Deutsche Investoren und die Proteste

Ihre Hoffnung: aus den Protesten entsteht mehr Berechenbarkeit für die Wirtschaft

Seit zwei Wochen protestieren die Menschen in Temeswar und rumänienweit.
Symbolfoto: Constantin Duma

An allen Abenden der vergangenen Wochenenden gingen Hunderttausende auf die Straße - in Rumänien: Seit zwei Wochen halten nunschon die Proteste gegen die sozialdemokratische Regierung an, die in einer Art „Nacht-und-Nebel-Aktion“, unter anderem, Amtsmissbrauch von Politikern unter bestimmten Umständen straffrei stellen wollte - und das in einem Land, das einerseits seit zehn Jahren der EU angehört,  in dem andererseits aber immer wieder spektakuläre Korruptionsfälle für Schlagzeilen sorgten. Die Proteste lassen die zahlreichen deutschen Investoren, die in Rumänien ein Unternehmen gegründet haben, nicht unberührt. Wir besuchten ein Treffen des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs Banat, bei dem Dragoş Anastasiu von der Deutsch-Rumänischen IHK in Bukarest als Gast anwesend war.

Waldemar Steimer, der in Arad einen deutschen Versicherungskonzern vertritt, hat so etwas noch nie erlebt in jenen mehr als zwei Jahrzehnten, in denen er in Rumänien Geschäfte macht: dass der rumänische Geheimdienst jetzt auf Anordnung der Regierung angeblich überprüft, ob Mitarbeiter mit Firmenautos zu den Protesten gegen die Regierung fahren. „Ich wurde auch drauf hingewiesen, von anderen Kollegen, dass also der SRI, der rumänische Geheimdienst, beabsichtigt, hier zu überprüfen, ob multinationale Unternehmen an diesen Protesten beteiligt sind. In der Ausführung stand auch ganz genau drin, was so eine Beteiligung bedeuten kann: es reicht einfach aus, wenn man sich mit dem Firmenwagen zu dieser Demo bewegt. Dann ist das schon eine aktive Beteiligung eines multinationalen Unternehmens.“ In der Interpretation der immer für Verschwörungsszenarien offenen Regierungskoalition PSD/ALDE und der ihnen hörigen „Kommentatoren” und Fernsehsender. Das alles mutet wie ein schlechter Witz an in einem Land, das wirtschaftlich auf einem guten Weg zu sein scheint.

Stephan Rambacher arbeitet seit zwei Jahrzehnten in Rumänien, ist Chef eines holzverarbeitenden Unternehmens aus Deutschland, Werzalit in Lugosch: „Rumänien als Land ist in einem sehr guten Zustand, mit einem Wirtschaftsstandort von rund vier Prozent Wachstum, mit einer Verschuldungsrate, die EU-konform ist, und mit einer niedrigen Arbeitslosigkeit, also beste Voraussetzungen als Investitionsland.“

Hinzu kommt eine so genannte „Flat Tax” für die Unternehmensbesteuerung von 15 Prozent. All dies hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zahlreiche deutsche Investoren ins Land gelockt. Derzeit sind etwa 7500 Unternehmen mit deutscher Beteiligung registriert. Ein Schwerpunkt dabei: Automobilzulieferer - Unternehmen wie Mahle, Bosch, Conti, Hella – sie alle sind in Rumänien präsent. Daimler hat im siebenbürgischen Mühlbach/Sebeş rund 300 Millionen Euro in ein großes Getriebewerk investiert. Daneben haben auch deutsche Handelsketten, wie beispielsweise Kaufland, Müller oder Lidl, Rumänien als Standort entdeckt. Nach Angaben der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer gelten deutsche Unternehmen nach eingesetztem Kapital als drittstärkste Auslandsinvestoren in Rumänien.

Und nun die Proteste, die nach Ansicht vieler Investoren einerseits Risiken, andererseits aber auch Chancen für die Unternehmen bergen. Drago{ Anastasiu ist Präsident der deutsch-rumänischen IHK in Bukarest, steht daneben als Chef an der Spitze eines großen Touristik-Unternehmens - und hört von vielen seiner Mitarbeiter Unerfreuliches: „Es ist eine emotionale Entscheidung, dass die deutschen Unternehmer gesagt haben: Wir möchten nicht in einem Land leben ohne Vorausschaubarkeit. Und: wir überlegen, hier wegzukommen. Das hört man wieder in den letzten Tagen.“

Das wäre eine verhängnisvolle Entwicklung, haben doch in den letzten Jahren bereits über drei Millionen Rumänen ihr Heimatland verlassen und damit den Fachkräftemangel im Land selbst verschärft; in Industriestädten wie Temeswar liegt die Arbeitslosigkeit bei gerade mal einem Prozent. Andererseits bieten die Proteste aus Sicht der Wirtschaft auch die Chance zu einem Strukturwandel, hin zu mehr Berechenbarkeit. Ioana Ha]egan ist Rechtsanwältin in Temeswar und Vorstandsmitglied im Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat: „Es ist auch notwendig, dass wir einen anderen juristischen Rahmen in Rumänien schaffen. Darum geht es: Es ist wichtig in Rumänien, dass wir einen Dialog brauchen, dass alle Stufen der Gesellschaft gehört werden müssen. Solche Krisen sind durchaus wichtig und auch eine Chance, dass man dadurch Veränderungen schaffen muss.“

Veränderungen, die nach Ansicht von Ioana Ha]egan durchaus möglich sind. Sie nennt dafür ein Beispiel: „Rumänien hatte ein Imageproblem weltweit, als ein Korruptionsland. Und wir sind fest davon überzeugt, dass sich das durch diese Krise verbessern kann.“ Gerade in der Korruptionsbekämpfung habe sich, sagen die Investoren, in den vergangenen Jahren vieles zum Besseren gewendet: Drago{ Anastasiu, der Präsident der Deutsch-Rumänischen Industrie- und Handelskammer, verweist auf die Erfolge der rumänischen „Directia Na]ional² Anticorup]ie“, also der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft (rumänisches Kürzel: DNA), die sich in den vergangenen Jahren nicht scheute, zu Dutzenden Politiker und Verwaltungsmitarbeiter, die der Korruption überführt wurden, ins Gefängnis zu bringen. Rechtsanwältin Ioana Ha]egan: „Dieser Antikorruptionskampf ist vorbildlich für Europa gewesen. Und ist es noch. Und ich glaube, wenn man das vergleicht mit anderen postkommunistischen Ländern, ist Rumänien unbedingt ein Vorbild.“

Insofern erhoffen sich die Vertreter der deutschen Wirtschaft in Rumänien, dass am Ende der Proteste mehr Berechenbarkeit, mehr Rechtstaatlichkeit stehen könnten, glaubte IHK-Präsident Anastasiu bei seiner Begegnung mit den Mitgliedern des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs „Banat” in Temeswar.