Chancen für Deutschböhmensiedlungen

Eine Veranstaltung der Kulturgesellschaft „Metarsis“ in der Wolfsberger „Heimatstubn“

Viele der Teilnehmer nahmen auch das Sitzen in der prallen Sonne in Kauf, um von der Veranstaltung im Innenhof der „Wolfsberger Heimatstubn“ etwas mitzubekommen.

Der Augenblick war nicht ungeschickt gewählt, eine Veranstaltung über die Deutschböhmen am Semenik im Hochsommer in der Wolfsberger „Heimatstubn“ zu veranstalten. Neben interessierten Touristen und „Neuwolfsberger (Wochenend-)Siedlern“ zeigten auch einige der hier ihren Urlaub verbringenden Wolfsberger Interesse an der Veranstaltung, für die, einmal mehr, die Reschitzaer Kulturgesellschaft „Metarsis“, gezeichnet hat. Das Ehepaar Camelia und Lucian Duca, das auch die alternative Buchhandlung „Semn de Carte“ betreibt, gehört selbst zu den Wochenend-Neusiedlern von Wolfsberg. Und neben dem Kreuzweg, den Lucian Duca initiiert hat, organisieren sie dauernd Veranstaltungen, die implizite einen Übergang schaffen sollen zwischen Entsiedlung von Wolfsberg und Weidenthal und Neubesiedlung und Heimischwerden der Wochenendsiedler.

Heimischwerden setzt Identifizierung mit der Vergangenheit voraus. Oder zumindest deren Kennenlernen und Kenntnis. Das hat die Kulturgesellschaft „Metarsis“ Anfang August auch versucht mit ihrem Veranstaltungstag, der den Deutschböhmen gewidmet war

Hochschulprofessor Martin Olaru war angereist und hat zusätzliche Möglichkeiten der touristischen Entwicklung dieses Raums in 1000 Meter Seehöhe skizziert sowie die vielfältigen, bislang ungenutzten Chancen aufgezeigt, die aktivierbar wären – alles leider ohne die Anwesenheit von jemand aus dem hiesigen Rathaus, wo der halblegal residierende Bürgermeister Bordea wohl ausschließlich seinen  eigenen Gschäfterln nachgeht – wie es böse Zungen verbreiten.

Auf Olaru folgten drei junge Forscherinnen, die der Temeswarer wissenschaftlichen Bewegung „Das Dritte Europa“, vor allem dem verstorbenen Dr. Valeriu Leu und der Hochschullehrerin Smaranda Vultur, verpflichtet sind: Adela Lungu-Schindler, Iasmin Dariana Stanciu und Angelica Herac. Alle drei haben in Temeswar Philologie studiert, sich der oral history verschrieben und jede hat den Fokus ihres Interesses auf die Deutschböhmen des Banater Berglands gerichtet.

Adela Lungu-Schindler hat mitgearbeitet am Sammelband von Smaranda Vultur über die Deutschen im Banat – ein Buch, das längst ins Deutsche hätte übersetzt werden müssen und zu den ganz wenigen gehört, die die Unterstützung des Deutschen Forums wirklich verdienen. Sie stellte dieses bei Paideia 2002 erschienene Druck-Erzeugnis vor.

Iasmina Dariana Stanciu stammt aus Slatina Timi{, hat schon dadurch Bezug zu den Deutschböhmen – Alt-Sadowa – was sie über ihre Lizenzarbeit zu eingehenderen Studien über diese brachte, die sie heute noch, ein paar Jahre nach Studienabschluss, fortsetzt. Ihr käme beispielsweise auch das umfangreiche, nahezu vollständig erhaltene Archiv des Jakob Weinfurter zugute, der nach dem ersten Weltkrieg in Wolfsberg das „Luftschnapperwesen“ in engster Zusammenarbeit mit den Reschitzaer Sozialdemokraten begründet hat. In dessen Archiv sind nicht nur die akribisch verzeichneten Zuteilungen der „Luftschnapper“ auf einzelne Häuser zur Miete verzeichnet, sondern auch das Menü, das ihnen jeweils vorgesetzt wurde, mit viel spezifisch Deutschböhmischem – wie es allmählich neu erweckt und reaktiviert wird. Am Abend jenes Tages, beim Ball, setzten auf Urlaub befindliche Wolfsbergerinnen den Gästen „echt Wolfsberger Sauerkraut“ vor – durchaus ein kulinarischer Erfolg!

Das Kulinarische bei den Wolfsbergern war denn auch das Thema von Angelica Herac, die sich bemüht, von den wenigen Verbliebenen und aus der Erinnerungskiste „alter Kenner Wolfsbergs“ das Letzte herauszuquetschen. Die Chancen stehen nicht schlecht. Nicht zuletzt stellte Ancu]a Dorohoi ihre Doktorarbeit (bei Roxana Nubert) über die Deutschböhmen vor, die durchaus veröffentlicht werden sollte.

Das findet auch der Prorektor der Reschitzaer Hochschule „Eftimie Murgu“, Gheorghe Popovici, der ein breitangelegtes Buch über das Banater Bergland und seine touristischen Möchkeiten und Chancen herausgebracht hat und, zusammen mit Martin Olaru, den Kreis der touristischen Evaluierungen abschloss.

Den krönenden – viele auch zu bitteren Tränen anregenden – Abschluss bildete der Dokumentarfilm von Thomas Ciulei, „Wie der Vogel am Zaun...“, die Dokumentation der Auswanderung der Deutschböhmen aus Weidenthal 1990-1992, die Abschlussarbeit Ciuleis an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen.