Die EU während und nach Coronavirus-Krise

Vereinigung Europäischer Journalisten äußert Besorgnis um Pressefreiheit in Ungarn

Viktor Orban (Zweiter von rechts) bei einem Besuch in Temeswar Foto: Zoltán Pázmány

Die Vereinigung Europäischer Journalisten zeigt sich besorgt, wie die Coronavirus-Pandemie die Zukunft der EU bestimmt. In der Pressemitteilung, die von dem Präsidenten der Vereinigung Prof. Dr. Paolo Magagnotti sowie den beiden Vizepräsidenten Rotger Kindermann und Vassili Sotirov unterzeichnet ist, äußert sich die Spitze des Vereins zum „Coronavirus, das die europäische Einheit kontaminiert“ sowie zu den Entwicklungen in Ungarn, wo das Viktor-Orban-Regime „der freien Presse einen neuen Maulkorb verpasst“.

„Die Europäische Union wird nach der Coronavirus-Krise eine andere sein. Dies ist bereits sehr sicher, nur das Ausmaß des Schadens ist noch zu schätzen“, heißt es in der Pressemitteilung. In mehreren Medien wird bereits über den Einfluss und die Folgen der Krise auf die EU spekuliert. Die Journalisten aus dem oben genannten Verein sind über den Mangel an Kooperation inmitten dieser Krise enttäuscht: „Anstelle einer europaweiten Koordinierung erleben wir politische Einzelbemühungen, gegenseitige Beschuldigungen und die Schließung von Grenzen“.

Schlechte Nachrichten

Dazu kommen schlechte Nachrichten für die Pressefreiheit in Ungarn: „Die Entwicklung in Ungarn ist äußerst besorgniserregend. Viktor Orban nutzt die dortige Pandemie schamlos, um das Parlament zu entmachten, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken und eine kritische Presse mundtot zu machen. Die Dauer dieser Zwangsmaßnahmen ist völlig ungewiss. Er schafft - mit Unterstützung einer Zweidrittelmehrheit seiner loyalen Partei – ein Notstandsregime, obwohl Ungarn vom Coronavirus weit weniger betroffen ist als die meisten anderen EU-Länder. Zu Beginn des Jahres hielt es niemand für möglich, dass eine derart umfassende Machtkonzentration in Europa jemals wieder beschlossen werden würde.“ Über diese „beispiellose Entscheidung“ äußert die Vereinigung Europäischer Journalisten – das Kommunikationsnetzwerk seine „tiefste Besorgnis“. Die Besorgnis entspringt aus der Tatsache, „dass sich die ungarische Regierung mit ihrem Premierminister Viktor Orban identifiziert“ und daher „die außerordentlichen Befugnisse in Wirklichkeit in den Händen einer Person konzentriert“ sind. Und:„All dies unter dem Vorwand, dass die Regierung so schnell wie möglich gegen das Coronavirus vorgehen kann“.

Angst um Pressefreiheit

Dabei sind die Journalisten von neuen Regelungen betroffen, wird weiterhin gezeigt: „Die gegen Journalisten eingeführten strafrechtlichen Vorschriften für den Fall der Verbreitung von Nachrichten, die nicht der Realität entsprechen, sind äußerst besorgniserregend. Die in jeder Demokratie zulässige Möglichkeit der Berichtigung ist nichtzugelassen und stattdessen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und sogar bis zu fünf Jahren bei unbequemen Nachrichten über das Coronavirus vorgesehen. Und wer entscheidet, ob eine Nachricht richtig oder falsch ist? Unglaublicherweise liegt die Entscheidung bei der Regierung, nämlich Präsident Viktor Orban“. Der Unterschied zu der Handhabung solcher Situationen, wenn Falschmeldungen an die Öffentlichkeit kommen, in anderen Ländern wird auch hervorgehoben: „Alle parlamentarischen Demokratien der Welt haben verständliche Notfallbestimmungen zur Bekämpfung des Coronavirus eingeführt, ohne jedoch ihren Parlamenten die Kontrolle zu entziehen“.

Der Verein möchte sich dafür einsetzen, dass die Pressefreiheit in den EU-Staaten garantiert bleibt und „fordert die Europäische Kommission, den Europäischen Rat und das Europäische Parlament auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um eine solche offensichtliche Verletzung der Pressefreiheit in einem Land der Europäischen Union zu beheben, das den in seinen Verträgen verankerten Grundsätzen, Werten und Grundrechten widerspricht“.

Schwierige Situation

Die Situation wird als äußerst gravierend betrachtet, deshalb übt der Verein Kritik an der Sachlage aus: „Diese Verstöße sollten auch als unvereinbar mit der Präsenz eines Staates in der Europäischen Union angesehen werden, der die Informationsfreiheit auf solch unverschämte Weise verletzt. Die Vereinigung Europäischer Journalisten fühlt sich allen ungarischen Kollegen nahe, die sich in einer so schwierigen Situation befinden, wenn sie sich für die Freiheit einsetzen.

Gegen Ungarn läuft seit zwei Jahren ein schwieriges Rechtsstaatsverfahren, und man kann gespannt sein, wie entschlossen Brüssel auf diese wiederkehrende Provokation reagiert. Die Corona-Krise ist ein erschreckendes Beispiel dafür, wie schnell gemeinsame Lösungen zugunsten nationaler Reflexe über Bord geworfen werden.“

Zusammenhalt und Dekontamination

Aufgerufen wird zu größerem Zusammenhalt in der EU sowie zu gemeinsamen Maßnahmen: „Die Geschwindigkeit der Virusausbreitung rechtfertigt auch nicht die Unfähigkeit der EU, mit einer gemeinsamen Strategie dieser Ausbreitung entgegenzuwirken. Hier werden Grenzen willkürlich geschlossen, anstatt regionale Risikozonenlückenlos abzugrenzen. Die europäischen Nachbarn werden beschuldigt, um die Aufmerksamkeit von der eigenen Verantwortung für ein unzureichendes Gesundheitssystem abzulenken. Ein Virus vergiftet das politische Klima, anstatt es als Stresstest für gemeinsame europäische Maßnahmen zu betrachten und die richtigen Lehren aus der Bekämpfung der Infektion zu ziehen. Und demokratische Grundrechte werden untergraben – unter dem Vorwand, eine globale Pandemie zu bekämpfen, und in der Hoffnung, dass sich solche Verstöße jetzt niemand mehr genau ansehen.“

Abschließend wird auf die Zukunft hingewiesen, in der viel geleistet werden muss, um die Zustände in der EU zu verbessern: „Sobald das letzte Virus ausgerottet ist, werden wir enorme Anstrengungen unternehmen müssen, um die Europäische Union aus ihrem kontaminierten Zustand zu befreien“.(scn)

 

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