Die Banalität der absoluten Macht

Film und Vortrag über Adolf Eichmann und seinen Prozess

Cristina Budac, Dozentin an der Westuniversität Temeswar, hat vor Kurzem den Votrag über Adolf Eichmann gehalten. Foto: Zoltán Pázmány

TemeswarVor 50 Jahren wurde der NS-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann, der jahrelang unbehelligt in Argentinien gelebt hatte, in Jerusalem zum Tode verurteilt. Ein Film und ein Vortrag an der Temeswarer Westuniversität haben den Prozess auch in Temeswar/Timişoara zum Gesprächsthema gemacht.

Sein Name steht für den organisierten Mord an sechs Millionen Juden, für den personifizierten „Schreibtischtäter“ und für die Verkörperung der „Banalität des Bösen“, wie ihn die Philosophin Hannah Arendt nannte. 50 Jahre sind es her seit der Eröffnung des weltweit beachteten Verfahrens gegen Adolf Eichmann, diesem halbkahlen Mann im schussicheren Glaskasten. Ein bedeutender Wendepunkt in der Geschichte des Völkermordes an den Juden, denn mit diesem Prozess begann auch die Phase des Erinnerns. Dieses Verfahren machte den Völkermord zum eigenständigen Geschehen innerhalb des Zweiten Weltkrieges und schrieb ihn so in die Geschichte ein. Zugleich markiert er den Beginn der Ära der Zeitzeugen, die heute noch andauert.

Ein Film und ein Vortrag wurde vergangene Woche zu diesem Anlass in der Temeswarer Universitätsbibliothek „Eugen Todoran“ veranstaltet. Das Event wurde vom Deutsche Kulturzentrum Temeswar im Rahmen der Ausstellung „Hannah Arendt - Vertrauen in das Menschliche" organisiert. „Verkörperung einer mörderischen Bürokratie: Adolf Eichmann“ betitelte sich der  Vortrag von Cristiana Budac zu Hannah Arendts Buch „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“.

Dabei alterierte Budac, Dozentin an der Temeswarer Westuniversität, ihren Vortrag mit Auszügen aus dem Film „Ein Spezialist“ – eine Dokumentation über den Jerusalemer Prozess gegen Adolf Eichmann. Ausgestrahlt wurden die wichtigsten Momente aus dem Prozess, so etwa die Verteidigung Eichmanns sowie die Anklage der Staatsanwaltschaft. „Er war ein frustrierter, eingebildeter Mensch, der eigentlich nie verstand, was er angerichtet hat“, so Cristina Budac, die sich ungefähr einen Monat mit der Vorbereitung des Vortrags beschäftigte.

War er nur ein „kleines Rädchen“ im Nationalsozialistischen System, wie er von sich selbst behauptete oder ein wichtiger Drahtzieher des Holocaust? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Dozentin Cristina Budac in ihrem Vortrag, am vergangenen Freitag, in der Temeswarer Universitätsbibliothek. Bis heute wird kontrovers beurteilt, wie wichtig eigentlichder NS-Kriegsverbrecher und ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann innerhalb des Nazi-Systems war. Fakt bleibt: Er war ein Logistiker des Todes und sorgte für die Einhaltung der Fahrpläne und die angemessene „Auslastung“ der Züge, die die Menschen zu den Stätten ihrer Ermordung brachten. Dadurch schickte er während des Zweiten Weltkriegs bürokratisch-akribisch und systematisch Millionen Menschen in den Tod. Mit ein paar Federstrichen.

Nach dem Krieg tauchte er unter, zuletzt in Argentinien, wo er im Mai 1960 vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad entführt, nach Israel gebracht und in Jerusalem vor Gericht gestellt wurde. Der Prozess sollte vor allem für die Israelis, aber auch für die Welt eine Geschichtslektion werden. Die Anklageschrift umfasste 15 Punkte, die vier Kategorien zugeordnet wurden: Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und die Mitgliedschaft in feindlichen Organisationen. Dem israelischen Justizministerium gelang es ursprünglich nicht, für Eichmann einen Rechtsbeistand zu finden. Letztendlich wurde der Kölner Anwalt Robert Servatius zum Verteidiger bestellt, der sich zuvor Eichmanns Familie für dieses Amt angeboten hatte. Er hatte bei den Nürnberger Prozessen mehrere hochrangige Nationalsozialisten verteidigt. Das Honorar für Servantius übernahm der Staat Israel, nachdem die Bundesrepublik eine Zahlung abgelehnt hatte. Mehr als 100 Zeugen wurden im Laufe des Verfahrens aufgerufen. Eichmann plädierte auf unschuldig, da er nach eigenen Angaben nur auf Befehl von Vorgesetzten gehandelt hatte. „Ich war lediglich ein Werkzeug in der Hand stärkerer Mächte und stärkerer Kräfte und eines unerfindlichen Schicksals“; so Eichmann in der 88. Sitzung am 7. Juli 1961.

Unter den internationalen Journalisten, die den Prozess beobachteten, war auch Hannah Arendt (1906-1975), die als Jüdin selbst 1933 aus dem Deutschen Reich fliehen musste und in der Zwischenzeit in den USA lebte. Ihr Buch „Eichmann in Jerusalem“ war heftig umstritten, da es die Prozessführung kritisiert und nachzuweisen versucht, dass ein völlig angepasster Funktionär wie Eichmann, der nicht dem Bild des hasserfüllten und mordlüsternen Verbrechers entspricht, zur Organisierung des Massenmordes fähig war.

Am 31. Mai 1962 wurde das Todesurteil kurz vor Mitternacht im Gefängnis von Ramla vollstreckt. Eichmann ist bislang der einzige Mensch, der von der israelischen Justiz hingerichtet wurde.