Eine Lektion fürs Leben

Betriebspraktikum ermöglichte Schülern Einblick in die Arbeitswelt

Ioana Berariu (links im Bild) legte ihr Praktikum bei der ADZ/BZ ab. Auf dem Programm stand auch ein Besuch der Pressekonferenz des Temeswarer Bürgermeisters Nicolae Robu. Foto: Zoltán Pázmány

In Deutschland ist es schon seit Jahren üblich, dass Schüler der zehnten Klasse eine Praktikumswoche erleben.Jetzt geschieht das auch am Nikolaus-Lenau-Lyzeum in Temeswar/Timişoara. 2007 kam Brigitte Röllig, die Geschichte an dem Lenau-Lyzeum unterrichtete mit der Idee, dieses Projekt auch in Temeswar durchzuführen. Das Praktikum wurde im selben Jahr vom Kulturministerium bestätigt. Nun konnte es losgehen. Dafür aber brauchte man Betriebe, bei denen sich die Schüler bewerben konnten.

„Das Praktikum kann nur funktionieren, wenn die Betriebe ihr Einverständnis geben“, sagt Eva Schramm, die an der Deutschen Spezialabteilung der Lenau-Schule Deutsch und Geschichte unterrichtet. Zu allererst sei es also wichtig, Kontakte aufzubauen. Dies passiert über den Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat.

Dort stellen sich alle deutschprachigen Unternehmen und Einrichtungen vor, und erklären sich bereit, Schüler als Praktikanten aufzunehmen „Die Notaufnahme war nicht auf der Liste der Betriebe. Weil es sich die Schüler aus diesem Jahr wünschten, wurde die Einrichtung hinzugefügt“, sagt Eva Schramm.

In der Zeitspanne 13. – 17. Mai konnten die Schülerinnen und Schüler der zehnten Klasse der Spezialabteilung berufliche Erfahrung in vielen verschiedenen Bereichen sammeln. Die Schüler zeigten sich zufrieden mit der angebotenen Praktikumswoche. „Das Feedback ist sehr positiv. Es gab nur Einzelfälle, wo es nicht gut ging, aber da wechselten die betreffenden Schüler den Praktikumsplatz und alles regelte sich“, erklärt Eva Schramm. Die Schüler mögen es, verschiedene Bereiche kennenzulernen. Das Betriebspraktikum ist gut für sie, da sie sehen, wie es ist, zu arbeiten, einen gewissen Zeitrhythmus einzuhalten, sich an einem neuem Ort einzuleben, zu kommunizieren und selbständig zu arbeiten. „Wegen der Vorbereitungen auf das Praktikum haben die Schüler auch neue Arbeitstechniken wie das Anfertigen des Lebenslaufs oder Bewerbungsschreibens gelernt. Sich online zu verständigen, ist heutzutage auch wichtig“, sagt die Deutsch- und Geschichtslehrerin.

Auch in diesem Jahr gab es eine Vielfalt an Möglichkeiten für die Schüler.

Zu den Betrieben zählten Orte wie die Notaufnahme, das Theater, das Radio, die Tierarztpraxis, die Kanzlei, die Zeitung, der Kindergarten, u.v.m. Letztes Jahr gab es 50 Schüler, die einen Platz finden sollten. Deshalb kam es auch dazu, dass einige Betriebe bis zu vier Schülern aufnahmen. Dieses Jahr aber gab es nur eine Klasse, also nur 29 Schüler. Alle konnten sich den gewünschten Betrieb auswählen. Einige Praktikumsplätze blieben dabei auch unbesetzt. Die diesjährigen Praktikanten waren aber glücklich mit ihrer Wahl. „Es hat mir schon gefallen, auch wenn es manchmal ein bisschen monoton wurde. Die meiste Zeit habe ich auf dem Computer gearbeitet. Ich habe aber neue Sachen über die Druckerei gelernt,“ sagt Erwin Weber (17), der beim ArtPress-Verlag sein Praktikum ablegte. „Ich mag das Haus, in dem wir arbeiten. Alle sind echt freundlich und lustig. Ich habe neue Erfahrungen gesammelt. Das Praktikum ist ja da, um Erfahrungen zu sammeln“, meint Richard Zuberecz (17), der beim Softwarebetrieb infin Group reinschnuppern durfte.

„Es gefiel mir besonders gut, weil ich in einem Bereich arbeiten musste, den ich mag. Die Arbeit am Computer war OK, die Stimmung war schön und die Leute waren nett. Ich habe neue Dinge gelernt. Zum Beispiel konnte ich sehen, wie es ist, zu arbeiten. Es kam auch zum Streit zwischen den Angestellten, als etwas schief lief, aber so konnte ich besser lernen, wie es ist, unter Druck zu arbeiten. Ich kann mir jetzt besser vorstellen, wie es im richtigen Leben abläuft“, sagt Oliver Kiss (17),infin Group.

„Ich habe viel mehr Sachen gelernt, als ich es mir je vorstellen konnte. Wir durften uns viel einbringen. Wir dachten ja, dass wir nur am Rande stehen würden und das war´s. Jetzt verstehe ich das medizinische System viel besser, und auch, was es in Rumänien voraussetzt. Ich denke jetzt ernsthaft darüber nach, einer ärztlichen Karriere nachzugehen“, erzählt Oxana Grosseck (16), die in der Notaufnahme dabei war.

„Es hat mir gefallen, auch wenn es ein bisschen unerwartet war, weil ich einige Sachen tun musste, die ich nicht kommen sah. Ich bekam andere Aufgaben, als ich es mir vorgestellt hatte. Alle waren sehr aufmerksam mit mir und echt freundlich. Mir gefiel auch der Ausflug nach Arad. Ich musste in der Dramaturgie arbeiten, welcher ein für mich unbekannter Bereich ist. Meine Praktikumsbetreuerin erklärte mir immer alles“, erklärte Ioana Bugarin (16), Mitglied in der NiL-Theatergruppe, die am Deutschen Staatstheater Temeswar ihr Praktikum ablegte.

Einige der Praktikanten lernten nicht nur neue Sachen bezüglich des betreffenden Berufs, sondern erhielten auch eine Lektion fürs Leben. „Ich habe eingesehen, dass hinter all den Sachen, die wir für leicht halten, viel Arbeit steckt“, sieht Ioana Bugarin ein. „Ich habe ein paar Basisprozeduren gelernt. Aber am wichtigsten war, dass ich sehen konnte, wie bei uns Probleme gelöst werden, die es eigentlich nicht geben sollte: Nach welchen Kriterien man entscheidet, wen man behandelt und wen nicht, weil es zu wenig Geld gibt für alle, wie man mit dem Personalmangel umgeht und dass es nicht genug Sozialarbeiter gibt, die bei einem Sozialfall, er ins Krankenhaus eingewiesen werden muss, die Nachtschicht übernehmen können. Jeder hat eine Rolle, aus welcher er gezwungen ist, rauszuschlüpfen, damit er die Sachen zum Laufen bringt. 90 Prozent der Menschen, die zur Notaufnahme kommen, sind nicht wirklich Notfälle, sondern einfach nur arm. Und schließlich habe ich gelernt, dass ausgerechnet die Notaufnahme ein Ort ist, wo es keine Diskriminierung gibt“, erläutert Oxana Grosseck.

Für die Mehrheit der Schüler lohnte sich das Betriebspraktikum. Auch wenn sie danach nicht unbedingt in dem Praktikumsbereich arbeiten würden, so gewannen sie doch einen realistischen Einblick in die Arbeitswelt. Interessant war die Erfahrung auf jeden Fall.