Bunte Rückschau einer Schreibergeneration

...und eine Hommage an ihr geistiges Oberhaupt, Richard Wagner

Zu: Samson, Horst / Sterbling, Anton (Hrsg.) - Die Sprache, die auf das Nichts folgt, die kennen wir nicht. Sätze und Texte für Richard Wagner. Mit Grafiken und Malereien von Walter Andreas Kirchner, Ludwigsburg: Pop, 2018, 317 S. ISBN 978-3-86356-174-1.

 

Vorliegende Publikation, die, wie die beiden Herausgeber Horst Samson und Anton Sterbling in ihrer Einführung in den Band bekennen, „auf einen recht spontanen Vorschlag zurückgeht”, um auf der Leipziger Buchmesse 2018, bei der Rumänien als Schwerpunktland fungierte, präsent zu sein, versteht sich als nachträgliche Ergänzung und Fortsetzung dreier Publikationen, die im vorigen Jahr zum Anlass des 65. Geburtstages von Richard Wagner veröffentlicht wurden. Es handelt sich dabei um eine in der Zeitschrift „Spiegelungen” erschienene Zusammenstellung unter der Überschrift „Ein Satz für Richard Wagner. Gratulationen zum 65. Geburtstag von Freunden, Weggefährten, Kollegen und guten Bekannten”, sowie um zwei von der Literaturwissenschaftlerin Christina Rossi herausgegebene Bücher, Wagners Gedichtband Gold und einen Gesprächs- und Essayband unter dem Titel „Poetologik. Der Schriftsteller Richard Wagner im Gespräch“.

Der Band, dessen Titel sich an eine Aussage Wagners aus dem mit der gleichen Überschrift versehenen Interview mit Christina Rossi anlehnt, gliedert sich in fünf Teile. Der erste Teil „Ein Satz für Richard Wagner” umfasst Gratulationen von Freunden, Weggefährten, Kollegen und guten Bekannten zum 65. Geburtstag Wagners in Form von Gedichten, Aphorismen und Erinnerungen, des öfteren mit Anspielungen auf das literarische Werk oder mit Stellungnahmen dazu.

Der zweite Teil stellt dem Leser eine von Horst Samson mit Zustimmung Richard Wagners getroffene Auswahl von dreizehn Gedichten des gefeierten Schriftstellers selbst vor. Die Auswahl wird von dem Anfang der 1970er Jahre entstandenen Gedicht Dialektik eröffnet, in dem Wagner im Gegensatz zur damals herrschenden kommunistischen Doktrin die Notwendigkeit des unentwegten gesellschaftlichen und politischen Fortschritts zur Sprache gebracht hat - ein Anliegen, das sich die Vertreter der Aktionsgruppe Banat auf die Fahne geschrieben haben - und führt chronologisch geordnet bis in die Gegenwart.

Im dritten Teil des Bandes schließen sich an Wagners Lyrik Gedichte aus der Feder Ilse Hehns, Werner Kremms, Johann Lippets, des Verlegers Traian Pop, Horst Samsons sowie Gedichte und Texte Hellmut Seilers an. Der lange Zeit als verschollen gegoltene Text Werner Kremms Periamportbewusstsein. In memoriam August 1974 wurde auf derselben Schreibmaschine getippt, auf welcher auch Wagners Debütband Klartext in einer ersten Fassung entstanden war, sowie mehrere Texte der Aktionsgruppe Banat. Johann Lippets Text ich könnte meinen kopf zum museum erklären oder Richard Wagner in Selbstzeugnissen gewährleistet durch die Montage von Gedichtüberschriften und Gedichtzeilen Wagners einen Querschnitt durch dessen lyrisches Schaffen von den Anfängen in Klartext aus dem Jahre 1973 bis zum Gedichtband Linienflug aus dem Jahre 2010.

Der vierte Teil des Bandes stellt zwei Prosatexte von Gerhard Ortinau und Anton Sterbling nebeneinander. Gerhard Ortinaus 1975 verfasste und in seinem Debütband mit Kurzprosa Verteidigung des Kugelblitzes 1976 veröffentlichte letzte banater Story ist der Zensur entgangen. In Form eines offenen Briefes „an den genossen r. wagner” in Temeswar führt der auf den Mond verschlagene Briefschreiber dem Adressaten auf dessen ausdrückliches Verlangen das sich dort befindende Banater Museum in grotesker Manier vor. Die Ausstellungsräume des Museums dokumentieren die Geschichte des Banats auf 16 Stockwerken von der Befreiung aus der türkischen Herrschaft durch Eugen von Savoyen, über die Einwanderung der Banater Schwaben bis zum Briefschreiber selbst, der sich als Exponat des Museums erlebt.

In seinem Prosafragment Die serbische Katze, die nie nach Horka kam zeichnet der Soziologe Anton Sterbling ein pessimistisches Zukunftsbild der deutschen, stark durch die muslimische Einwanderung geprägten Gesellschaft. Aus dem ehemaligen Deutschland ist die „Juchtenkäferrepublik” hervorgegangen, ein Staat, in dem die grün-linke Regierung an der Macht ist und in dem die Banater Schwaben in die großkoreanischen Straflager in Japan, das zu einem Teil Großkoreas geworden ist, deportiert werden.

So wird das groteske Neuzusammenfügen von geschichtlichen Elementen sowie die Dekonstruktion der Traditionen der Banater Schwaben bei Ortinau durch die sarkastische Zukunftsperspektive eines Soziologen auf Deutschland und das Schicksal der dorthin ausgewanderten Banater Schwaben ergänzt.

Der letzte Teil des Bandes enthält Essays, kunsthistorische und literaturwissenschaftliche Beiträge. Während Peter Motzans Beitrag sich den deutsch(sprachig)en Minderheitenliteraturen in Rumänien in den Jahren 1919-1989 widmet und somit den Hintergrund für die Beschäftigung mit Wagners Werk schafft, fokussieren die Beiträge Stefan Sienerths, Rudolf Herberts, Walter Engels und Gerhard Csejkas verschiedene Aspekte der wagnerschen Biographie oder seines Schaffens.

Zur Gestaltung des Bandes tragen maßgeblich die Graphiken und Malereien des aus dem Geburtsort Richard Wagners, aus Perjamosch, stammenden Künstlers Walter Andreas Kirchner bei, dessen Bild „Orpheus - mit ihm entschwindet der Gesang” auch den Buchumschlag bestimmt, während die Innenseiten des Buchumschlags geistreiche Zitate Wagners in den Blickpunkt rücken.

Abgerundet wird der Band durch die Auflistung der Veröffentlichungen und Auszeichnungen Richard Wagners sowie durch die biobibliographischen Angaben der in den letzten drei Teilen des Bandes zu Wort kommenden Autoren.

So ist der Band nicht nur den Kennern von Richard Wagners Oeuvre zu empfehlen, denen er durch die zahlreichen Perspektiven darauf auch einige Überraschungen bereithält, sondern, mittels der darin veröffentlichten Lyrik und Kurzprosatexte, auch Einsteigern in die rumäniendeutsche Literatur im Allgemeinen oder in die Banatdeutsche Literatur im Besonderen.