Ein Kulturgut in der Pandemie

Von Büchern und e-Books, von digitalen Buchmessen und Buchvorstellungen

Was dem Einen ein Film-Streaming-Service während der Pandemie war/ist, das ist dem Anderen das Online-Bücherregal. Kurz vor dem Lockdown sollen sich noch Leseratten, die Wochen der Langeweile fürchteten, das Brainfood „Buch“ gehamstert haben. Und ausgerechnet (masochistisch) Titel wie „Die Pest“ von Albert Camus oder „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ von Gabriel García Márquez sollen nach Aussagen von Buchhändlern weltweit – inklusive in Temeswar– die Bestseller gewesen sein.

Das Schmökern in den Buchläden war plötzlich ausgeblieben. Dabei hatten sich diese in den letzten Jahren so stark bemüht, Brandsaufzubauen, die(schon) mit dem Buch, aber mit vielem anderen auch zu tun hatten: Kulturtreffs, Teestuben, Exklusiver-Kaffee-und-intellektueller-Talk-Club. Sicherlich verkaufte man da außer Büchern auch Marken-Spielsachen, Kannen mit Künstlerprints, Gadgets oder Pflanzensamen, in einem Wort: Kultur, Gefühle und Trends.

Bücher anders kaufen

War man mit den Büchern zu Hause unzufrieden, musste man zu Online-Buchhandlungen und zu Lieferdiensten greifen (wie beim Fastfood, wenn man es sich nicht verkneifen konnte), denn das Bücherangebot der Supermärkte (die man auch während des Lockdowns besuchen konnte) ist wirklich nur „unter anderem“ da, also nur um zu zeigen, dass es auch Bücher gibt: Man findet kaum das, wonach man sucht.

Die Buchhandlungen, die eine Online-Präsenz hatten, konnten sich darauf konzentrieren, solche, die noch keine hatten, mussten lernen, eine auszubauen oder zu verharren und wahrscheinlich große Verluste zu verzeichnen. Das ist nicht jedermanns Sache. Aufgeschlossenheit und Anpassungsfähigkeit an die Digitalisierung wurde verlangt – und das auf Anhieb.

Buchhandlungen sind mit Events verbunden: Buchvorstellungen wie auch Lesungen, etwa für Kinder, gehören zu den Buchhandlungen wie die Sahne zur Torte. Bücher – falls sie noch erschienen sind – wurden ebenfalls online vermarktet und Lesungen – das hing selbstverständlich von der Bereitwilligkeit der Buchhandlungen umzudenken. Anpassungsfähigkeit hat zum Beispiel in Temeswar die Buchhandlung „La dou² bufni]e“ gezeigt. Diese hat die Lesungen für Kinder während der Pandemie fortgesetzt, nur saßen die Kleinen nicht mehr auf den Stühlchen oder Kissen in der sehr heimisch wirkenden Buchhandlung, sondern mussten online gehen.

Viele Verlage waren in Rumänien auch vor der Pandemie für den Online-Verkauf gerüstet. Nicht nur der Buchdeckel, auch eine Zusammenfassung des Inhalts, Infos zum Autor, aber auch „Technisches“ wie die Seitenanzahl oder der Preis gehören zu den Sachen, die sich der Interessent ansieht. Was man aber in der Online-Präsenz von Verlagen (und auch Buchhandlungen) hierzulande vermisst und was in Deutschland zum Beispiel gut gehandhabt wird, ist der „Blick ins Buch“: einige Seiten, die man zur Lektüre hinstellt, manchmal auch ein ganzes Kapitel, das als Lese-Appetizer gerne hätte. So kann der Leser besser seine Entscheidung treffen.

Bücher anders lesen

Wie viele Verlage bei uns die bisherige Nische der elektronischen Buchvarianten ausbauen werden, ist abzuwarten. Dafür sprechen die kleineren Preise für den Verlag und für den Leser (wer um die Augen besorgt ist, muss nicht zum Laptop greifen, ein e-reader ist sanft zu den Augen und die Preise sind auch gefallen), das Überspringen einiger Etappen, beim Buchdruck und beim Liefern der Bücher und dem Buchverkauf. Allerdings geht das Erlebnis des Bücherlesens, zu dem Papierrascheln und –geruch gehört, verloren.

Bibliotheken hatten geschlossen. Auch in diesem Fall hieß es, nach Möglichkeit, seine Leser zu bedienen, vor allem, wenn es um Schul- und Unibibliotheken geht. Wenn hierzulande Schulbibliotheken schon seit langem eigentlich in einer Krise sind (das in dem guten Fall, in dem sie nicht aufgelöst worden waren), sind Universitätsbibliotheken mit Digitalformaten dem akademischen Korpus entgegengekommen. Auf wissenschaftliche Journals kann man sowieso nur noch oder fast nur noch online greifen. Internationale Datenbanken haben ihre größtenteils durch Gebühren zugängliche Schätze (darunter auch Bücher) den Lesern befristet gratis geöffnet. Denn man sollte weiterarbeiten, forschen, lehren und lernen können. Was hoffentlich jetzt klargeworden ist: Mehr Finanzierung für einen höheren Digitalisierungsgrad der Bibliotheken ist wünschenswert.

Noch im Februar hatten wir berichtet, dass einige Temeswarer Schriftsteller bei der Leipziger Buchmesse dabei sein sollten. Nach und nach sind Buchmessen, diese Großveranstaltungen aus dem Kulturbereich, in diesem Jahr der Pandemie zum Opfer gefallen. Schließlich hat man sich dann, als es klar wurde, dass Verschiebungen auch keine Lösung sind, umorientiert. Das Medium Buch hat sich auf das Medium Internet gestellt gesehen: denn die einzige Möglichkeit war, Online-Buchmessen zu organisieren. Booketlist, elefantFest waren einige dieser ersten Versuche in Rumänien. Es war ein Anfang, man hat das Gute daran, aber auch die Grenzen gesehen. Das Gute war, dass der Besucher nicht mehr unbedingt zeit- und gar nicht ortsgebunden war. Die Grenzen hat man schon dadurch gesehen, dass viele Autoren nicht ganz unbefangen vor der Kamera standen. Auch für sie war die Situation ein Novum. Und die Behaglichkeit des Auftretens vor dem Publikum, das man sehen und an dessen Gesichtszügen man die Reaktionen ablesen konnte, ist schon in krassem Gegensatz zu der Berührungslosigkeit im Online und der Anonymität des Publikums.

Zwar: Um das Buch sollte man sich weniger Sorgen machen als um den Film oder das Theater. Nicht so wie die Filmbranche ist die Buchbranche betroffen. Denn beim Film ist eine gesamte Crew beteiligt, die auch eng mit- und beieinander arbeitet. Beim Theater kann man nicht nur One-Man-Shows auswählen und dann online anbieten. Beim Buch aber können Autor, Illustrator, Korrektor, Verleger & Co. sich auch ziemlich gut online austauschen. Sicher ist es nicht dasselbe wie face-to-face, aber das ist das Beste, was man daraus machen kann. Und es gibt auch hierzulande zum Beispiel akademische Verlage, die nur E-books veröffentlichen und damit schon vor der Pandemie angefangen hatten.

In der Pandemie ist das Buch ist ein leidendes und ein Änderungen erleidendes Kulturgut. Das aber nicht aussterben soll.