Die Verschleppung in den Bărăgan

Vor 70 Jahren: Zwangsdeportation von über 40 000 Banater Bewohner Ein Schreckenssonntag im Juni

1996 wurde zum Anlass der 45. Gedenkfeier der Bărăganverschleppung als starkes Zeichen im Temeswarer Justizpark, im Stadtzentrum, ein Denkmal der Bărăgan-Deportation errichtet. Foto: Zoltán Pázmány

Die Verschleppung in den Bărăgan

Vor 70 Jahren: Zwangsdeportation von über 40 000 Banater Bewohner

Ein Schreckenssonntag im Juni

Mitte des 20. Jahrhunderts sollte das Völkchen der Banater Schwaben schwer geprüft werden: Nach Flucht, Gefangenschaft, Tod an und hinter der Front (II. Weltkrieg), kam bitterste Not durch die von den Kommunisten angeordnete Enteignung, langjährige Qual und fast völlige Vernichtung (Russlanddeportation), die Versklavung und gezielte unsinnige „Umerziehung“ nach den Prinzipien der kommunistischen Propaganda  (Kollektivierung). Es war noch lange nicht das letzte große Malheur im Land. In der Sonntagsnacht vom 17. Zum 18. Juni 1951, es war an den orthodoxen Pfingsten, setzte ein neues großes Klagen in den Schwabendörfern an: Es  wurden 40.320 Bewohner des Banats und Olteniens zur kollektiven Verschleppung in die B²r²gansteppe im Südosten Rumäniens  ausgehoben. Es geschah nach dem fürchterlichen Vorbild  der Sowjetunion: Hier hatten Stalins Schergen, Bolschewiken und Kommunisten, durch den verlängerten Arm, NKVD, die sowjetische „Securitate“, mit ganzen Völkern der Sowjetunion alles getan, was man unschuldigen Menschen in Friedens- oder Kriegszeiten antun konnte, von willkürlichen Verhaftung, Gewalt und Folter, Enteignung, Hungertod bis zur jahrelangen Inhaftierung oder Verschleppung in die riesigen völlig menschenfeindlichen Gebieten Sibiriens. Gründe für diesen Terror waren leicht zu finden, der NKVD tat es jedoch auch ohne jegliche Gründe oder Schuld der Betroffenen. Das Vorbild war also für die kommunistischen Machthaber und die Securitate in Rumänien da.

Ausgehoben wurden im Banat Dorfbewohner aus 12.791 Haushalten  aus den Ortschaften entlang der damaligen jugoslawischen Grenze im Abschnitt Altbeba/ Beba Veche, Kreis Temesch – Gruia, Kreis Mehedin]i. Aus Oltenien, heute Kreis Mehedinti, wurden damals insgesamt 6 874 Personen in Rumäniens Sibirien, in die Bărăgansteppe verschleppt. Von den Banater Deutschen waren die meisten Betroffenen aus den großen, wohlhabenden Heidegemeinden so aus Triebswetter (527 Personen), Billed (506), Lenauheim (496) und Hatzfeld (486). Die meisten der aus insgesamt 297 Ortschaften verschleppten 40.320 Menschen waren aus den Banater Rayons Großsanktnikolaus (12.694 Personen), Temeswar (9.095) und Detta (6.654), die wenigsten deutschen Deportierten waren aus Marienfeld (160) und Alexanderhausen (48). Aus dem heutigen Kreis Karasch-Severin wurden die meisten Personen aus den ehemaligen Rayons Orawitza (3330 Personen) und Neumoldowa (670) verschleppt.

Von Titoisten bis zu Kulaken

Die Deportation erfolgte auf den Beschluss Nr. 344/ 15. März 1951 des Ministerrates der Rumänischen Volksrepublik, Hauptinitiatoren waren zwei der führenden RKP-Leuten, Ana Pauker, damals Außenministerin, und Teohari Georgescu.

Die Aushebung betraf die Dörfer von der rumänisch-jugoslawischen Staatsgrenze  bis zu 25 Kilometern, ausnahmsweise auch bis zu 35 Kilometern auf rumänischer Seite. Es waren Listen angelegt worden, wie vor Jahren die berüchtigten Listen bei der Russlanddeportation 1945. Im Einsatz befanden sich 10.000 Angehörige der Grenztruppen und 1964 Soldaten, etliche lokale Helfer. Die Dörfer wurden wie im Kriegseinsatz umzingelt. Die auf den Listen erfassten Menschen wurden nachts brutal aufgeweckt und aus ihren Häusern getrieben. In zwei Stunden mussten sie am Ortsbahnhof sein. Mitnehmen durften sie nur das, was sie tragen konnten. Die Ausgehobenen waren zum Unterschied zu der Russlanddeportation aus dem Januar 1945 diesmal wahllos Männer, Frauen, alte Menschen und Kinder, ganze Familien. Ein anderer Unterschied: Wenn bei der Russlanddeportation nur Deutsche, also Banater Schwaben aus dem Banat, betroffen waren, so gab sich die B²r²ganverschleppung sozusagen viel… „demokratischer“: Es wurden wahllos Banater Bewohner, hauptsächlich Deutsche, dann Serben, Rumänen, aus dem an Titos Jugoslawien grenzenden Gebiet verschleppt. Den Hauptkontingent der Verschleppten stellten so etwa 27 000 Rumänen, es folgten 10 000 Deutsche (Ein Zeichen völliger Unmenschlichkeit dieser Maßnahme des kommunistischen Regimes war die Tatsache, dass viele der Verschleppten erst vor kurzem, 1949-1950, aus Russland von der sogenannten Aufbauarbeit unterernährt, todkrank oder in äußerst schlechtem Gesundheitszustand heimgekehrt waren), etwa 3000 Serben, Bulgaren, Ungarn und Tschechen.

Ausgelöst wurden diese Zwangsmaßnahmen von der Eskalation des unsinnigen Machtkonflikts zwischen Moskau und Belgrad, zwischen Stalin und Josip Broz Tito. Nach dem Politjargon jener Nachkriegszeit galt es auch, eine „Säuberung“ des Grenzgebiets von „politisch unzuverlässigen Elementen“, durchzuführen. Es gab jedoch auch andere Ziele: Das kommunistische Regime wollte durch Ansiedlung von Rumänen aus anderen Gegenden hier eine „sichere“ Zone bilden, außerdem brauchte man ja auch „Werktätige“ für die ausgebluteten Dörfer, für die LPG und Gostats. Die kommunistische Propaganda sprach großspurig von einer nötigen Säuberung von Titoisten, den Tito-Sympathisanten, Kriminellen, von den sogenannten Gegenrevolutionären. Man wollte nicht nur die „Politischen“ und Klassenfeinde sondern auf einen Schlag, viele andere Menschen aus dem alten Regime loswerden, kleinkriegen oder  völlig vernichten: Kulaken, Großbauern (chiaburi), Gastwirte, Unternehmer, Geschäftsleute, Kapitalisten, allerhand Eigentümer, ehemalige Angehörige der Waffen-SS, Kollaborateure, Funktionäre der deutschen Volksgruppe, alle Fremden, auch die ins Banat geflüchteten Bessaraber und Makedoner und noch viele andere Ethnien und Bevölkerungsgruppen waren den Kommunisten ein Dorn im Auge. Gezielt und strengstens wurde sogar gegen die Verwandte derer, die ins Ausland geflüchtet waren, vorgegangen.

Von Salcâmi bis Movila Gâldăului

Die Ausgehobenen wurden mit Familie, spärlichem Hab und Gut, in Güterwaggons unter Bewachung von Miliz und Militär in den Bărăgan, in die trostlose Steppe an der Unteren Donau, transportiert. Man setzte die verschreckten, entkräfteten Menschen einfach auf den Feldern aus. Angesiedelt wurden die Verschleppten mit ihren Familien im Gebiet der Landkreise Călărași, Ialomița, Brăila und Galatz. Hier bauten die Verschleppten 18 Dörfer auf. Die Orte hießen u.a. Movila Gâldăului, Borcea, Fundata, Dâlga aber auch mit den malerischen Namen Salcâmi, Valea Viilor, Dropia oder Pelican. Im ersten der qualvollen, für die Banater unheimlichen Bărăganwinter hausten die neuen Steppenbewohner notfalls in Erdlöchern, die mit Schilf zugedeckt waren, später entstanden dann die aus Lehm gestampften Hütten, ebenfalls mit Schilfdächern. Viele der Verschleppten waren kaum an die schweren langen Wintern, mit haushohem Schnee, an den Dauerfrost und an die starken Schneestürme (criv²]) gewöhnt. Zu den lebenswichtigen Dingen gehörte außer den Lehmhütten noch die Erschließung eines Brunnens. Die Deportierten durften sich nur in einem Umkreis von 15 Kilometern vom Wohnort bewegen. Besuch von auswärts war strengstens verboten. waren unter dem Status des Zwangsaufenthalts (domiciliu obligatoriu, in ihren Personalausweisen über dem Lichtbild mit D.O. vermerkt) in der Landwirtschaft, auf dem Bau, in kleinen Handwerksbetrieben, bei Entwässerungsarbeiten tätig. Etwa 1600 Deportierte fanden ihr Grab in der B²r²gansteppe, 629 davon waren Deutsche. Die zurückgelassenen Siedlungen wurden zum Großteil von den rumänischen Behörden zerstört. Im Spätherbst 1956 (Rumänien hatte beim UNO-Beitritt alle Lager aufzulösen, den Deportierten die Heimkehr zu erlauben), wurden die meisten Verschleppten aus der Deportation entlassen und konnten in ihre Heimatdörfer zurückkehren. Ihre Felder waren enteignet, in den Häusern waren Zugewanderte einquartiert, sie selbst wurden einfach in die Kollektivwirtschaft als Mitglieder aufgenommen. Mit den Großbauern wurde anders verfahren, diese wurden erst nach weiteren zehn Jahren Bărăgan, 1964 entlassen.

Zu den bekanntesten Persönlichkeiten aus den Reihen der Rumäniendeutschen, die während der B²r²ganverschleppung geboren wurden, zählen bekanntlich Horst Samson und Gerhard Ortinau, zwei Banater deutsche Schriftsteller: Horst Samson wurde 1954 im Weiler Salcâmi, geboren, wo seine Eltern und Großeltern, aus Albrechtsflor stammend, deportiert waren. Gerhard Ortinau wurde 1853 in Borcea, Kreis Călărași geboren, seine Familie kehrte 1956 ins Heimatdorf Sackelhausen zurück.

Erst nach der Wende, 1990, konnte in Temeswar die Stiftung „Vereinigung der ehemaligen Bărăgan-Deportierten“ gegründet werden, die sich seither kontinuierlich um die Erforschung der Ereignisse, um das Gedenken an die Deportation, um die Wiedergutmachung des Unrechts, die Entschädigungen und die anstehenden Rechte der Verschleppten kümmert.