Die schleichende Gefahr aus dem Umzugskarton

Die Temeswarer Dermatologie-Klinik ist vor Kurzem in einen Neubau mit europäischen Standards umgezogen. Trotzdem bleibt die Infektionsgefahr gehoben. Auch die Statistik scheint in Rumänien weiterhin nach Wunsch zurechtgerückt.

Caius Solovan und Florica Zamfir (siehe Foto) gehören zum erfahrenen Personal der Hautklinik. Junge Mediziner sollen den Bedarf über zusätzliche Motivation decken.

In das neue Gebäude wurde auch die kürzlich angelegte Biobank mit etwa 300 Hauttypen und Tumoren übersiedelt. Sie soll künftig der Diagnose, Forschung und Behandlung dienen. Gründer sind Caius Solovan und der in Deutschland lebende und aus Temeswar stammende Biologe Manfred Beleut.

Mit der neuen Apparatur hat sich bereits eine junge Medizinerin angefreundet. „Wir lernen uns gerade ein“, sagt Ioana Gincea (Foto), die gerade Hauttests mit der Hochleistungstechnik vornimmt.
Fotos: Zoltán Pázmány

Die klinischen Infektionen liegen in Rumänien weitaus höher, als dies offiziell angegeben wird. Es könne nicht sein, dass deren Wert in Rumänien ein (1) Prozent beträgt und gleichzeitig in der Europäischen Union bei durchschnittlichen 5 - 15 Prozent liegt, sagt Dr. Roxana Şerban vom Nationalen Institut für öffentliche Gesundheit. „Die Infektionen werden in Rumänien unter dem reellen Wert angegeben. All unsere Bemühungen, den wirklichen Prozentsatz zu erfahren, hatten den Grund, die Infektionserreger einzudämmen“. Unter den zwölf berücksichtigten Spitälern hat scheinbar ein einziges Krankenhaus reelle Werte angegeben: Von 20 Prozent klinischer Infektion war da die Rede. Dies sagte Roxana [erban auf der Konferenz über die Nutzung von Antibiotika und deren Auswirkung auf die öffentliche Gesundheit. Veranstalter war das rumänische Präsidialamt. Rumäniens Vertreter in der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO), Victor Olsavszky, wies seinerseits darauf hin, dass Krankenhäuser als „bedeutender Ort gelten, an dem sich Krankheitserreger bilden“. In einer Zeit, in der diese Daten und viele Debatten über die Infizierung in Krankenhäusern die Runde machen, die nach dem Großbrand von Ende Oktober im Bukarester Colectiv-Club aufgekommen sind, ist vor Kurzem die Temeswarer Dermatologie-Klinik in ein neues Gebäude umgezogen. Die Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen, aber Pannen beim Konzept zur Ausstattung behalten unsichtbare Gefahren im Spital bei.

 

Umzug mit Unmut

Proteste und Zurückhaltung hat es im Vorfeld des Umzugs der Temeswarer Dermatologie-Klinik an die Temeswarer Daliei-Straße gegeben. Ein Großteil des Personals konnte sich lange Zeit nicht damit abfinden, aus dem Altbau auszuziehen, in dem viele Jahre lang diese Abteilung des städtischen Krankenhauses untergebracht war. Die Gründe waren nicht nur sentimentaler Natur. Der Tapetenwechsel sollte in ein Gebäude erfolgen, das nicht den Vorstellungen entsprach, die Fachleute der Hautklinik vom Begriff „Zweckmäßigkeit“ hatten. „Wir wurden sehr spät nach den baulichen Erfordernissen in der neuen Klinik gefragt“, sagt der Klinikleiter, Prof. Dr. Caius Solovan. Wohl deshalb auch die Zurückhaltung. Seit kurzem ist nun der Umzug vollzogen. In der Chefetage der Klinik sind die düsteren Gesichtszüge verschwunden und das hat bestimmt nichts mit Resignation zu tun.

Lange Zeit standen sich Klinikleitung und Management des übergeordneten städtischen Krankenhauses nicht gerade freundschaftlich gegenüber und haderten mit dem Beschluss der Stadtverwaltung, in das alte Gebäude in der Nähe des Opernplatzes Konsulate und Kultureinrichtungen zu übersiedeln. Statt in eine neue Einrichtung zu investieren, hätte das vorgesehene Geld auch in die Sanierung des angestammten Gebäudes fließen können, hieß es nicht selten. Vor allem die zentrale Lage der Klinik standen als Argument, gegen den Wechsel in den nun frisch sanierten Plattenbau. Zumindest für die Patienten sei der derzeitige Standort noch eine große Unbekannte, sagt die Oberschwester, Florica Zamfir. Zwei durchaus lösbare Aufgaben kommen ihrer Meinung nach der Stadtverwaltung zu: Zum einen muss ein Parkplatz eingerichtet werden, zum anderen ist ein öffentliches Verkehrsmittel notwendig, das den Hauptbahnhof mit der Klinik im Studentenviertel verbindet, denn „es kommen Patienten aus dem gesamten Verwaltungskreis in unsere Einrichtung“.

 

Trend heißt Kurzaufenthalt

Einst hatte die Dermatologie-Klinik 125 Betten, doch es sei derzeit Trend, Plätze in Spitälern abzubauen. „Viele der Patienten, die vor einigen Jahren noch interniert wurden, werden heute ambulatorisch behandelt oder nur für einen einzigen Tag eingewiesen, ohne dass die Qualität der Behandlung abnimmt“, sagt Caius Solovan.    

18 Dreibettzimmer mit eigener Toilette umfasst die auf zweieinhalb Etagen eingerichtete Klinik. Im gleichen Gebäude wurden Labors und die Poliklinik des städtischen Krankenhauses untergebracht. Klinikleiter Prof. Dr. Caius Solovan sagt heute, die Stadt habe „zu 90 Prozent europäische Standards“ geschaffen. Und Oberschwester Zamfir pflichtet bei: Ihr sei von auswärtigen Besuchern zugetragen worden, dass die Einrichtung westlichen Kliniken kaum nachsteht. „Die Erneuerung hat auch dazu geführt, dass unsere Klinik nun mit moderner Apparatur ausgestattet wurde“, so der Klinikchef.

Der Neubau mag freundlicher gestaltet und besser ausgestattet sein, über die Hürden der Personalfragen kommt die Klinik trotzdem nicht hinaus. „Allein im vergangenen Jahr sind zwei unserer langjährigen Fachärzte in Rente gegangen“,  sagt Solovan, der nach Wegen und Mittel – vor allem finanzieller Art – sucht, junge Ärzte langfristig an das Spital zu binden. An Forschungsprojekten will er sie beteiligen. Der Klinikchef glaubt fest daran, dass junge Leute dadurch zu motivieren und zu halten sind. Außer der Beteiligung an Projekten, wo junge Mediziner zusätzlich legale Einkommmen generieren und ihre Ausbildung beschleunigen können, findet Solovan auch Gespräche mit jungen Fachkräften wichtig. Er baut dabei nicht zuletzt „auf die Loyalität junger Leute“, auch wenn er weiß, dass nicht alle bleiben werden.

 

Keime wanderten mit

Grundsätzlich könnte Caius Solovan zufrieden sein, mit dem was er als Diensträumlichkeiten geboten bekommen hat, im Vergleich zu den ausgetretenen Treppen, maroden Wänden und streckenweise düster anmutenden verwinkelten Korridoren im alten Dermatologie-Spital unweit des 700er Marktplatzes. Es war wohl wieder mal ein Sparen am falschen Ende, oder überhasteten Entscheidungen zuzuschreiben, dass mit dem Umzug auch eine Reihe von Infektionserregern aus dem Krankenhaus im alten Gebäude in den Neubau überbracht wurden. Bei all der Investition hätte es nämlich nicht geschadet, die Betten und Matratzen in den Krankenzimmern zu erneuern, sagt der Mediziner, der mitunter die Gelegenheit nutzt, sein Deutsch zu testen und zu üben. „Durch das alte Mobiliar und die Matratzen haben wir viele Krankheitserreger in die neue Einrichtung geschleppt“. Bereits in den kommenden Wochen könnten die neuen Betten eintreffen – die Erreger sind da jedoch bereits auf dem Stadtzentrum an die Daliei-Straße transportiert worden. Auch die Angehörigen der Patienten übertragen viele Erreger. Einen Besuchersalon kann sich der Klinikleiter unter Umständen vorstellen, auch wenn er nicht begeistert ist, „von einem Raum, der nach Besucherzimmer im Gefängnis“ anmutet.

Von den Erregern im Krankenhaus ist der Übergang fließend: Die Diskussionen um Verbrennungen, und Intra-Klinik-Infektionen sind seit dem Großbrand im Bukarester Colectiv-Klub in unseren Köpfen. Auf reichlich Unverständnis treffen Ärzte und Öffentlichkeit, wenn Statistiken bekannt werden, dass Intra-Klinik-Infektionen in Rumänien um gleich mehrere Prozentpunkte geringer sind, als im EU-Durchschnitt. „Unsere Berichte werden noch immer frisiert und verschönert“, ist Dr. Solovan überzeugt. Doch auch Kritik aus dem Ausland, über in Rumänien infizierte Patienten kann er nicht schweigend hinnehmen. Aus Brüssel hatte es nämlich geheißen, ein rumänischer Patient sei nach dem Großbrand in Bukarest bereits infiziert ins Ausland überwiesen worden. „Der Patient kann sich sogar beim Transport infiziert haben. Diese Schuld sollte man nicht pauschal auf Rumänien, seine Ärzte und seine Spitäler schieben“.