Ein Stückchen steckt in jedem von uns

Am Rande der DSTT-Premiere „Die Kleinbürgerhochzeit“ von Bertolt Brecht

Szene aus der DSTT-Premiere „Die Kleinbürgerhochzeit“ von Bertolt Brecht Foto: DSTT

So geschah es vor hundert Jahren, es könnte heute sein: Das Lustspiel „Die Kleinbürgerhochzeit“, das von dem 21jährigen Bertolt Brecht 1919 geschriebene Stück, ursprünglich unter dem Titel „Die Hochzeit“, durchzieht der Sog des Zeitlosen, wie es nun als fünfte Premiere des DSTT unter der Spielleitung von Alexandru Dabija nonchalant und urwüchsig über die Bühne geht. In dem Einakter, angeregt von dem von Brecht so verehrten Komiker Karl Valentin (Uraufaufführung gab es 1926 am Schauspielhaus Frankfurt), wird, wie entsprungen aus dem wahren Leben, nicht nur eine zeitlose, auch heute gültige Farce auf das kleinbürgerliche Leben und Verhalten mit karrikaturenhaften Gestalten dargeboten, auch die Effekte des großen Brechtschen epischen Theaters mit seinem pädagogischen Fingerzeigen klingen hier schon an. Dazu die typisches Selbstinszenierung des Autors in seinem hintersinnigen Dialog mit der Welt und seinem Publikum: Brecht lässt seine Protagonisten u.a. abfällige Bemerkungen über sein eigenes Stück „Baal“ austauschen, wohl um das Interesse an seinem Drama anzuheizen.

Alle Abgründe des kleinbürgerlichen Spießertums for ever, kleinherzige Selbstsucht, Geiz, Nidertracht und moralische Engstirnigkeit, tun sich da an einem häuslichen Hochzeitsmahl- Brecht rückt diese Tafel dem biblischen Abendmahl näher- mit Brautpaar, Brautvater, Schwester der Braut, der Mutter des Bräutigams und einigen typischen Freunden, bei Kabeljau und süffigem Wein auf. Der Brautvater versucht hartnäckig schlüpfrige Anekdoten zum Besten zu geben, der Bräutigam rast vor Eifersucht auf seinen Freund, einen Gitarren-Casanova. Die schwangere Braut heuchelt Stolz darauf, dass der Bräutigam ihre Möbel selbst gezimmert hat. Die gesamte Feier gerät zu einem ungehörigen Dialog mit Saufgelage und allerhand vulgären Anspielungen. Inmitten aller Peinlichkeiten geht die Fassade endgültig kaputt bzw. bricht der ganze Stolz des Bräutigams, die selbstgezimmerten Möbel, nach und nach wegen dem misserablen Kleister auseinander. Der belachte, katastrophale Abend  endet im allgemeinen Streit, das Paar findet noch die Kraft darüber zu lachen.  Letzten Endes heißt es: „Gott sei Dank und dem Teufel, dass sie endlich draußen sind!“   

Es spielen mit bestechender Einsatzfreude die Schauspieler Rareş Hontzu (der kauzige Brautvater) , Dana Borteanu, Silvia Török (Braut), Olga Török (Schwester der Braut), Franz Kattesch (der urkomische Bräutigam), Georg Peetz (als typischer Berliner Galan), Ioana Iacob, Radu Vulpe und Konstantin Keidel. Ein Sonderlob für das in recht komischer Weise ständig in alle Stücke krachende Bühnenbild von Dragoş Buhagiar, Gewinner mehrerer UNITER-Preise für Bühnenbild und Kostüme, und schon mehrmals als Gast am DSTT erfolgreicher Bühnenbildner.

Für diese Inszenierung, der man ohne weiteres  guten Erfolg im eigenen Haus wie auch bei Gasttourneen voraussagen kann, zeichnet Gastregisseur Alexandru Dabija. Der Spielleiter, seit 1991 Regisseur am hauptstädtischen Odeon-Theater, gehört derzeit zu den meistgeschätztesten Regisseuren des Landes. „Die Kleinbürgerhochzeit“ ist nach der Inzenierung „Die kahle Sängerin“ von E. Ionesco seine zweite Mitarbeit an der deutschen Schauspielbühne Temeswar. Eine nächste Aufführung ist für Montag, den 20. Mai, um 19.30 Uhr im DSTT-Saal anberaumt.