Die Sankt-Georgs-Kirche in Temeswar

Monografie eines verschwundenen Sakralbaus

Bei der Buchvorstellung (v.l.n.r): Viorel Marineasa, Daniel Vighi, Ovidiu Forai, Dan Ciobotaru und Claudiu Călin
Foto: Cristian-Sebastian Peica

„Die Sankt-Georgs-Kirche, die erste Kathedrale Temeswars“ (Biserica Sfântul Gheorghe, prima catedrală a Timişoarei) heißt das jüngste Buch des Schriftstellers, Journalisten und Historikers Ovidiu Forai, das unlängst innerhalb des „Literarischen Samowars“ in der Zentralen Universitätsbibliothek „Eugen Todoran“ in Temeswar/Timişoara vorgestellt wurde. Die Schriftsteller und Hochschullehrer Daniel Vighi und Viorel Marineasa – zugleich auch Herausgeber des Bandes –, der Historiker Dan Leopold Ciobotaru vom Banater Museum und der Temeswarer Diözesenarchivar Claudiu Călin äußerten sich über das Buch. „Wir erzählen die Geschichte mittels der Musik, vergegenwärtigen die Atmosphäre des früheren Temeswars“, so die jungen Musiker des Ensembles „Peregrinii“ zu den musikalischen Momenten, die die Buchpräsentation umrahmten.

„Temeswar sowie das Banat haben eine Geschichte, die nicht genügend bekannt ist“, begann Daniel Vighi seine einleitende Rede. Viorel Marineasa betonte die strenge Aufteilung in sieben Kapiteln der Monografie. Im 193-Seiten starken Buch schreibt Forai über die Anfänge der kirchlichen Institutionen im mittelalterlichen Banat – die Diözese Tschanad/Cenad, die kirchlichen Institutionen in Temeswar, die erste Erwähnung der Sankt-Georgs-Kirche im 14. Jahrhundert, Temeswar unter osmanischen Herrschaft, die Sankt-Georgs-Kirche unter österreichischer Herrschaft und die Jesuiten-Zeit, die Jesuiten und das Unterrichtswesen – der Status des Baus als Seminarkirche, die letzten Jahrzehnte der Sankt-Georgs-Kirche und der Bauabriss und dessen Ursachen sowie die architektonischen Merkmale und die archäologischen Funde.  

Viorel Marineasa führte weiter malerische Eintragungen an, wie u.a. die Tatsache, dass, nach dem Angriff der ungarischen Truppen, die Kirche ein Refugium für Übeltäter war oder dass es in der Nähe des Sakralbaus einen Brunnen gab und die Frauen, die dort Wasser schöpften, sich so laut unterhielten, dass die Mönche andauernd klagten, sie könnten deshalb den Gottesdienst nicht halten. Persönlichkeiten wie der Temeswarer Bürgemeister Peter Solderer (1721-1741) sollten hier bestattet sein. Ob der König Robert D`Anjou die Kirche betreten hat, fachsimpelten die Historiker Ciobotaru und Călin, der erste stimmte eher dagegen, wobei der zweite es für durchaus möglich hielt.

Erwähnt wurde die Sankt-Georgs-Kirche, die „älteste Kirche Temeswars“, dokumentarisch zum ersten Mal 1323, trotzdem meint Forai, sie könnte zwischen 1-100 Jahre älter sein. Während der osmanischen Herrschaft funktionierte hier eine Moschee. 164 Jahre befand sich Temeswar unter türkischer Herrschaft, eine Zeit, die ungenügend bekannt sei und deshalb erforscht werden sollte, sind sich Vighi, Ciobotaru und Călin einig. Dan Ciobotariu betonte die „gute und präzise Dokumentierung des Buches“, und die Zusammenarbeit des Autors mit mehreren Fachleuten, darunter der Temeswarer Architekt und Stadtplaner Mihai Opriş, und Claudiu Călin, dass es die erste Monografie über diese Stätte sei.

Nach der Befreiung Temeswars von den österreichischen Truppen wurde die Kirche, wie viele andere in dieser Zeit, der Hl. Jungfrau geweiht, und anschließend „Ad Maria Serenam“. 1840 wurde die Heiligenstätte in einem Gemälde von Anton Fialla verewigt. Eine Abbildung davon sowie einige Postkarten, die den Sakralbau zeigen, sind ebenfalls in Forais Monografie enthalten.

Der Abriss der ehemaligen Sankt-Georgs-Kirche erfolgte 1914. Dass sich dies als unnötig erwies, wird vom Autor hervorgehoben. Mit der Eingemeindung des Mehala-Vorortes wird ein neuer Plan erforderlich, den die Ingenieure Emil Szilárd und Josef Briger 1911 anfertigen. Die Fabrikstadt sollte durch einen breiten Boulevard über die Innenstadt an den Mehala-Vorort – nun ein Temeswarer Stadtviertel – verbunden werden. Ein paar Monate nach Abriss der Kirche starb der damalige Bürgermeister Karl Telbisz (1885-1914) und danach brach der Erste Weltkrieg aus. Somit wurde die Abrissaktion am Rande des Sankt-Georgs-Platzes gestoppt. Grund dieser Modernisierungspläne sei nur der Wunsch der Inhaber, den hohen Preis der Ländereien in der Innenstadt beizubehalten. (Mihai Opiş) Derzeit verbindet immer noch kein breiter Boulevard den Mehala-Stadtviertel mit der Fabrikstadt, sondern nur die Straßenbahn.

Ovidiu Forai, „Die Sankt-Georgs-Kirche, die erste Kathedrale Temeswars“ (Biserica Sfântul Gheorghe, prima catedrală a Timişoarei), Ariergarda-Verlag, Temeswar, 2015