Der Fiskus als Staatstrottel

Dass es sich in diesem Land nicht „auszahlt“, ein kleiner Dieb zu sein, das war spätestens seit Zeiten der Nastase-Regierung klar: Hühnerdiebe sassen länger im Gefängnis als diejenigen, die Millionen „beiseite schafften“. Dann hat sich das allmählich geändert und das erste wahrlich ab-schreckende Urteil dürfte jüngst jenes gegen den Schmiergeldrichter gewesen sein, der für 22 Jahre ins Gefängnis muss.

Eins ist klar: den perfekten Diebstahl gibt es nicht – nicht mal vom Staatsvermögen! – aber auch das vollkommen gerechte Urteil gibt es nicht! Noch nicht?

Die Fakten: die Untersuchungs- und Verhaftungsorgien der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA riefen die natürliche Frage auf den Plan, wieviel denn, laut DNA, nachweislich in einem Jahr die Großkopferten Rumäniens stehlen. Die Antwort gab die unlängst mit dem Preis der Gruppe für Sozialen Dialog, GDS, dem Hauptexponenten der bürgerlichen Gesellschaft in Rumänien, ausgezeichnete Oberstaatsanwältin Laura Codru]a Kövesi auf der im Beisein von Staatspräsident Klaus Johannis abgehaltenen DNA-Jahresbilanztagung: 379,7 Millionen Euro, zwischen den Bilanzversammlungen 2014-2015.

Für uns, als Steuerzahler, fällt aber schwerer ins Gewicht, was davon, übers Finanzamt, zum Staat rückgeführt wurde: laut Kövesi – 5,4 Millionen Euro.

Die Kollegen von einer der probatesten Publikationen Rumäniens, „Ziarul Financiar“ (ZF), stellten eine Berechnung an, die von der durchschnittlichen Schmiergeldsumme ausgeht, die für einen zugeschobenen oder gemauschelten Staatsauftrag „fällig“ ist: 20 Prozent der Gesamtsumme (siehe die Fälle Elena Udrea, Radu Mazare, Dan Sova, Sebastian Ghita oder Darius Vâlcov). Das ist im Bukarester Gossenslang das „paraînd²r²t“ (etwa: „Rückgabeschuld“), nach dem laut rumänischen Medien und Staatsanwaltschaft dieses Land „funktioniert“ und das früher und unter den einfachen Leuten mit „Ich hab ihm/ihr sein/ihr Recht gegeben“ (im Original: „I-am dat dreptul!“) rechtfertigt wurde.

Laut Nach-Rechnung des „parandarat“ durch den ZF wechseln auf diesem Weg der 20-Prozent-Regel jährlich in Rumänien 2,6 Milliarden Euro den Besitzer, aus Staats- oder EU-Quellen in die privaten Taschen zeitweiliger Amtsinhaber – und von dort wohl ins Ausland... Mag sein, dass ein geringer Teil auch schwarz in Parteikassen landete, von den etwa 26 Milliarden Euro der letzten zehn Jahre.

Einerseits tut die DNA also noch viel zu wenig, um Raub und Diebstahl an öffentlichen Geldern zu bekämpfen - oder mindestens einzudämmen. Andrerseits haben wir einen völlig vertrottelten Fiskus, der nicht einmal im Stande ist, nachweisbar geraubtes Geld zurückzuholen (na ja, wenn ein mutmaßlicher Dieb wie Darius Vâlcov ihn leitet...).

Oder sollten alle nach einer einfachen Regel leben: Zuerst massiv stehlen und das Diebsgut im dicksten Strohsack[1] gut verbergen. Dann eine Gefängnisstrafe – natürlich auf Staatskosten! – absitzen und sich hinterher der Summe aus dem Strohsack erfreuen, die man in Freiheit nie ehrlich verdient hätte!

 


[1] Im Banat verwenden die Rumänen den dialektalen Begriff „strujac“, aus dem Deutschen, und sagen „Tâne banii la strujac!“ (Er/sie hält sein/ihr Geld im Strohsack“).