Ein Kampf gegen die Konsumgesellschaft

Gespräch mit dem Schriftsteller Matei Vişniec

Der Schriftsteller Matei Vişniec Foto: Ana Sălişte

Journalist und Schriftsteller, Rumäne und Franzose, Theaterautor und Theaterzuschauer gleichzeitig. Der im rumänischen Rădăuţi geborene und in Frankreich lebende Matei Vişniec ist in Rumänien der meist gespielte Autor im Theater, Funk und Fernsehen.Seine Theaterstücke sind in rund 20 Sprachen übersetzt und in vielen Ländern nachgespielt worden.Vor Kurzem wurde in Temeswar das Buch „Matei Vişniec. Die Mirage der warmen Worte” der Temeswarerin Daniela Magiaru vorgestellt.Über das neue Buch, das Leben zwischen zwei Kulturen und das Gleichgewicht zwischen Journalismus und Literatur sprach BZ-Redakteurin Ana Sălişte mit dem Schriftsteller Matei Vişniec.

 

Die Schriftstellerin und Dolmetscherin Daniela Magiaru hat sich in ihrer Doktorarbeit mit Ihrem Werk befasst. Nun ist Ihr Buch „Matei Vişniec. Die Mirage der warmen Worte“ erschienen. Wie fühlt es sich an, die Gestalt eines Buches zu sein?

Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn Bücher über dich selbst und über dein Werk erscheinen. Das heißt, es ist der Zeitpunkt gekommen, wo die Kunstkritiker ein Wort zu sagen haben. Über dein Werk, über deinen Platz in der Gesellschaft, über deinen Wert. Ein Wendepunkt. Du gehörst nicht mehr nur dir selbst. Du gehörst jetzt auch dem Publikum, der Öffentlichkeit. Daniela Magiaru hat sich mit mir über meine Theaterstücke unterhalten und sich Inszenierungen meiner Werke angeschaut. Ich bedanke mich bei ihr, dass sie sich dafür Zeit genommen hat.

 

Sie kommen aus Rădăuţi, sind nach Bukarest umgezogen und 1987 nach Paris ausgewandert. Ein Schriftsteller mit rumänischen Wurzeln, der jedoch nun in Frankreich zu Hause ist. Wie ist das Leben zwischen zwei Welten und Kulturen?

Ursprünglich war meine Auswanderung eine Flucht vor dem Absurden. 1987 ließ sich keine gute Zukunft erblicken. Damals sah es so aus, als ob der Kommunismus noch Jahrzehnte lang dauern wird. Nach 1989 habe ich mich dann weiterhin für mein französisches Abenteuer entschieden - ein kulturelles Abenteuer. Ich fand es interessant, weiterhin auf Französisch zu schreiben und den Westen zu erforschen. Ich habe immer wieder gependelt, zwischen Rumänien und Frankreich, zwischen Ost und West, zwischen Sprachen und Kulturen.

 

Sie haben ursprünglich als Journalist für BBC für eine rumänischsprachige Sendung gearbeitet. Danach sind Sie zu Radio France International gewechselt. Sie haben sich von der rumänischen Sprache nie richtig getrennt.

Eben. Es ist ein Beweis dafür, dass man für Rumänien, für die rumänische Kulturlandschaft existieren kann, auch wenn man nicht in Rumänien lebt. Es vergeht kein Tag, ohne dass ich Rumänisch spreche. Die zwei Sprachen, Rumänisch und Französisch, sind für mich irgendwie zusammengeschmolzen. Ich wechsle spontan von einer zur anderen. Ich muss aber zugeben, die französische Sprache hat mein Werk international gemacht. Durch diese Sprache wurden meine Theaterstücke und Romane bekannt. Auch wenn jetzt gesagt wird, dass Französisch langsam ausstirbt. Damit bin ich nicht einverstanden. Französisch bleibt weiterhin eine internationale Sprache. 

 

Sie haben früher mal gesagt, „der Westen glaubt, dass das absurde Theater eine Erfindung ist. Aber vor dem absurden Theater gab es die absurde Geschichte“. Wie soll man das deuten?

Die Menschen, die Jahrzehnte lang unter Unterdrückung gelebt haben, verstehen am besten, was mit dem Absurden eigentlich gemeint ist. Wer nicht aufmerksam seine Geschichte analysiert, riskiert, zu viele Klischees zu verwenden. Das Theater des Absurden, so wie der Terminus ursprünglich verwendet wurde, war ein angenehmes Klischee. Eine Kategorie, in der man alles eingliedern kann, was unrealistisch ist. Natürlich habe ich mich durch mein Schreiben dem absurden und dem phantastischen Theater genähert. Dies aber nur, weil ich den sozialistischen Realismus vermeiden wollte. Ich schreibe ein realistisches Theater über das Absurde in unserer Welt.

 

Inwiefern kann man sich heutzutage dem Publikum durch das Theater nähern?

Wir brauchen das Theater. Die kulturellen Identitäten lassen sich durch die Existenz von Nationaltheatern definieren. Eine Großstadt ohne ein Theater ist eine ausgestorbene Stadt. Das Theater bildet die Parallelwelt zur Politik. Auch wenn wir Aufführungen auf die Bühne bringen, die keinen politischen Hintergrund haben, das Schöne allein, dessen Präsentation auf der Bühne ist schon eine politische Haltung. Heutzutage, nicht vor dem Fernseher zu sitzen, ist eine kulturelle Resistenz.

Mit dem Aussterben des Kommunismus sind nicht unbedingt auch die Mechanismen zur Deformierung der Menschlichkeit zerstört worden. Im Gegenteil. Diese neue Gesellschaft, die uns jetzt als Modell aufgetischt wird und die wir bekämpfen müssen, bedeutet nichts anderes als die Umwandlung des ´neuen Menschen´ in einen braven Konsumenten. Mein Kampf gegen die Gesellschaft hat sich also nicht so stark geändert. Ich glaube weiterhin daran, dass die Kunst eine Form der Resistenz ist. Keinem System ist es gelungen, den Menschen davon abzuhalten, sich in der Kunst zu widerspiegeln.

 

Wie kam es dazu, dass Sie Theater schreiben?

Aus allen literarischen Darstellungsformen habe ich das Theater am nächsten empfunden. Es hat am besten zu meiner Seele gepasst. Ich habe mich in erster Linie in das Theater als literarische Darstellungsform verliebt.  Es gab eine Art Freiheit, in der Tatsache, dass man das Wort als eine Replik hinschreiben kann.

 

Wie kommt der Journalist Matei Vişniec mit dem Schriftsteller Matei Vişniec zurecht?

Der Journalist ist pessimistisch. Ich arbeite seit über 30 Jahren als Journalist und entdecke immer wieder, dass sich grundsätzlich nichts ändert. Dass alles weiterhin schlecht läuft. Zum Glück wird der Journalist vom Schriftsteller ausgeglichen. Als Schriftsteller denke ich immer wieder, wir brauchen Hoffnung, wir müssen an etwas glauben. Die beiden kommunizieren und helfen sich gegenseitig.

 

Ihre Werke werden in zahlreichen Ländern und Sprachen auf die Bühne gebracht. Sie haben sich mehrere Inszenierungen Ihrer Theaterstücke angeschaut. Was fühlen Sie dabei?

Ich habe kein kritisches Auge, wie viele es meinen würden, da ich kein Regisseur bin. Die Inszenierungen überraschen mich jedes Mal. Ich bin gespannt, was der Regisseur in meinen Texten entdeckt, wie er die Texte auf die Bühne bringt. Und jedes Mal bemerke ich neue Sachen, Überraschungen, extravagante Interpretationen. Ich empfinde es als einen Sieg, wenn der Spielleiter neue Sachen ans Licht bringt.

 

Eine Frage aus dem Kontext heraus. Sie leben derzeit in Frankreich, ein Land, wo das Image der Rumänen etwas beschädigt ist. Wie kann das aufgebessert werden?

Das Image kann sich verbessern, wenn sich Rumänien mehr darum bemüht. Der Zerfall des Kommunismus hat nicht auch mehr Zivilisation mit sich gebracht. Demokratie, Liberalismus und Marktwirtschaft sind nicht ausreichend. Wir müssen mehr Kultur ins Ausland schicken.