Der „Franz Stürmer”-Chor in Reschitza: 30 Jahre nach seiner Gründung

Der Chor bleibt auch in Zukunft ein würdiger Träger deutscher Singkultur im Banat / Rumänien. Foto: DFBB

Am 27. Mai 2021 feierte der „Franz Stürmer“-Chor des Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“ und des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen (DFBB) seinen 30. Geburtstag innerhalb eines besonderen Rahmens. Im Hof des Deutschen „Alexander Tietz“-Zentrums fand innerhalb der Buchpräsentation des rumänischen Schriftstellers und Diplomaten Emil Hurezeanu (kürzlich zum Botschafter Rumäniens in Wien ernannt), im Beisein auch der Botschafterin Österreichs in Bukarest, Isabel Rauscher, auch die Würdigung der 30 Jahre des Reschitzaer Chors, statt.

Zum Jubiläum, kehren wir in der Geschichte und jetzigen Dasein des Chors ein: „Auf Initiative von Yvonne Demenyi, Terezia Schulz, Gerda Chladny, Anna Stuiber und Elenore Caplea fand am 27. Mai l.J. die Gründung der Gesanggruppe des Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins Deutsche Vortragsreihe Reschitza statt. Diese Gesanggruppe, bestehend zurzeit aus 20 Frauen, trachtet in Zukunft das deutsche Liedergut zu fördern, alte wie auch neue Lieder vorzutragen, in der Gemeinschaft des Vereins dazu beizutragen, engere menschliche Kontakte zu schließen.” Das war im „Echo der Vortragsreihe”, Jg. 2, Nr. 6 (18), Juni 1991, zu lesen, als erste Information über die Existenz dieser neuen deutschen Kulturformation Reschitzas. Eigentlich kam die Initiative zur Gründung des Chors anlässlich einer Reise nach Graz, Neumarkt und Böheimkirchen, die im Mai 1991 stattfand. Ein Teil der im „Echo der Vortragsreihe”-Beitrag erwähnten Damen haben sich der Sache ernst angenommen und so kam es, dass am 27. Mai die erste Begegnung stattfand. 20 Teilnehmer waren bei dieser ersten Begegnung im Hause von Eleonore Caplea dabei. So war es am Anfang: Die ersten Proben wurden bei den einzelnen Mitgliedern zu Hause abgehalten. Damit wollte man den Gemeinschaftssinn fördern. Die Zahl der Mitglieder wuchs aber sehr bald, so dass es unmöglich war, sich bei den Mitgliedern zu begegnen. Man zog ins damalige Gebäude des Forums und von nun an fanden alle Proben beim Sitz des DFBB statt.

Der erste Auftritt war anlässlich der „Deutschen Literaturtage in Reschitza”, I. Auflage, am Sonntag, dem 9. Juni 1991, also 12 Tage nach der ersten Probe. In der Anfangszeit probten die Damen mit Yvonne Christa Demenyi und Elisabeth Dijmărescu.

Die erste Dirigentin des Chors war Musiklehrerin Ildiko Wiesner, die das Fach Musik auch in den deutschen Abteilungen der Schulen Reschitzas unterrichtete. Sie leitete die Frauensinggruppe vom 26. Februar 1992 bis zum 15. Dezember 1993. Unter Musiklehrerin Wiesner entfaltete sich das Repertoire maßgeblich. Es wurden Kanons, deutsche und anderssprachige Volkslieder eingelernt. Krankheitshalber musste sie im Dezember 1993 zurücktreten.

Ihr folgte die ausgebildete Gesangslehrerin Waltraud Muntoi. Sie war für ihre gute Sopranstimme bekannt und verhalf dem Chor zu neuen Erfolgen. Unter ihr wurden Weihnachtskonzerte einstudiert und es wurden Lieder aus dem Alpenland, aus Österreich und Deutschland, eingelernt. Sie starb, für viele unerwartet, am 12. Mai 1999, nach einem kurzen, schweren Leiden.

Ab dem 9. Juni 1999 bekam die Frauensinggruppe die Musiklehrerin Adrianne Păunel als neue Dirigentin. Unter ihrer Leitung wurden hauptsächlich Volkslieder aus dem Banater Bergland einstudiert, mit denen man in Zusammenarbeit mit dem „Banater Bergland”-Trio die erste CD und MC unter dem Titel „Gruß aus dem Banater Bergland” im November 1999 aufnahm. Die Tonträger wurden am 1. Februar 2000, anlässlich des 10-jährigen DFBB-Jubiläums vorgestellt. 2002 wurde die zweite CD und MC unter dem Titel „Gruß aus dem Banater Bergland II“ aufgenommen. Adrianne Păunel leitete den Chor bis am 4. Oktober 2003, als sie nach Temeswar übersiedelte (sie verstarb nach schwerem Leiden, in Temeswar, am 4. August 2011). Ab Oktober 2003 leitet die Musiklehrerin Elena Cozâltea den Chor. Unter ihr erschien auch die dritte CD „Gruß aus dem Banater Bergland III“ im Jahre 2018.

Der Leitungsrat des Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins „Deutsche Vortragsreihe Reschitza” hat im Einvernehmen mit der Leitung des DFBB am Mittwoch, dem 15. Dezember 1999 beschlossen, der Frauensinggruppe des Reschitzaer Kulturvereins den Namen „Franz Stürmer” zu geben. Die Frauensinggruppe bekam somit den Namen eines der bedeutendsten deutschen Chordirigenten des Banats aus dem XX. Jahrhundert. Franz Stürmer, geboren am 3. Januar 1913 in Neu-Moldowa, war Schüler des deutschen Realgymnasiums in Temeswar und studierte anschließend an der Klausenburger Musikhochschule. Ab 1939 und bis zu seinem Lebensende wirkte Franz Stürmer als Musikpädagoge, mit einer Unterbrechung in den Jahren 1944 - 1945, als er an der Front seinen Militärdienst in der rumänischen Armee, hauptsächlich als Dolmetscher, leistete. Als Musiklehrer wirkte er vor dem Krieg in der „Banatia“ aus Temeswar (die größte deutsche Schuleinheit Südost-Europas), danach im deutschen Realgymnasium  (heute „Nikolaus Lenau“-Schule) und seit 1963 in der Reschitzaer Musikschule. Während seines Temeswarer Aufenthalts war er Mitglied der Temeswarer Staatsphilharmonie (Viola), leitete mehrere Gewerkschaftschöre und den Bauernchor von Chizătău, mit dem er zahlreiche Preise errang. In Reschitza hat Franz Stürmer ebenfalls als Dirigent gewirkt: Er leitete den Schülerchor, den römisch-katholischen Kirchenchor, den Chor der deutschen Operettengruppe, das Arbeitersymphonieorchester und das Kammerorchester der Lehrkräfte der hiesigen Musikschule. Gleichzeitig spielte Stürmer die erste Geige im Hausquartett von Msgr. Paul Lackner. Franz Stürmer komponierte Stücke, die er mit den von ihm dirigierten Chören vortrug und bearbeitete einige deutsche Volkslieder aus dem Banater Bergland für den Chorvortrag. Er starb am 14. Oktober 1983 und wurde am Reschitzaer deutschen Friedhof Nr. 3 beigesetzt.

Das erste Akkordeon für die Begleitung des „Franz Stürmer“-Chors war das von der Akademischen Sängerschaft „Gothia“ zu Graz bekommene Instrument, das am 17. September 1991 vom damaligen Dr. Doz. Reinhold Reimann aus Graz / Steiermark überreicht wurde.

Ein wichtiger Augenblick im Leben des Chors war der Besuch des steirischen Landesrats a.D. Arch. Dipl.-Ing. Michael Schmid (Graz), der anlässlich seines Besuchs bei der Eröffnung der Kulturdekade 1997 in Reschitza versprach, dem Chor neue Trachtenkleider zu schenken. Eine ganze Woche lang (30. März - 4. April 1998) arbeiteten drei Steirerinnen aus Graz: Elisabeth Thalhammer, Margareta Papp und Sylvia Tschepinko zusammen mit Mitgliedern der Frauensinggruppe an diesen neuen Trachten beim DFBB-Sitz in Reschitza, auf Initiative des Alpenländischen Kulturverbands „Südmark“. Am 9. Oktober 1998 trat der Chor zum ersten Mal in den neuen Trachten auf: Das geschah in Karansebesch zum fünften Heimattag der Banater Berglanddeutschen und der Festeröffnung der VIII. Auflage der „Deutschen Kulturdekade im Banater Bergland“.

Dank des Alpenländischen Kulturverbands „Südmark“ zu Graz konnte man in der zweiten September-Hälfte 2002 eine Fortbildung im Chorgesang für den „Franz Stürmer“-Chor in die Wege leiten. Aus Graz kam dafür der Religionslehrer, Hobbydirigent und Mitglied des Grazer Opernchors, Mag. Friedrich Drexler ins Banater Bergland. Diese Fortbildung wurde im August 2003 und im Juli 2004 wiederholt, ebenfalls mit Mag. Friedrich Drexler.

In der Zeitspanne 27. Mai 1991 - 30. Mai 2021 haben sich in den „Franz Stürmer”-Chor 101 Sängerinnen eingeschrieben. Zurzeit besteht der Chor aus 24 Mitgliedern.

Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Auftritte bei allen wichtigen Veranstaltungen des Banater Berglanddeutschtums wie z.B. Kulturdekade und Literaturtage verzeichnet. In Rumänien waren es: Alt-Sadowa, Bakowa, Bokschan, Detta, Deutsch-Saska, Deutsch-Tschiklowa, Dognatschka, Drobeta Turnu-Severin, Ferdinandsberg, Franzdorf, Gârliște, Großsanktnikolaus, Großwardein, Gurahumora, Hatzfeld, Ilidia, Karansebesch, Klausenburg, Lenauheim, Liebling, Lugosch, Neppendorf, Neu-Palota, Orawitza, Orschowa, Petroschen, Reschitza, Russberg, Steierdorf / Anina, Suczawa, Târgoviște, Temeswar, Tirol und Wolfsberg.

In Temeswar gibt es sehr gute Beziehungen zum Temeswarer Liederkranz. Weitere Freundschaften entstanden zum Buchenlanddeutsche Chöre aus Kimpolong und Radautz, zu den Musik- und Singgruppen aus Piatra Neamţ - „Edelweiß” - und Bacău - „Zwei Plus” -, zu den Freunden im Sathmarer Land - „Gute Laune“ - und nicht zuletzt zum „Lyra 2000”-Chor aus Reschitza. In den vergangenen Jahren pflegte der Chor besondere Beziehungen auch mit den Ukrainer-Chor des Kreises Karasch-Severin und mit der „Petroschener Liedertafel“. Im Ausland trat man in Ungarn (Szegedin, Schomberg, Boschok und Elek) und Österreich (Neumarkt in der Steiermark und in Südburgenland) auf, während in der Ukraine, in Czernowitz und in Kroatien, in Wukowar und Winkowitz aufgetreten wurde. Insgesamt wurde seit der Gründung am 27. Mai 1991 bis Ende Mai d.J. 525-mal aufgetreten.

Der „Franz Stürmer“-Chor befindet sich seit 1996 in den Evidenzen der Zentralstelle für den Deutschsprachigen Chorgesang in der Welt mit dem Sitz in Solingen (Deutschland) und ist seit 2002 Mitglied des Steirischen Sängerbundes in Graz, Mitgliedschaft, die in diesem Jahr erneuert wurde. Man ist bestrebt, die Initiative, Volkslieder aus dem Bergland und Alpenland ins Repertoire aufzunehmen, fortzuführen.