Dorfbürgermeister vergibt Sterne und Margareten

Entscheidungen im Tourismus ins Rathaus verlagert

In der Kommunalverwaltung soll schon bald festgelegt werden, wie viele Sterne die Hotels und Pensionen im jeweiligen Ort haben. In Regierungskreisen heißt ein solcher Vorgang „Dezentralisierung“, in der Vereinigung der rumänischen Tourismusagenturen ANAT geht jedoch die Angst um, dass bei solchen Kompetenzzuordnungen längst nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Wenn in diesen Fragen der Gemeindebürgermeister zum Entscheidungsträger wird, dann geht alles den Bach hinunter, sagt Alin Burcea, Vizepräsident der Vereinigung der Tourismusagenturen ANAT.

Im ländlichen Raum sind die Stellenpläne so ausgearbeitet, dass kaum noch zusätzliches Personal eingestellt werden kann, um neue Aufgaben zu übernehmen. Nicht zuletzt: Gar in einer Kleinstadt wie Sanktanna (Blick auf das Ortszentrum) müsse sich die Kommunalverwaltung fragen, woher sie qualifiziertes Personal hernehmen soll, um Sterne-Beurteilungen vergeben zu können.
Foto: Zoltán Pázmány

Im Rathaus über Lizenzen entschieden

 

Die Nationale Tourismusbehörde ANT will die Kompetenzen zur Genehmigung und Bewertung von Hotels und Tourismuseinrichtungen auf kommunale Ebene transferieren. Dabei ginge es um Übernachtungseinrichtungen und Restaurants, aber auch um Genehmigung von Strandflächen, Freizeit-Wassersportanlagen, Zulassung von Schi-  und Rodelpisten, von touristischen Gebirgstrassen sowie die Akkreditierung von touristischen Informationszentren. Außerdem würden Bürgermeisterämter über Baugenehmigungen, Modernisierungen und Änderungen an Einrichtungen mit touristischem Profil entscheiden. „Durch Dezentralisierung werden die Antragsteller von Zulassungen diese viel einfacher erhalten können“, heißt es im Projekt zur Strategie des Departements für KMU und Tourismus innerhalb der Tourismusbehörde ANT. Auch nach dem Kompetenztransfer würden die Kontrollen und Inspektionen der Einrichtungen in den Aufgabenbereich der Nationalen Tourismusbehörde fallen. Diese Strategie der Dezentralisierung im Tourismus geht auf internationale Tendenzen in diesem Bereich zurück, heißt es bei ANT. Es geht dabei um das Subsidiaritätsprinzip, wobei die Kompetenzen an jene übertragen  werden, die nahe am Bürger, oder in diesem Falle am Unternehmer sind. Die neue Strategie soll zunächst innerhalb eines Pilot-Projektes im 3. bzw. 4. Quartal d.J. getestet werden.

 

Berufsverbände fragen nach Kompetenz und Politikum

 

Alin Burcea ist überzeugt, dass in Bürgermeisterämtern nicht das Wissen vorhanden ist, Genehmigungen und Lizenzen zu vergeben. Er erklärt sich radikal gegen solche Art von Dezentralisierung. Er fürchtet jedoch nicht allein fehlende Kompetenz, sondern er glaubt, man würde Kommunen auch Hebel reichen, um Druck verschiedener Art auszuüben. „Sollten solche Kompetenzen auf lokale Ebene übertragen werden, geht alles kaputt, weil jeder versuchen wird, etwas vom großen Kuchen abzubekommen“, so Burcea. Er vermutet, dass in irgendeinem Hotel in einer Ortschaft ein eigentliches Zwei-Sterne-Hotel bis zu einer Fünf-Sterne-Einrichtung aufsteigen könnte, nur weil der Bürgermeister das so entschieden hat. „So lange die Genehmigungen im Ministerium vergeben werden, bleiben sie vom politischen Einfluss verschont“, so der ANAT-Vize.

Burcea glaubt, dass der Angstmacher, die Antikorruptionsbehörde DNA, ein Mittel gegen Unregelmäßigkeiten bei der Lizenzvergabe ist. „Jetzt zumindest läuft ein solches Genehmigungsverfahren zentral über Bukarest und die Menschen scheuen vor Unregelmäßigkeiten. Einen Kilometer vom Regierungsgebäude und eineinhalb Kilometer entfernt vom Sitz der Antikorruptionsbehörde DNA sieht die Lage ganz anders aus“, sagt Burcea und setzt fort: „Da haben die Leute noch Angst und Zurückhaltung, vor Unregelmäßigkeiten“. Ganz anders ginge es in der Provinz zu, glaubt Burcea. Da wird seiner Meinung nach die Vergabe von Zulassungen und Lizenzen als politisches Druckmittel genutzt. Derzeit sei Rumänien nicht auf eine solche Dezentralisierung vorbereitet und dadurch würde bloß Korruption gefördert, vermutet Burcea. Darüber hinaus würden „touristische Ziele geklaut oder vernichtet“.

 

Personalfrage: Wer soll es machen?

 

In der westrumänischen Kleinstadt Sanktanna/ Sântana sieht der dortige Bürgermeister Daniel Tomu]a durchaus Vorteile, wenn solche Entscheidungen auf lokaler Ebene getroffen werden, „da auf kommunaler Ebene mehr Wissen über Situation und Erwartungen vor Ort gegeben ist“. Ein Bürgermeister, der wiedergewählt werden will, würde jedoch diesen Hebel nicht für sich nutzen. Er gibt jedoch zu: Da, wo jemand ein Politikum aus seinem Amt macht, ist dies möglich, so  Tomu]a der BZ gegenüber. Die befragten Pensionsbetreiber im ländlichen Raum sind unschlüssig, den sie kennen die Pläne der Dezentralisierung aus dem Ministerium kaum. Wenn es dann doch so weit käme? Ja, sie nehmen es mit Humor: „Um seine fehlenden Kenntnisse zu vertuschen gibt der Mann aus dem Rathaus vielleicht ein Sternchen mehr“, sagt einer, der lieber ungenannt bleiben will. Um sich dann jedoch zu fragen, wem denn eine bessere Bewertung hilft, denn über ein gewisses Preisniveau könne er bei einer Bettauslastung der Tourismuseinrichtungen in Westrumänien von unter 30 Prozent eh nicht hinaus.       

Auch Mohammad Murad, Vorsitzender des Unternehmerverbandes aus der rumänischen Tourismusindustrie, und außerdem größer Tourismusinvestor an der Schwarzmeerküste, glaubt ebenfalls, dass die Kommunalbehörden auf diese Dezentralisierung nicht vorbereitet sind. Zudem würde zu viel Macht für einen Bürgermeister dazu führen, dass Investitionen auf einer ganz breiten Front blockiert werden. Die Ministerien – mit all ihren Problemen – haben seiner Meinung nach gezeigt, dass sie trotzdem verantwortungsbewussteres Personal haben, als ein Bürgermeister, der plötzlich über viel Macht verfügt. „Wir, die Unternehmer aus dem Tourismus, fürchten diese Macht der Bürgermeister“, sagt Murad.