Das zackenzahnige Donauufer

Umweltschützer machen auf Gesetzeschaos aufmerksam

Das Mraconia-Kloster am rumänischen Donau-Ufer

Die Donauklamm bietet vom serbischen Ufer aus betrachtet spektakuläre Aussichten.

Das Naturerbe soll geschützt werden – auch auf Privatgrundstücken.
Fotos: Zoltán Pázmány

Orawitza/Neumoldowa -  Die Volontäre der Ökogruppe für Zusammenarbeit  („Grupul Ecologic de Colaborare“ - GEC) Nera haben am letzten Samstag im September die Situation des Uferbereichs des Donaustausees Eisernes Tor I im Weichbild der Gemeinden Sicheviţa, Berzasca, Svini]a und Dubova untersucht. Im anschließenden Kommuniqué machen sie auf „die häufigen Übertretungen von Gesetzen und Umweltregelungen“ aufmerksam, aber auch auf „die Schwierigkeiten, diese Gesetzesübertretungen effizient zu stoppen“. Die damit beauftragten Autoritäten stoßen immer häufiger auf „legislative Inkohärenz“, wodurch die Erfüllung ihrer Aufgaben unmöglich gemacht wird, konstatierten die Umweltschützer.

„Im Weichbild der Gemeinden Sichevi]a, Berzasca und Svini]a gibt es elf Ortschaften, wo Privatunternehmer Geschäftsinitiativen im Uferbereich des Donaustausees entwickelt haben und zwischen 30 m und 120 m auf der Oberfläche des Stauseebereichs baulich vorgestoßen sind“, heißt es im Kommuniqué, das die PR-Beraterin von GEC Nera, Doina Mărgineanu, unterzeichnet. „Oberflächlich betrachtet und im Einklang mit dem Gesetz der Gewässer/Legea Apelor, ist diese Inbesitznahme durch Verbauung illegal. Eine Nachfrage bei der Verwaltung der Rumänischen Gewässer/Administraţia Apele Române ergab allerdings, dass nach dem Bau des Staudamms des Wasserkraftwerks am Eisernen Tor I im Uferbereich der Donau zahlreiche Grundstücke der Anwohner überflutet wurden, so dass man vielerorts entlang des Donaulaufs mit der Situation konfontiert wurde, dass faktisch der Uferbereich des Stausees im Besitz der Apele Române sein müsste, während gleichzeitig das Kataster nicht geändert wurde und die alten Besitzer von jetzt gefluteten Grundstücken am Ufer des ehemaligen Laufs der Donau nun weiterhin als Besitzer fungieren, und zwar des Ufer- und Randbereichs des Stausees. Im Kataster ist nichts geändert, bzw. der Reallage angepasst worden.“

Schritteverzögern vom Wort zur Tat

Die „legislative Inkohärenz“, von welcher die Volontäre von GEC Nera nach Inaugenscheinnahme und Gesprächen vor Ort schreiben, besteht also in der Kollision zweier Gesetze, von denen dem Katastergesetz von den Gerichtsinstanzen Priorität eingeräumt wird – so zumindest die bisherigen Urteile, die rechtskräftig geworden sind, nach Prozessen, die von der Gewässerverwaltung oder der Verwaltung des grenzüberschreitenden Naturparks Eisernes Tor I angestrengt wurden. Denn auch das Gesetz über die Geschützten Naturräume/Legea Ariilor Protejate bezieht sich auf Aspekte, die im Gesetzesgewirr unklar geblieben sind.

Die drei Gesetze sind zu verschiedenen Zeitpunkten erlassen, aber nie untereinander abgestimmt worden, außerdem weder zu Ende gedacht noch konsequent umgesetzt worden. So kamen letztendlich die legislativen Überlappungen und Widersprechungen zustande und eigentlich sind die alten Besitzer der jetzt überfluteten Grundstücke am Donauufer nach wie vor faktisch die Besitzer des Uferbereichs bis ins Donaubett hinein, weil sich im Grundbuch nie etwas geändert hat, zumal in den 1970er Jahren zwar von Enteignungen im öffentlichen Interesse gesprochen, diese aber nie durchgeführt wurden. Nun erntet man die Folgen von Hinausschiebungen und Verzögerungen.

Ist die Anormalität normal?

In der Alltagspraxis schaut das dann so aus: so oft die Apele Române, aufgrund des Gesetzes, nach dem sie sich zu richten haben, Bau- oder Eingriffsintentionen im Uferbereich des Donaustausees nicht genehmigt, werden sie vor Gericht gezerrt und verlieren prompt die Prozesse, weil das Katastergesetz älter ist und Vorrang hat. Dann werden die Apele Române, sollten sie nicht auch Schadenersatzforderungen nachkommen müssen, zu positiven Bescheiden verurteilt und müssen diese abgeben. Neuerdings handeln die Apele Române allerdings anders, mit Berufung auf diese Gerichtsurteile und deren Begründung, und erlauben ganz einfach das Verbauen des Uferbereichs des Donaustausees. Vor allem in den (nicht seltenen) Sondersituationen, wo hinter dem Genehmigungsgesuch zur Verbauung des Donauufers und ufernahen Stauseebereichs ein „starker politischer Rücken“ (Originalton GEC Nera) steckt. Dazu der Kommentar von GEC Nera: „Es wird den rumänischen Autoritäten ziemlich schwer fallen, weiterhin die Vertreter der Donaukommission zu überzeugen, dass die aufgezeigten rumänischen Gesetzesanomalien normal sind, auch im Kontext, wo ab 2014 die Donaustrategie in Kraft tritt.“

Auch der Naturpark Eisernes Tor I hat derartige Überlappungsprobleme. Es gibt im Rahmen des Managementplans des Naturparks – der der Regierung schon seit längerem wegen der Ausarbeitung eines Regierungsbeschlusses vorliegt, ohne bislang Beachtung gefunden zu haben – eine Art Parzellierung des Uferbereichs. GEC Nera: „Viele der Vollschutz-Zonen, die darin vorgesehen sind und die sich am Donauufer befinden, überlagern sich mit den Privatgrundstücken, die laut Grundbuch immer noch den früheren Besitzern gehören. Und darauf werden gegenwärtig Geschäftstätigkeiten abgewickelt.“

Nur ein Regierungsbeschluss verleiht Gewicht

GEC Nera stellt Fest: „Die Verwaltung des Naturparks Eisernes Tor I hat begonnen, an die Übertreter des Naturparkgesetzes Geldstrafen auszuteilen, weil Wirtschaftstätigkeiten hier nur unter bestimmten – streng restriktiven – Voraussetzungen stattfinden dürfen, die nach Meinung der Parkverwaltung übertreten werden. Dabei stützt sich die Parkverwaltung auf den Beschluss des wissenschaftlichen Beirats des Naturparks - ohne einen Regierungsbeschluss in der Hinterhand zu haben. Aber bis zur Verabschiedung eines Regierungsbeschlusses zur Genehmigung des Managementplans des Naturparks hat die Genehmigung des wissenschaftlichen Beirats nicht mehr Wert und Auswirkung als irgendein Beschluss einer Bewohnergemeinschaft eines Wohnblocks auf das Schicksal einer Stadt – kein Gericht läßt sich damit beeindrucken!

Anders gesagt: Das Gesetz über die Geschützten Naturareale ist nur anwendbar, wenn ein Regierungsbeschluss den Managementplan eines bestimmten Geschützten Naturareals genehmigt. Die Staatsanwaltschaften und die Gerichte nehmen Klagen, die allein auf dem Naturschutzgesetz fußen, erst mal überhaupt nicht zur Kenntnis, und wenn die beklagten Aktivitäten noch so offensichtlich illegal sind.“

Regierungstätigkeit auf Privatgrundstücken

Die Lage sei in ganz Rumänien die Gleiche, schreibt GEC Nera in seinem Kommuniqué, und alle Klageversuche der Verwaltungen von Naturparks gegen Gesetzesübertreter seien landesweit abgewiesen worden – wenn und wo es keinen verstärkend begleitenden Regierungsbeschluss zum Naturparkgesetz gegeben hat. „Unter diesen Umständen sind illegale Aktivitäten der Aggression gegen das Naturgut nicht zu belangen“, schlussfolgert GEC Nera.

Aber es könnte noch schlimmer kommen im Gesetzeswirrwarr: „Auch nach der Genehmigung des Managementplans durch die Regierung wird die Verwaltung des Naturparks unmöglich korrekt ihre Schutz- und Konservierungsaufgaben erfüllen können. Denn sie muss dann auf Privatgrundstücken tätig werden. Praktisch schaut die Lage dann so aus: eine Regierungstätigkeit – der Schutz und die Konservierung des Naturerbes – muss/müsste auf Privatgrundstücken  durchgeführt werden.“

Deren Enteignung schon beim Bau des Staudamms am Eisernen Tor I versäumt oder verschlampt wurde. Um also wirklich die Regierungskompetenz des Naturschutzes auf diesen Privatgrundstücken am Donauufer ausüben zu können, muss die Regierung sich entweder schleunigst entscheiden, diese doch noch „im Interesse der Öffentlichkeit“ und etwa 45 Jahre post-factum zu verstaatlichen – eine eindeutig unpopuläre Maßnahme, vor der jede Regierung zaudert – oder die Verwaltung dieses Nationalparks von europäischer Bedeutung muss Kauf- bzw. Genehmigungsverhandlungen von Schutz- und Konservierungsmaßnahmen auf jedem einzelnen Privatgrundstück initiieren, direkt mit jedem einzelnen Besitzer erfolgreich verhandeln – eine Jahrzehnteaufgabe.

Sonst wird das Donauufer zackzahnig wie ein Sägeblatt, eine unendliche Alternanz von geschützten und nicht geschützten Uferabschnitten. Zudem setzt der Kauf der Grundstücke bzw. die Entschädigungen seitens des Staates im Falle von Verstaatlichungen einerseits eine korrekte Wert-Schätzung, andrerseits Geld zum Ankauf oder Geld bzw. staatliche Grundstücke als Tauschgut zur Entschädigung voraus. Denn rechtlich einwandfrei und unangreifbar wird die Verwaltung des Naturparks nur vorgehen können, wenn die Besitzverhältnisse ein für allemal geklärt sind.“