Auf Jobsuche Bekanntschaften aktivieren

Empfehlungen nehmen auch andere in die Pflicht

Netzwerken beginnt schon in der Schule. Und das muss nicht immer Facebook sein – auch einfache Kommunikation kann Netzwerk bedeuten. Symbolfoto: Zoltán Pázmány

„Netzwerken“ mag man heute, im Zeitalter sozialer Vernetzungen, als Kommunikation schlechthin auslegen, in wirtschaftlichen Gefilden ist es jedoch weitaus mehr. Jemanden für einen Job oder eine Aufgabe „empfehlen“, so lässt sich der Begriff im Endeffekt nach der Recherche zu diesem Thema definieren. Doch dieses Empfehlen wird in rumänischen Gefilden fast immer als Beziehung in Sachen Seilschaften und Vetternwirtschaft ausgelegt, bei dem das Können des Empfohlenen weniger wichtig ist, aber umso mehr die Vorteile, die man sich rund um diese Empfehlung erhofft. „Es gibt in Rumänien sehr viel Vetternwirtschaft, es hat sie auch im Kommunismus und in der Zwischenkriegszeit gegeben. Es ist eben dieser orientalische Hauch zu spüren“, sagt der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Ganţ.

Kein Zweifel, auch in gestandenen Demokratien westeuropäischer Länder ist Vetternwirtschaft nicht auszuschließen, da sei sie jedoch nicht so extrem, sagt Peter Hochmuth. Der Deutsche hat sich in Temeswar niedergelassen und seine Firma befasst sich u.a. auch mit Personalvermittlung und ist deshalb mit Aspekten wie Netzwerken und Empfehlen vertraut. Netzwerken ist nach deutschem Muster eine Möglichkeit, zu wissen, mit wem man es in einem bestimmten Fall zu tun hat. „Ein Empfohlener hat einen Vertrauensvorschuss, aber ich würde ihn nicht ungeprüft annehmen“, sagt Hochmuth. Es scheiden sich die Geister der Rumänen, ob eine bloß auf Bekanntschaft rekrutierte Person nun zwar keine Qualifikation aber blinde Loyalität dem Vorgesetzten mitbringt. „Im Zeitalter von Arbeitslosigkeit und Sorgen um den morgigen Tag sind aufgrund von Vetternwirtschaft eingestellte Personen dem Chef treu ergeben“, sagt Romeo L.

Für ihn ist es klar, dass unlautere Machenschaften auf der Ebene zwischen Chef und als Bekanntschaft Eingestellten verdeckt werden. „Warum glauben Sie, dass es Schofföre von Chefs, zum Beispiel, in öffentlichen Einrichtungen gibt, die sich herablassen, die Gattin des Bosses zum Frisör zu fahren oder für die die Einkäufe machen“?, fragt Romeo L. rhetorisch. „Bloß an dem mickrigen Gehalt liegt es wahrscheinlich nicht“, lässt er im Weggehen noch vielsagend wissen. Liliana M. hingegen ist überzeugt, dass einer, der seinen Job allein über Seilschaft und Bestechung erhält, auch nur ganz selten loyal ist. Und nicht zuletzt: Wenn der Chef wechselt, ist er wohl eh weg vom Fenster.

Die rumänischen Unternehmen ausländischer Konzerne würden die Wirtschaftskrise auch deshalb zu spüren bekommen, weil Vetternwirtschaft in manchen Betrieben herrscht, sagte einmal der Leader einer Gewerkschaftskonföderation in Temeswar. Seine Anschuldigungen gehen noch weiter: Nicht nur, dass Personal nach Bekanntschaft eingestellt wird, sondern sogar Stellen werden geschaffen, um Seilschaften zufrieden zu stellen. Und diese zusätzlichen Stellen würden aus der Gesamtsumme finanziert, die dem Unternehmen zur Verfügung steht, sagte der Gewerkschaftsführer.

Ob es so krass ist, konnte Peter Hochmuth nicht sagen, doch gehört hat er gelegentlich, dass in den Rumänienniederlassungen ausländischer Großkonzerne nach Vetternwirtschaft eingestellt wird. „Was hier über den Abteilungsleiter läuft, kann natürlich der Chef ganz oben nicht nachprüfen, höchstens, wenn in einer Abteilung die Hälfte den gleichen, selten vorkommenden Familiennamen haben“, sagt Hochmuth.

Auch persönlich sind nach westeuropäischer Denkweise Menschen in die Pflicht genommen, wenn sie jemanden für einen Job empfehlen. Bekannt ist die Verwunderung eines Lehrers, der seinem Direktor einen Freund als Betriebsfahrer und Hausmeister vorstellte. „Wenn der nichts taugt, haben auch Sie ein Problem“, hatte der aus Deutschland angereiste (heute bereits verstorbene) Direktor dem Lehrer gesagt. Erst Jahre später hat der Lehrer erfasst – wenn auch nicht am eigenen Leib - dass es der Direktor damals ernst gemeint hatte. „´Netzwerken´ heißt für mich konstruktiv jemanden vermitteln, den seine beruflichen und menschlichen Qualitäten empfehlen. Also ein konstruktive Empfehlung, wobei der Empfehlende eine Verantwortung auf sich nimmt“, sagt Elena Kovacs, Geschäftsführerin des Autohauses Auto Schunn mit Hauptsitz in Arad.

Und trotzdem: Netzwerken hat nach wie vor vielerorts ein typisch rumänisches Verständnis. Als Beispiel, ein Vorfall kürzlichen Datums: Eine Frau wird ausgeschlossen, als es um die Aufteilung von extra bezahlten Aufgaben in ihrer Einrichtung ging. Sie habe vor Kurzem einen betuchten Ausländer geheiratet und daher sei sie ja auf dieses Geld nicht angewiesen, so die Begründung, die eher in eine Comedy-Show als in einen EU-Staat passt.