 16 Uhr kommt Familie Toth mit voll beladenem Auto an der Verteilungsstation an. Nachdem sie die Kisten ausladen, wiegen sie das Gemüse ab und verteilen es gleichmäßig, sodass jede Familie die gleiche Menge von jeder Gemüseart bekommt. Ihnen hilft immer einer oder mehrere Freiwillige, da ehrenamtliche Mithilfe und Selbstverwaltung Pflichten jedes Mitglieds in der Wirtschaftsgemeinschaft sind.

In der Zwischenzeit erscheinen auch die ersten Verbraucher. Manche sind alte Bekanntschaften, die die Gelegenheit nutzen, um ein bisschen zu plaudern. Andere haben sich vor Kurzem über das ASAT-Netzwerk kennengelernt. Alle respektieren und helfen sich gegenseitig. An warmen Sommertagen ist die Stimmung lockerer und die Leute gesprächiger. Kälte und Regen können eine Last sein, aber die Ernteverteilung findet immer planmäßig statt. Sollten einige Verbraucher nicht dabei sein können, holen üblicher Weise ihre Freunde den Erntekorb ab. Trotzdem kann es manchmal passieren, dass nicht das ganze Gemüse abgeholt wird. In diesem Fall wird es an andere Verbraucher verteilt, oder an das Nachtasyl der Caritas Temeswar.

Dank Gewächshaus frühere Ernte

Die Mitglieder einer ASAT-Gemeinschaft sind nicht jedes Jahr die selben. Manche Verbraucher merken, dass diese Versorgungsweise nicht zu ihrem Lebensstil passt, und entschließen sich, ihre Mitgliedschaft aufzugeben. Gleichzeitig möchten neue Menschen, die an Naturprodukten interessiert sind, sich einer ASAT-Gemeinschaft anschließen und damit die lokale Wirtschaft unterstützen. Schon im Winter werden Anbauplanung und damit verbundene Kosten für das kommende Jahr besprochen. Die Vorschusszahlung für 2014 hat Familie Toth geholfen, ein Gewächshaus zu bauen. Das Gewächshaus wird ihnen erlauben, mit der  Ernteverteilung früher zu beginnen und einige Gemüsesorten für längere Zeit anzubauen. Zusätzlich wird das Gemüse, das im Gewächshaus angebaut wird, vor Naturschäden geschützt. Solche Vorfälle, wie Gewitter, Hagel oder Frost, die zum Ernteausfall führen können, sind ein gemeinsam getragenes Risiko.

Für Adriana Opri{a, Verbraucherin in der ASAT-Gemeinschaft Otelek, ist die Unvorhersehbarkeit der Ernte kein Problem. Die Vielfalt der Produkte ermöglicht ihr, Gemüse auszuprobieren, welches sie sonst vielleicht nicht gekauft hätte: „Durch ASAT kann ich meine kreative Seite in der Küche entfalten. Ich versuche neue Rezepte und bin immer angenehm überrascht, wenn ich etwas Tolles entdecke. Gleichzeitig bin ich ganz glücklich, dass ich einen lokalen Landwirt unterstützen kann, der mir danach seinerseits hilft, mich gesund zu ernähren.“ Zoltán Bereczki erzählt, wie er die Kohlrüben entdeckt hat: „Ich wusste nicht, was Kohlrüben sind, bis ich sie im ASAT-Erntekorb gesehen und davon gekostet habe. Sie schmecken köstlich: sowohl roh, als auch gekocht. Auch gegrillt. Eines Tages habe ich sogar Sandwiches damit gemacht, so seltsam es auch klingen mag.“

Zufriedene Verbraucher. Das ist Istvan Toths Ziel als Landwirt in einer ASAT-Gemeinschaft. Die Landarbeit bedeutet sehr viel Aufwand und das seitens der ganzen Familie, aber nur so kann der Hof Woche für Woche seine Verbraucher mit Gemüse versorgen. In Rumänien ist das ASAT-System eine gute Lösung für einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Es ist Familie Toths Gelegenheit, ein faires Einkommen zu erhalten, und es ist Bernards Chance, später, an der Uni, den Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft zu studieren, so wie er es sich jetzt wünscht.