„Die Geschichten der Leute machen mich nachdenklich“

Luxemburger Marc Schroeder fotografiert die ehemaligen Russlanddeportierten aus Rumänien

Der Luxemburger Fotograf Marc Schroeder fühlt sich im Banat wohl. „Wenn Hermannstadt Kulturhauptstadt war, hat auch Temeswar Chancen“, meint er.

Wäre er nicht seelisch an Paris gebunden, könnte er sich gut vorstellen, vielleicht ein Jahr in Rumänien zu verbringen: Der aus Luxemburg gebürtige Fotograf Marc Schroeder (37) reist ein paar Mal im Jahr hierher, um sein jüngstes Projekt zu Ende zu führen. Schroeder fotografiert die ehemaligen Russlanddeportierten.

Es war ein Zufall, dass Marc Schroeder auf das Thema der Russlanddeportation der Rumäniendeutschen stieß. Er hatte sich 2010 für die deutsche Minderheit in Rumänien interessiert und dabei erfahren, dass viele aus dem Raum Luxemburg gekommen waren. „Es gibt kaum fotografische Werke über die deutschen Russlanddeportierten aus Rumänien“, sagt Marc Schroeder, der bei seiner Recherche über die deutsche Minderheit diesem Kapitel ein besonderes Augenmerk widmen wird. Im Januar dieses Jahres hat er die erste Russlanddeportierte fotografiert. Es war Ada Teutsch aus Kronstadt/Braşov. Seitdem hat er mehrere ehemalige Russlanddeportierte vor seiner Kamera gehabt, darunter auch viele aus dem Banat. So zum Beispiel besuchte er Ignaz-Bernhard Fischer, Rolli Wiest und Beni Roch. „Nicht nur das Thema der Russlanddeportation interessiert mich, sondern in erster Linie der Mensch an sich“, sagt Marc Schroeder. Aus diesem Grund besucht der in Paris lebende Fotograf seine Subjekte mindestens zwei-drei Mal, bis er sie so fotografieren kann, wie er es möchte. Um die Seele der Menschen auf einem Bild zu haben, sollten sich die Leute wohl fühlen, ist Schroeder überzeugt. „Ein Foto wird nicht gemacht, sondern es wird jemandem gegeben“, sagt der Fotograf, dem keine der fotografierten Personen gleichgültig ist. „Die Geschichten der Leute bewegen mich und machen mich nachdenklich“, sagt er.

Bisher hat Marc Schroeder acht ehemalige Russlanddeportierte fotografiert. Zu 90 Prozent besteht seine Arbeit aus Schwarz-Weiß-Bildern, denn es sind viele Porträts dabei. Zum Schluss des Projekts soll ein Bilderbuch entstehen, das Marc Schroeder vielleicht mit Hilfe eines deutschen Verlags herausgeben wird. Ein Multimedia-Ergebnis soll es auf jeden Fall sein, denn Marc Schroeder schießt nicht nur Fotos von den Leuten, sondern nimmt auch die Erzählungen aus dem Lager auf Band und manchmal auch auf Video auf.

Marc Schroeders Fotografenkarriere begann 2008, nachdem er Jahre lang im Bankwesen gearbeitet hatte. Sein Lebensweg hatte ihn nach England und in die USA geführt, wo er neben der Tätigkeit in der Bank viele Fotokurse besuchte. 2008, als die Krise kam, entschloss sich der Luxemburger, nach keinem weiteren Job im Bankwesen zu suchen, sondern zunächst mal eine sechsmonatige Asien-Reise zu unternehmen. Er verbrachte lange Zeit in Indien, wo er unter anderem zwei Heiligenstätten der Hindus fotografierte. Marc Schroeder reist seitdem durch die Welt, um die interessantesten Orte vor seine Kamera zu bekommen. Er war bereits im Nepal, in China, in Albanien oder beispielsweise in Istanbul in der Türkei. Am liebsten fotografiert er Menschen. Sein Lieblingsgenre: die Straßenfotografie. „Ich hatte nie Probleme, wenn ich Menschen auf der Straße fotografiert habe. Heutzutage hat jeder mindestens ein Gerät dabei, mit dem er fotografieren kann, von daher macht es keinen Unterschied, wenn ich meine Kamera aus der Tasche hole und zu fotografieren beginnen“, sagt Marc Schroeder, der in Paris auch Fotokurse für Touristen anbietet.

Voraussichtlich im November soll der Fotograf aus Luxemburg wieder nach Temeswar kommen. Bis Herbst 2013 möchte er sein fotografisches Projekt über die Russlanddeportierten aus Rumänien zu Ende gebracht haben.