Die Lust an der Wurst

Eine Vor-Ort-Prüfung des Angebots an Worscht in Reschitza

Die Jury spielt immer bei der Worschtkoschtprob eine große Rolle. Hier: in Temeswar 2015.

Die Teilnehmer an einer Worschtkoschtprob sind eigentlich die kompetentesten Kenner, die sich ein Würstler wünschen kann.
Fotos: Zoltán Pázmány

Eigentlich war es mir noch gar nicht so recht bewusst, dass ich an einem Samstag, Anfang Februar, als frischgebackener Rentner zum Wurstkaufen für die Worschtkoschtprob 2017 durch Reschitza loszog. Wie immer: am Lenkrad unserer Skoda-Fabia meine Frau. Ich als ewiger Beifahrer.

Im Hinterkopf hatte ich immer noch die festgezurrte Abneigung gegen Rentner beim Schlangestehen vor 1989, die sich sehr früh anstellten, immer ein bisserl drängelten und/oder die ominösen Anwesenheitslisten der Schlangesteher führten, meist ziemlich vorlaut ihre vermeintlichen Rechte einforderten und keinerlei Skrupel hatten, mal durch die Hintertür zu etwas zu kommen. Die Frage „Ce se dă?“, was wird gegeben, ist mir tief ins Hirn eingeprägt und ihren Tonfall werde ich wohl nie mehr los.

Nun bin ich selber Rentner, es einfach so geworden, zwischen der letzten „Berglandseite“ und der vorliegenden, habe auch einen neuen, schlechter dotierten Vertrag mit der Zeitung notgedrungen unterschrieben und schreibe weiter, als wär nix geschehen.

Wir von der „Banater Zeitung“ haben uns daran gewöhnt, das für die Worschtkoschtprob nötige Geld über unsere Freunde aus der Wirtschaft – ihre Liste ist in dieser BZ-Ausgabe nachzulesen und wer zu unseren regelmäßigen Lesern gehört, wird unter ihnen viele standhafte Dauerunterstützer wiedererkennen – herzuschaffen. Erst war es ein bisserl befremdlich, dass die Schenkungsbereitschaft der Fleischverarbeiter/Würstler gegenüber unseren Anfangsjahren (so um 1992-95) nachgelassen hat (etwa drei-vier Jahre später, bis zur Jahrtausendwende, war sie dann weg...). Dann witterten wir darin eine Chance: dadurch, dass wir Geld für die Worschtkoschtprob sammelten und damit alles Nötige (auch mal Unnötiges) zur einmaligen Gelegenheit der Wurstverkostung einkauften, ergab sich auch die Möglichkeit (die wir zunehmend bewusst nutzten), den Teilnehmern an der WKP (unser redaktionsinternes Kürzel) die Möglichkeit zu bieten, mal durchzukosten, was auf ihrem örtlichen Markt so unter „Wurst“ angeboten wird.

Es steht fest: keineswegs ist „alles Wurscht“, was es zum Kaufen gibt in den Geschäften! Die Qualitätsbreite ist viel größer als die Preisbreite (in Reschitza, im Durchschnitt, zwischen 16 und 22 Lei das Kilo, und ich gebe zu, dass mir persönlich die Wurst aus einer kleinen Fleischerei im Lunca Pomostului-Viertel, die als Familienbetrieb von einem pausbäckigen, ironisch blickenden jungen Metzger mit Namen Gheorghe Ghimboaşă geführt wird, weitaus am besten geschmeckt hat, was dieser bezüglich Qualität auch zu wissen scheint, sonst hätte er den Preis wohl nicht so weit oben – rund 21 Lei das Kilo – angesiedelt). Was Qualitätswurst ist, muss durch die Einschätzung unserer ad-hoc-Jurys bestätigt werden. Aber auch kann sich jeder selber davon überzeugen, wenn er nur den Magen bereit hat und Lust an der Wurst, ausreichend ausgeprägt, mitbringt. Aber auch die Teilnahmebedingungen erfüllt...

Ich zog also als frischgebackener Rentner durch Reschitza und begann im Raum des Arbeiterheims. Zwei Fleischereiläden gibt es da, die sich friedlich konkurrieren, eine Vertretung des größten Banater Fleischverarbeiters, „C+C – Campionul Calităţii“, mit Hauptsitz im Reschitzaer Vorort Câlnic, und „Elit“, nicht unbedingt ein Banater Betrieb, aber im Banat stark vertreten. Freundliche Verkäuferinnen, die sich richtig freuten, dass da jemand  gleich mehrerlei Würste einkauft, dem Auge nach gute Ware, ausreichend luftgetrocknet, um in Bokschan leicht in Scheiben geschnitten zu werden und die Teller zu füllen (beim Aufschneiden von Lebensmitteln nennt mich meine Frau „Mein alter Chinese“ – und das ist, bitteschön, ein Lob!). Preislich sieht man hier die Konkurrenz: sie liegen fast auf den bani genau gleichauf, lassen also dem anspruchsvolleren Käufer nur die Wahl nach Qualität. Wenn man nur vorher kosten könnte...

Von hier weiter auf den Markt am Reschitzaer Südbahnhof. Als erste am Weg meine Hausfleischerei, Uzoni (Werbeslogan: „Marii mici de la Uzoni!“), der WKP-Sieger 2015. Es ist, wie immer, dabei ehrlich zugegangen und der junge Cosmin Uzoni, neben Vater und Bruder Ko-Betreiber der Fleischerei, hat aus unserem bescheidenen Diplom ein echtes großes Plakat gemacht, durch welches er in allen seinen Fleischerei-Läden auch für die „Banater Zeitung“ und die WKP geworben hat: Hier gibt´s die beste Banater Wurst! Bestätigung dazu: unser ihm verliehenes Diplom.

Nebenbei bemerkt: Vor ein paar Jahren, als der PSD-Spitzenmann Ilie Sârbu (er stammt aus Cârpa bei Karansebesch) Landwirtschaftsminister war, ließ der begeisterte Jäger eine Palette Wildwürste zur WKP bringen. Der Überbringer nahm mich bei Seite und schaute mir vielsagend in die Augen: „Sie wissen doch: das ist vom Minister!“, „Ja“, bestätigte ich blauäugig. „Aber es ist vom Minister!“, drängelte der Überbringer. „Und?“ „Na wenigstens ein erster Preis müsste schon rausschauen!“ „Mein Herr, danken Sie dem Herrn Minister, dass er uns mit seiner Teilnahme beehrt, aber bei uns wird die Jury nicht beeinflusst!“ – Seither hat der Spitzenmann der PSD niemand mehr mit seinen Wurstprodukten zur WKP geschickt...

Bei Uzoni wird offiziell nicht gekauft (heimlich, ohne sein Wissen, schon..., denn wir möchten auch testen, ob zwischen dem Gespendeten und dem Gekauften Qualitätsunterschiede bestehen, wozu die Jury sich äußern muss). Übrigens gehört seine Firma („Diken SRL“) zu unseren konstanten Sponsoren mit spezifischen WKP-Produkten (u.a. füllt er uns auch regelmäßig den Fettnapf, ein Highlight der letzten WKP in Radna, wegen dem Schmalzbrot, mit Salz und Paprika und roten Zwiebeln, das man sich selber schmiert). In der Umgebung eine weitere Niederlassung von „C+C“, die Vertretung der Bokschaner „Banat Bun/Collini“, dem drittgrößten Fleischverarbeiter des Banats (einer der beiden Besitzer, die Brüder Bejenariu, Liviu, war mein Schüler während meiner Lehrerzeit in Roman-Bokschan – auch Banat Bun/Collini gehört zu den früheren Preisträgern der WKP), von wo dreierlei Würste eingekauft werden. Ein Problem: ich konnte hier nicht auf der Stelle eine Rechnung bekommen, weil ich warten musste, bis die Quittung nach Bokschan geschickt wurde, zum Hauptsitz, und zurückgelangte nach Reschitza. Vier Tage sind darüber vergangen.

Drin in der Markthalle auch eine interessante kleine Fleischerei (sie führt immer Rindfleisch, nicht die Regel der Reschitzaer Fleischereien!), von der ich ein paar Kilo Wurst kaufe (eine einzige Sorte), die Quittung aber erst am nächsten Tag, gestempelt, bekomme. Das aber verlässlich und ohne zusätzliche Wege.

Enttäuschend hingegen das Angebot der drei Großhändler rund um den Reschitzaer Hauptplatz, Carrefour (mit Ausnahme des Angebots an Schafs- oder Rindswurst balkanischer Prägung – exzellent, aber Geschmackssache; wer mal Mircea Dinescu im Kulturhafen Cetate an der Donau besucht hat, weiß wovon ich spreche, wenn ich behaupte, dass Dinescus Schaffleischwüste – Güdem beispielsweise - nach türkisch-tatarischer Art etwas Besonderes sind), Profi und Lidl. Absolut nichts an Schweinswüsten im Angebot, was von den bisher besuchten Kleinhändlern/Fleischereien sich abheben würde. Ich frage mich: warum sollte ich dann zu den Großen gehen? Was die haben, das finde ich auch, unter familiäreren Verhältnissen, bei den Kleinanbietern.

Ansonsten: ich habe noch eine interessante kleine Fleischerei im Neubauviertel gefunden (im Mikrorayon IV, am Hauptboulevard), wo ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal reinging. Sonst eigentlich wenig. Nirgends gibt es Jagdwürste, nirgends vegetarische Würste (warum eigentlich nicht?), grundsätzlich nirgends etwas, wofür man extra hingehen würde.

Trotzdem: Wurst bleibt Wurst!