DER BZ-KOMMENTAR: „Neusprech“

Sebastian Kurz, Österreichs Aussenminister, sagte in einem Vortrag vor der CDU-nahen Bertelsmann-Stiftung: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu viele Tabus entwickeln, über die nur die Rechtspopulisten sprechen dürfen.(...) Es gibt einen Gap[1] zwischen Eliten und Bürgern.(...) Wir haben ein wahnsinniges Problem mit Political Correctness“.

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen meinte in einem „Spiegel“-Interview: „Die Political Correctness ist überzogen worden“, „der soziale Druck, homogen zu antworten, war zu hoch“, was zum Vertrauensverlust des Wahlvolks in die Politik und zu Vertrauensgewinn für Querköpfe wie Donald Trump (oder Rechtspopulisten europaweit – oder im Wahlkampf Rechtspopulismus mimende rumänische PS-Demokraten) führte.

In einer Wahlversammlung kollerte Donald Trump mit der ihm eigenen Unverfrorenheit: „I don´t frankly have time for total political correctness“ (= Ich habe offengestanden keine Zeit für totale politische Korrektheit – wobei er allein mit dem „Totale“ übertrieben hat, denn „political correctness“ ist dem schnuppe). Dass ihm (auch) deshalb die Stimmen am 11. November zugeflogen sind, darüber ist man sich inzwischen international einig.

Interessant, was zwei Hollywood-Schauspieler, nicht unbedingt als Trump-Parteigänger bekannt, übers Thema gesagt haben: „Politische Korrektheit ist Tyrannei mit einem fröhlichen Gesicht“ (Charlton Heston). Und: „Wir leben in einer Generation, in der sich alle gegenseitig den Arsch küssen. Wir sind wirklich eine Pussy-Generation. Alle laufen wie auf Eierschalen“, um ja nicht irgendwie öffentlich anzustoßen oder Anlass zum Verdacht zu geben, Faschisten, Rassisten, Antisemiten, Rechtsradikale oder Ähnliches zu sein, so Clint Eastwood in einem Interview für „Esquire“.

In George Orwells genialer Zukunftsvision (dem 1949 geschriebenen Roman „1984“) wird dem Volk durch den totalitären Überwachungsstaat „Neusprech“ beigebracht (man überlege, was die amerikanische NSA vermag oder was die staatsunterstützten russischen Hacker verbreiten), die Sprache der politischen und Geistesmanipulation (wie, ganz konkret, in Nordkorea). „Neusprech“ und Geschichtsklitterung sind bei Orwell die Hauptdomänen der Indoktrination (nach heutigem Verständnis: der „politischen Korrektheit“), so dass das „Ministerium für Liebe“ die Gedankenpolizei führt und das „Ministerium für Wahrheit“ für die Geschichtsfälschung verantwortet: „Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten – dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit“, heisst es bei Orwell.

Wie hieß es doch bei PSD-Chef Dragnea: „Ich bin der einzige, der das Regierungsprogramm von Anfang bis zum Ende kennt!“

Wo endet die Lüge, wo beginnt die Wahrheit?


[1] Denglisch für „eine Kluft“